Das Gastland der Buchmesse ist Anlass zahlreicher Ausstellungen indonesischer Kunst in Frankfurt.

In reinen Zahlen betrachtet überrascht es dann doch ein wenig: Nach China, Indien und den USA nimmt Indonesien den vierten Platz auf der Liste der bevölkerungsreichsten Länder ein – noch weit vor Brasilien, Pakistan oder zum Beispiel Russland. Im zeitgenössischen Weltkunstgeschehen, in Deutschland gar spielen indonesische Künstlerinnen und Künstler ganz unabhängig ihrer jeweiligen Disziplin bisher allerdings eher eine untergeordnete Rolle. Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse (14.-18. Oktober 2015) bieten einige Frankfurter Museen und Veranstaltungshäuser Gelegenheit, sich die Kunst des diesjährigen Gastlandes ein wenig genauer anzuschauen: Fotografie und Malerei werden präsentiert, Videokunst, Installationen, Performances und Architektur.

So verschieden die jeweiligen Medien und Ausdrucksformen, in denen (auch angewandte) Kunst hier gezeigt wird, so facettenreich sind die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind und weiterhin entstehen. Die große Diversität innerhalb der indonesischen Gesellschaft ist nicht zuletzt auch geografisch bedingt: Auf über 17.000 Inseln verteilt leben die Menschen des Vielvölkerstaates, der damit zugleich größter Inselstaat der Welt ist. Diese geopolitischen Voraussetzungen bilden gewissermaßen die Basis, den Kitt zwischen den unterschiedlichen Positionen. Gerade in der Diversität des indonesischen „Melting Pot“ lässt sich also eine Gemeinsamkeit entdecken – zum Beispiel bei den zehn Fotokünstlerinnen und – Künstlern wie dem World Press Photo Award-Preisträger Kemal Jufri, die ab dem 1. Oktober unter dem Titel „Beyond Transisi“ im Fotografie Forum Frankfurt präsentiert werden: Die Umbrüche in der indonesischen Gesellschaft sind das einende Element, das die verschiedenen Arbeiten reflektieren. Dabei bearbeiten die einflussreichsten indonesischen Fotokünstler/-innen der Generationen 1960 bis 1990 die Transformation ihres Landes mal dokumentarisch, mal experimentell: Sehnsuchtsvolle Blicke von Jugendlichen sind hier zu sehen, Aufnahmen von Zuckerrohrplantagen und sich in die Landschaft hineinfressender Minen, aber auch multimediale Foto-Installationen.

Kemal Jufri, A shepherdess watches over her sheep near a coal powerplant in Jepara, Central Java, Indonesia, 2012, Aus der Serie Fragile Bond, © Kemal Jufri
Joko Avianto, BIG TREES (POHON BESAR)“, 2015, Ansicht Fassadeninstallation, Frankfurter Kunstverein 2015, Foto: Andang Iskandar / Humanika Artspace, Courtesy the artist

Mit Bruchstellen sowohl in der eigenen Biografie wie in der Geschichte, Gegenwart und Zukunft Indonesiens beschäftigen sich auch die Künstlerinnen und Künstler, die ab dem 26.09. im Frankfurter Kunstverein gezeigt werden. Eine Installationen aus wehenden „Good Morning“-Handtüchern und Stop-Motion-Video vom Kollektiv Tromarama wird hier zu sehen sein, frei im Raum schwebende Skulpturen, die vom Künstler Jompet Kuswidanant bewegt und vertont zum Leben erwachen, bemalte und beschriebene Decken und Wände stehen stellvertretend für die noch relativ jungen, auch künstlerischen Freiheiten. Ein weiteres Werk könnte bald zum neuen „Selfie Spot“ werden, wie Direktorin Franziska Nori ironisch einwirft: Die Fassade des Kunstvereins wurde von Joko Avianto mit insgesamt rund 1.500 handgeschlagenen Bambusstäben zu einer gigantischen Baumfassade gestaltet, die bereits während des Aufbaus zahlreiche Schaulustige magisch anzog.

Mit für westliche Gepflogenheiten zunächst ungewöhnlicheren Baumaterialien und -Weisen beschäftigt sich auch das Deutsche Architektur Museum: Noch bis zum 6. Januar 2016 wird dort „Tropically Revisited“ zu sehen sein. Die Ausstellung zeigt insgesamt zwölf Case Studys, in denen indonesische Architekten neue Ansätze für die spezifischen Gegebenheiten vor Ort entwickeln. Sie begegnen dem tropischen, feucht-heißen Klima und nicht zuletzt dem im urbanen Raum vorherrschenden Platzmangel mit Ideen, die oft abrücken vom „Glas-und-Klimaanlage“-Credo und die stattdessen mit meist erstaunlich simplen, in puncto Ästhetik und Komfort überzeugenden Lösungen selbst auf kleinstem Raum überraschen.

AM Residence, Bintaro\Jakarta, Architekt: Andra Matin© Foto: Paul Kadarisman

Weitere spannende Positionen indonesischer Künstlerinnen und Künstler werden im Rahmen des multimedialen Tanz-, Musik- und Performance-Festivals Indonesia LAB zum Beispiel im Mousonturm oder im Portikus präsentiert, außerdem zeigt das Haus am Dom eine Retrospektive der indonesischen Künstlerin und Aktivistin Arahmaiani.