Martin Parr fotografierte 1973 fünf leidenschaftliche Fans der Band The Osmonds. Die Band ist heute fast spurlos vom Erdboden verschwunden – die Fotos ihrer Fans hingegen hängen in der Ausstellung GLAM! The Perfomance of Style.

Ob sich noch irgendjemand an The Osmonds erinnern kann? Vielleicht ja die fünf Frauen, die Martin Parr 1973 in klassischem Schwarz/Weiß abgelichtet hat – in voller Fanmontur, den Namen ihrer Lieblingsband stolz auf Jeans, Shirt und den Blazer geschrieben. Im Gegensatz zu mancher Rockband der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre, die ihren Weg in den Pop-Olymp geschafft hat, sind The Osmonds irgendwann nahezu in der Versenkung verschwunden. Heute feiern zumindest einige der musizierenden Geschwister, deren Karriere einst im Disneyland (!) begann und die später als eine der ersten Boygroups in weißen Schlaghosen samt glitzernden Overalls über die ganz großen Bühnen tourten, ihr 50-jähriges Bandjubiläum und treten hin und wieder noch mit sanftem Countrypop in die Öffentlichkeit. In den 70er-Jahren aber sorgte der Name Osmond für regelrechte Ohnmachtsanfälle und Hysterie unter den vornehmlich weiblichen Fans – ganz besonders im britischen Königreich und kurze Zeit später auch in Deutschland.

Glam und Martin Parr, das ist eigentlich eine höchst ungewöhnliche Kombination. Der britische Magnum-Fotograf (seine Aufnahme in die legendäre Fotoagentur soll eine der knappsten Entscheidungen in der Geschichte gewesen sein, mit etlichen Gegenstimmen) interessiert sich eher für Supermarktverkäuferinnen als für Rockstars und fotografiert lieber Spucktüten mit royalem Emblem als die Hochzeit von Prinz William und Kate, für die ebenjene als eine Art „Anti-Memorabilia“ angefertigt wurden. Als aufmerksamer Beobachter des britischen Alltags sind ihm großartige Momentaufnahmen gelungen, die den Status Quo der Insel besser widerspiegeln als so manche soziologische Studie. Und nicht nur dort: Mit zunehmendem Erfolg fotografierte Parr an zahlreichen anderen Orten, spürte skurrile Situationen auf der ganzen Welt auf und interessierte sich dabei vor allem für die Menschen vor den großen Kulissen. Die fünf Fotografien, die in der aktuellen SCHIRN-Ausstellung zu sehen sind, zeigen deshalb auch nicht die Stars der Glam-Ära, sondern begeben sich auf die genau entgegengesetzte Seite – die der Fans. Ihre Gesichter strotzen nur so vor Vorfreude und Stolz über die eigene Leidenschaft. Einige präsentieren sich selbstbewusst, die Hände in die Hüften gestemmt, andere wirken eher schüchtern. Mit Turnierschleifen und Herzen aufwändig dekoriert wetteifern sie um den Titel des fleißigsten Fans, des Mädchens mit der aufrichtigsten Osmonds-Liebe. 

Wer weiß schon, was in vierzig Jahren sein wird

Parr, der bereits in jungen Jahren zu fotografieren begann und während seines Studiums in den frühen 1970er-Jahren vor allem Schwarz-Weiß-Abzüge anfertigte, arbeitet heute vornehmlich in Farbe. An seiner künstlerischen Grundhaltung, der Auswahl seiner Motive, haben der Erfolg, die Aufnahme in den erlesenen MAGNUM-Zirkel und die Möglichkeit, kostspieliger und aufwändiger arbeiten zu können, kaum etwas geändert. Und insofern ist natürlich auch das Glam: Der Glanz der großen Bühne, die Aura des Popstars, in dessen Schein sich das junge Publikum für einen kurzen Augenblick sonnen und der eigenen kleinbürgerlichen Existenz entrinnen darf. Vielleicht sind die Rollen heute vertauscht, vielleicht führen die abgebildeten Fans, die jungen Frauen heute ein sehr viel schillernderes Leben als jene Musiker, die sie einst angehimmelt haben. Vielleicht sind die Turnierschleifen mit den Gesichtern der Musiker in der Altkleidersammlung gelandet und die Erinnerungen an die Lieblingsband längst in Vergessenheit geraten. Wer weiß schon, was in vierzig Jahren sein wird: In diesem einen Martin-Parr-Moment ist erst einmal alles jugendlicher Überschwang – und der Name Osmond der Größte.