Gemeinsam mit der Eröffnung der Ausstellung „GLAM!“ feiert die SCHIRN auch ihr Sommerfest am 13. Juni. Nigel Francis spielt dort Stücke aus seiner Inszenierung des Glamrock-Musicals „Hedwig and the Angry Inch“. Ein Interview

Er stand schon mit Maximilian Schell, Neve Campbell und James Fox auf der Bühne. Robert Altman und Kevin Spacey führten Regie bei Stücken, in denen er auftrat. Nach erfolgreichen Jahren in London siedelte Nigel Francis 2009 nach Frankfurt über und realisierte seine erste eigene Produktion: das Glamrock-Musical „Hedwig and the Angry Inch". Das Stück handelt von einem Transsexuellen, der aus Ostberlin flieht, um die Welt als Rockstar zu erobern. Einige Songs aus dieser Produktion wird Nigel Francis nun bei der Ausstellungseröffnung von „GLAM! The Performance of Style" noch einmal live spielen. Beim Interview in einem charmanten Omacafé im Westend verzichtet er zwar auf Käsekuchen („Ich bin auf Diät, bis zu meinem Auftritt beim SCHIRN-Fest muss ich in Top-Form sein"), erklärt dafür aber, warum er gerne in Frauenkleidern auf der Bühne steht, was ihn an David Bowie fasziniert und dass er davon träumt, sein Stück noch einmal neu zu inszenieren -- mit Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz in der Hauptrolle.

Schirn Magazin: Nigel, du hast lange in London als Schauspieler gearbeitet. Wie bist du schließlich in Frankfurt gelandet?

Nigel Francis: Ich habe 2004 und 2005 für das Englische Theater gearbeitet. Dort lief eine Produktion des Musicals „Cabarets", in der ich gespielt habe. Während der Zeit in Frankfurt habe ich dann meine Freundin kennengelernt -- ich bin also aus Liebe hier geblieben. Das habe ich nie bereut: Frankfurt hat mich gleich begeistert.

SM: Wie kam es dann dazu, dass du dein eigenes Musical, „Hedwig and the Angry Inch", hier auf die Beine gestellt hast?

NF: Irgendetwas musste ich ja machen. Und weil ich nie etwas anderes gelernt hatte außer Schauspielen, habe ich es einfach gewagt, mein eigenes Stück zu realisieren. Das war gar nicht so leicht: Niemand kannte mich. Wir spielten in einem Theater, dem früheren English Theatre in der Kaiserstraße, das schon einige Zeitlang leer stand. Und von dem Musical „Hedwig and the Angry Inch" hatte vorher auch noch niemand etwas gehört.

SM: Wie bist du selbst auf das Stück gestoßen?

NF: Ein Freund hat mir eine CD mit der Musik gegeben. Er wollte das Stück in Großbritannien auf die Bühne bringen, aber die Idee hat sich leider schnell zerschlagen. Ich mochte die Songs von Anfang an. Ich dachte: Wow, diese Musik ist anders als alles, was ich jemals vorher gehört habe. Diese Mischung aus Glamrock und Punk, diese Energie, das hat mich begeistert -- genauso wie die Geschichte dahinter. Als ich beschloss, in Frankfurt eine eigene Produktion auf die Bühne zu bringen, war sofort klar: Das kann nur „Hedwig and the Angry Inch" sein.

SM: Die Show wurde ein riesiger Erfolg.

NF: Ja, das hat mich wirklich überwältigt. Vier Wochen lang haben wir das Stück im alten English Theatre gespielt. Danach ging es im Sinkkasten weiter, dem heutigen Zoom. Dann sind wir für einige Abende ins Nachtleben gezogen. Später lief „Hedwig" noch im Neuen Theater in Höchst. Am Ende kamen über 50 Shows zusammen, verteilt auf vier Jahre.

SM: Ihr hattet viele treue Fans, oder?

NF: Es gibt tatsächlich Leute, die seit der Premiere keinen einzigen Auftritt verpasst haben. Viele von ihnen sind mittlerweile gute Freunden von mir geworden, das war eine tolle Erfahrung. Wir hatten aber auch großes Glück: Die Zeitungen haben unsere Show alle sehr gut besprochen -- das hilft auch, damit ein Stück ein Erfolg wird.

SM: Was fasziniert dich an der Musik, an Glam?

NF: Das Theatralische. Im Glamrock werden aus Popstars Charaktere. David Bowie zum Beispiel hat sich in die Figur Ziggy Stardust verwandelt. Iggy Pop, Marc Bolan, die New York Dolls: All diese Musiker haben Rollen übernommen. Sie haben sich wie Schauspieler geschminkt, haben sich Kostüme angezogen, sind damit auf die Bühne gegangen. Das ging alles weit über das normale Auftreten einer Band hinaus -- und das fasziniert mich als Schauspieler sehr.

SM: Als Hedwig schlüpfst du in Frauenkleider. Macht dir dieses Spiel mit den Geschlechtergrenzen Spaß?

NF: Glam war eine große Befreiung, weil Männer endlich in der Öffentlichkeit ihre weiblichen Seiten ausgelebt haben. Als Schauspieler ist es für mich eine unheimlich spannende Herausforderung, eine Figur, die zwischen den Geschlechtern steht, zu verkörpern. Wie werde ich dieser Figur gerecht? Wie stelle ich Hedwig dar, ohne dass es ins Karikaturenhafte abrutscht? Hedwig ist eine gebrochene Persönlichkeit. Ihre Bitterkeit hat einen Ursprung in der Ablehnung durch andere. Das auf der Bühne zu verkörpern, macht einfach sehr viel Spaß.

SM: Werdet ihr bei der Ausstellungseröffnung von „GLAM!" ausschließlich Stücke aus dem Musical spielen?

NF: Zu einem großen Teil ja, aber wir proben gerade auch einige Coverversionen. Wir werden auf jeden Fall ein Stück von Iggy Pop spielen, vielleicht auch etwas von den Rolling Stones. Und bestimmt etwas von Blondie. Blondie mochte ich schon als Jugendlicher sehr.

SM: Und die Kostüme aus „Hedwig & The Angry Inch" werden auch wieder ausgepackt?

NF: Na klar, das muss sein. Wenn du „Hedwig" in T-Shirt und Jeans rüberbringen willst, dann kann das nur schief gehen. Deshalb kann ich auf jeden Fall versprechen: Bei der „GLAM!"-Eröffnung werde ich mit blonder Perücke und Kleid auftreten.

SM: Was machst du, wenn du nicht Hedwig bist?

NF: Gerade habe ich „Scaramouche Jones" produziert -- ein Einpersonenstück über einen Clown, der am Ende seiner Karriere, als Hundertjähriger, sein Leben rekapituliert. Das Stück kam im Internationalen Theater Frankfurt heraus und wurde sehr gut angenommen. Bislang lief es allerdings nur an drei Abenden. Das ist ein Problem im Frankfurt: Räume für unabhängige Kultur zu finden. Ich hätte gerne einen Ort, an dem ich regelmäßiger Stücke zeigen könnte.

SM: Gibt es denn auch Pläne, „Hedwig & The Angry Inch" wieder über einen längeren Zeitraum in Frankfurt zu zeigen?

NF: Nein, diese Pläne gibt es nicht. Aber es gibt einen großen Traum: Ich würde das Musical gerne in großem Maßstab neu produzieren -- mit Bill Kaulitz von Tokio Hotel in der Hauptrolle. Bill als Hedwig, sein Bruder Tom an der Gitarre, Tokio Hotel als The Angry Inch. Ich denke, das wäre eine Sensation. Bill ist einfach fantastisch, er sieht großartig aus, mit ihm könnte man „Hedwig and the Angry Inch" zum Massenphänomen machen. In der Festhalle würden wir starten, dann ginge es nach Hamburg, Berlin und München in die großen Konzerthallen. Das wäre garantiert jeden Abend ausverkauft.