Gemälde aus Eberhard Havekosts Ausstellung „Retina“, die Anfang 2010 in der SCHIRN zu sehen war, werden nun, ergänzt durch zahlreiche weitere Arbeiten, in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gezeigt. Havekost hat die Ausstellung selbst konzipiert.

Mit „Retina" hatte Eberhard Havekost in der SCHIRN eine Schau aus 19 bislang nicht ausgestellten Arbeiten präsentiert. Diese Werke sind nun Teil der von Havekost programmatisch betitelten „Ausstellung" in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Hier gab man Havekost Carte Blanche und überließ ihm das Kuratieren der Schau. 65 Einzelbilder und Werkfolgen aus den Jahren 2007 bis 2010 wählte er aus und gibt den Besuchern damit einen ganz persönlichen Eindruck seines künstlerischen Verfahrens.

Seit den frühen 1990er-Jahren beruht Eberhard Havekosts Verfahren auf der Wiederaufnahme bereits existierender Bilder. Seine Werke entstehen aus einem Bilderpool, für den Havekost Hochglanzfotos und Schnappschüsse aus Magazinen, Zeitungen und Videos sowie zunehmend auch eigene Fotografien aus dem privaten Umfeld zusammenträgt, die er in einem umfangreichen digitalen Archiv nach bestimmten Kriterien ordnet.

In einem aufwändigen, auf Adaption und Addition beruhenden Samplingprozess verfremdet und abstrahiert der Künstler mithilfe digitaler Bildbearbeitungssoftware das Rohmaterial und entwickelt daraus die motivischen Vorlagen für seine Gemälde und Grafiken. Der Computer dient im Schaffensprozess als digitales Skizzenbuch, das eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Bildgegenstand in Form perspektivischer Studien und unterschiedlicher Verfremdungsmöglichkeiten bietet.

Bearbeitungsprozess ist Teil der Verfremdung

In der „Ausstellung", die in der Kunsthalle im Lipsiusbau zu sehen ist, erkennt man bei nur wenigen Arbeiten das Ausgangsmotiv -- Ausnahmen sind zum Beispiel ein Pferdetorso, ein Pixelgesicht, Details eines Ledersofas, ein Kapuzenpullover oder Spiderman.

„Ich finde es interessant, dass ich nichts Konkretes zu sehen bekomme, aber trotzdem versuche, zu assoziieren", sagte Havekost in dem Film, den wir Anfang 2010 mit ihm aufgenommen haben: „Der Interpretationsmodus hat keinen konkreten Ausgang". Havekost hat seine Gemälde auch als „Benutzeroberflächen" bezeichnet, weil sie den Zuschauer zum Projizieren einladen.

Konstruktionen eigener Bildwelten

„Wie kann man ein Bild benutzen? Was hat die Bildoberfläche mit der Körperoberfläche des Betrachters zu tun?" -- so lauten die Fragen, die der Künstler aufwirft. Dabei steht für Havekost weniger die Abbildung oder Dokumentation von Realität als vielmehr die Konstruktion einer eigenen Bildwirklichkeit im Vordergrund. Mit der Ausschnitthaftigkeit der Motive, durch extreme Nah- und Untersichten und mittels bewusst gesetzter Zerrungen, Spiegelungen und Manipulationen bricht er mit den Sehgewohnheiten der Betrachtenden und hinterfragt die Art und Weise, wie Bilder entstehen und gelesen werden können. Dazu schrieb „Die Zeit": „Es sind keine unwichtigen Fragen, die Havekost stellt. Seine mutwillige Stumpfheit, sein Zwang zur Nahsicht, dieses Malen mit der Hand dicht vor den Augen sind Versuche, die Bilderflut, die uns umgibt, zu bannen, ohne ein neues Pathos erfinden zu müssen." Die gesamte Schau in Dresden wird zum Labor einer Auseinandersetzung mit der Darstellung der Realität in Fotografie und Malerei. FL

Eberhard Havekost, 1967 in Dresden geboren, studierte nach einer Ausbildung zum Steinmetz Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Seine Arbeiten befinden sich heute unter anderem in den Sammlungen des MoMA in New York und der Tate Gallery in London. Seit Oktober 2010 lehrt er als Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf.

Eberhard Havekost, „Retina": Ausstellung in der SCHIRN

Eberhard Havekost, „Retina": Film zur Ausstellung

„Ausstellung" in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden