Mario Radinger (29), Tanztrainer und Musiker aus Frankfurt, hat sich die Ausstellung „Philip-Lorca diCorcia“ angeschaut und uns im SCHIRN MAG-Interview verraten, warum ihn die Fotografien „angefixt“ haben.

SCHIRN MAG: Kanntest Du den Künstler diCorcia, bevor du die Ausstellung besucht hast?

Mario Radinger: Den Namen hatte ich schon mal gelesen, und ich habe mal in einer Zeitschrift eine Fotostrecke von ihm gesehen. Ich finde Fotografie generell sehr spannend und fotografiere auch selbst. Dazu kommt, dass ich oft in den USA bin und mich für das Land interessiere. Mich hat diCorcias Blick auf Amerika interessiert und ich war gespannt auf seine Serie „Hustlers“. 

SM: Für „Hustlers“ hat diCorcia männliche Prostituierte in Los Angeles abgelichtet. Warum hat Dich gerade diese Serie interessiert?

MR: Die Männer sind gefallene Existenzen. Das Thema ist tragisch und gleichzeitig faszinierend. Man fragt sich: Wie kann man sich prostituieren? Könnte ich das machen und was für Menschen sind das eigentlich, die so etwas tun?

SM: Haben Dir die Bilder Antworten auf die Fragen geliefert?

MR: Vielleicht. Jedenfalls hat mir die Serie richtig gut gefallen. Keiner der Menschen auf den Bildern macht einen glücklichen Eindruck, obwohl sie fast alle smart aussehen. Mich hat die Spannung zwischen Dokumentation und Inszenierung auf den Fotos fasziniert. Alle Protagonisten sind echte Stricher, die Titel der Werke bestehen aus dem Namen, dem Alter, dem Herkunftstort der Männer und aus dem Geldbetrag, den sie jeweils für das Fotoshooting von diCorcia bekommen haben. Aber diCorcia fotografierte sie nicht als die Menschen, die sie sind, sondern er ließ sie in Rollen schlüpfen, die er sich vorher überlegt hatte. Die Beleuchtung, die Posen waren bis ins Detail geplant. 

SM: Welches Werk hat Dir am besten gefallen?

MR: Das Bild, auf dem der 21-jährige Ralph Smith zu sehen ist. Er ist ein junger, sehr gutaussehender Mann, der auf einem Rasenstück vor einem Diner-Schild sitzt. Das Bild besitzt durch die Belichtung und die Pose etwas Bühnenhaftes und ich hatte das Gefühl, in ein Geheimnis eingeweiht zu werden.

SM: In der Ausstellung sind sechs Werkserien in sechs verschiedenen Räumen zu sehen ...

MR: Ein ganz tolles Konzept! Man hat die Möglichkeit, in einer Ausstellung sechs kleine Ausstellungen zu sehen. Man weiß, im nächsten Raum kommt wieder etwas Neues und freut sich schon darauf. Durch die Präsentation kann man den Künstler im Ganzen wahrnehmen.

SM: Gab es neben „Hustlers“ noch andere Serien, die Dich besonders beeindruckt haben?

MR: Ja. „A Storybook Life“. Auf den ersten Blick reihen sich dort Bilder von scheinbar unscheinbaren Momenten des Lebens aneinander. Die Serie hat mich nicht sofort gepackt. Ich hatte etwa die Hälfte gesehen, als es bei mir „klick“ machte: Man betrachtet diese Momentaufnahmen, die theoretisch aus dem Leben einer einzelnen Person stammen könnten. Erst in ihrer Gesamtheit ergeben die Bilder einen Sinn, weil all diese Momente zusammen genommen ein Leben ausmachen.

SM: Bist Du jetzt ein diCorcia-Fan?

MR: Fan ist vielleicht zu viel gesagt, aber ich bin definitiv angefixt.