Die präzise Bildsprache von Rashid Johnson spielt mit Klischees – humorvoll und mit einem ausgeprägten Faible für die Ästhetik von Mystik und Geheimnis.

Wie Schwarz ist Schwarz? Ein Blick auf „Keep Souls Handy“, eine Installation von Rashid Johnson, möchte keine eindeutige Antwort auf die Frage liefern: Ein Block von 96 akkuraten schwarzen Keramikfliesen bildet die glänzende Basis fürs Werk. Gegen deren Intensität wirkt die matt-dunkle, auf Seife und Kacheln angebrachte Farbe – Reste fließen links und rechts herab – wie eine äußerst laue Version ihrer selbst. Elemente wie das historische Schriftstück „The Soul of Black Folk“ von Du Bois oder die Fotografie der Hand von Miles Davis bestätigen den Eindruck: Schwarz ist und bleibt nur eine Farbe – als Ausdruck gesellschaftlicher Realität funktioniert sie nur im Verbund mit kulturellen Zuschreibungen. Auch die Arbeit „Run“ von Rashid Johnson zeigt bekannte Referenzen: Graffiti auf dem Spiegel, Kugeln aus Sheabutter, beliebtes Pflegemittel für krauses Haar, und ein kleiner Vorlegeteppich laden ein zum Spiel mit den Codes der Zugehörigkeit. Als solche dürfen sie dem Außenstehen durchaus als geheimnisvolle Schlüssel in eine Lebenswelt gelten, deren Zutritt sie aber deshalb noch lange nicht gewähren – und umgekehrt.

1977 geboren, zählt Rashid Johnson heute zu den bekanntesten Vertretern der Post-Black Art, deren Begriff seit den späten 1990er-Jahren durch die Feuilletons und Galerien der US-amerikanischen Kunstszene geistert. Mit Thelma Golden und Debra Dickerson beanspruchen gleich zwei bekannte Größen die Erfindung des Genres für sich. Doch wie bei so vielen Kategorien verschweigt auch diese mehr als sie verrät: Künstler, die sich explizit gegen Zuschreibungen durch ethnische Herkunft oder Hautfarbe aussprechen, gelangen plötzlich mit ebenjener zu besonderer Aufmerksamkeit. Eine durchaus paradoxe Situation, die sich auch in Rashid Johnsons Werk widerspiegelt: Verweise auf eine genuin afroamerikanische Lebensgeschichte finden sich nicht zufällig in Installationen und Fotografien; vielmehr werden sie ganz bewusst als Ausgangspunkt der eigenen künstlerischen Arbeit gesetzt. Von schwarzen Kacheln über Sheabutter bis hin zum Meilenstein der afroamerikanischen Geschichtsliteratur liefert Johnsons Werk zahlreiche Referenzen die Rasse, Hautfarbe und kulturelle Zugehörigkeit thematisieren. Auch die Popkultur bleibt nicht außen vor – Bill Cosby erhält in den Installationen des Künstlers ebenso einen Platz wie die Anzüge von US-Präsident Barack Obama und anderen bekannten Afroamerikanern.

Dennoch: Politische Verbissenheit ist Rashid Johnsons Sache nicht. Parolen und Eindeutigkeiten überlasst der Künstler lieber anderen. Befragt nach seiner Meinung zur Wahl Barack Obamas zum ersten afroamerikanischen Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte der USA erklärte Johnson: „I was very proud when Barack got the nomination, […] But I wasn’t proud for black people – I was kind of proud for white people.“ Am Festhalten starrer Codes und Zuschreibungen, die gesellschaftliche Trennung manifestieren statt sie zu durchbrechen, ist dem jungen Künstler nicht gelegen. Viel eher nutzt er die vielfältigen kulturellen Referenzen und Stereotypen, um damit spielerisch und doch präzise eigenes zu schaffen.

Überhaupt zeichnet sich Johnsons Werk durch eine starke, präzise Bildsprache aus – ganz gleich, ob es sich dabei um die mit scheinbar punkiger Attitüde zusammengestellten Installationen oder frühe Fotografien handelt. Auch dieses Medium ist mit einigen Exponaten in der aktuellen SCHIRN-Ausstellung „Geheimgesellschaften“ vertreten. Mit Bildern wie „The New Negro Escapist Social and Athletic Club (Marcus)“ aus dem Jahre 2010 knüpft Johnson an frühe Arbeiten an, mit denen der Künstler bereits in jungen Jahren für großes Aufsehen sorgte. Der Titel beschreibt eine fiktive Gesellschaft, deren exzentrischer Name bereits die große Spielfreude und Detailverliebtheit andeutet, mit der Johnson seine Arbeiten realisiert. Sie solle, so der Künstler, eine geheime Vereinigung afro-amerikanischer Intellektueller darstellen – angesiedelt irgendwo zwischen „Mensa International“, der weltweiten Gesellschaft für überdurchschnittlich intelligente Menschen, und den Freimaurern.

Auf visueller Ebene besticht Johnsons fotografisches Werk durch eine ganz eigene Bildsprache. Fast gemalt wirkt die Schwarz-Weiß Fotografie, welche dank Mehrfachbelichtung und Kombination aus klassischem Portrait eines Afro-Amerikaners auf gleichem Bild mit Zimmerpflanzen und Nebel eine durchaus augenzwinkernde Mystik erhält. Sie ist Bestandteil einer Serie von Portraits, die sich neben ihrem Motiv auch durch ihr besonderes Herstellungsverfahren auszeichnen: Hier greift der Künstler auf eine historische Fototechnik aus dem 19. Jahrhundert zurück, in der das spezielle Pigment „Van Dyke Brown“ und die Belichtung mit natürlichem Sonnenlicht gemeinsam für die unverwechselbare Ästhetik verantwortlich zeichnen. Verstärkt wird die Illusion eines gemalten Werks durch Johnsons Deardorff-Kamera und die großen Pinsel, mit denen er die Entwickleremulsion Strich für Strich auf das Fotopapier aufträgt. Der betörenden Wirkung Johnsons fotografischer Arbeit kann man sich nur schwerlich entziehen: Bereits im Jahr 2000, als gerade 23-jähriger College-Student, fanden die großformatigen Archivdrucke großen Anklang. Schon kurze Zeit später konnte Rashid Johnson landesweit auf sich aufmerksam machen – im Jahr 2001 stellt er auf der renommierten Freestyle Show aus. Die von Thelma Golden kuratierte Ausstellung gilt als Aushängeschild der Post-Black Art Szene, die sowohl etablierte Künstler als auch vielversprechende Neuentdeckungen präsentiert. Bald darauf folgten Ausstellungen im Museum of Contemporary Art Chicago oder dem Sunrise Museum in Charleston.

So unterschiedlich die Medien und Ausdrucksformen sind, mit denen Johnson sein Werk formt, so ähnlich sind die wiederkehrenden Motive: Fotografien, Videos und Installationen lesen sich als Referenz an afroamerikanische Lebenswelten – von den frühen Arbeiten mit Hühnerknochen und Samen aus der Wassermelone, welche das Klischee afro-amerikanischer Essgewohnheiten repräsentieren, bis hin zu Sheabutter, Graffiti und Schwarzer Seife in der aktuellen Ausstellung in der SCHIRN. Hier wirken die einzelnen Elemente wie Codes einer geheimen, eingeschworenen Gemeinschaft – eine Deutungsmöglichkeit, die Johnson bewusst in sein Werk einbezieht. Flucht und Eskapismus in die Kunst, aber auch in die nur vermeintlich eigene Kultur und Subkultur ist ein Thema, das der Künstler in zahlreichen Arbeiten durchexerziert – humorvoll und mit einem ausgeprägten Faible für die Ästhetik von Mystik und Geheimnis.