Doug Aitken beschreitet neue Wege der Land Art: seine Installation "Sonic Fountain II" lässt den Besucher eine künstliche Natur erfahren.

Mit der Land Art brachten der Brite Richard Long und seine Mitstreiter die Kunst nach draußen und erklärten ihre Arbeit in und mit der Natur zum Kunstwerk. Reversibel wie im Falle von Long oder irreversibel wie James Turrell traten sie in Landschaften, verbanden sie temporär oder auf ewig mit der Kunst und brachten Dokumentationen oder Ausschnitte davon zurück in den Ausstellungsraum. Der amerikanische Multimediakünstler Doug Aitken tritt in die Fußstapfen dieser Land Artists und geht den Weg weiter: Vom Gang aus dem Ausstellungsraum in die Natur wendet sich der Künstler zurück zu den Museen sowie Galerien und nimmt die Natur mit auf seinen Weg, um in ihren Räumen die Strömung neu zu realisieren.

Nature has always been recorded by artists, from prehistoric cave paintings to twentieth-century landscape photography. I too wanted to make nature the subject of my work, but in new ways. I started working outside using natural materials like grass and water, and this evolved into the idea of making a sculpture by walking …

Richard Long
Natur erfahren – die Reise ins Museum

„Land Art“, das ist nun nicht mehr nur die Kunst in der Landschaft, „art made by walking in landscapes“, „photographs of sculptures made along the way“, “walks made into textworks“ wie bei Richard Long, nicht mehr Walter De Marias Schritte zwischen zwei weißen Linien inmitten des Panoramas der Mojave-Wüste oder Michael Heizers „negative“ Skulpturen durch Sprengungen sowie Einschnitte in Wüstengesteine. Vielmehr ist sie per se erst einmal die Verortung des Künstlers in einer Landschaft, die Arbeit mit ihr. Dabei repräsentiert sich die Natur nicht mehr selbst, sondern wird in Werken wie Doug Aitkens „Sonic Fountain II“ mittels ihrer Materialien verkörpert. Statt jedoch primär draußen zu arbeiten wie es die ersten Land Artists taten, kehrt Doug Aitken entschlossen in den musealen Raum zurück – in seinem Gepäck Wasser, Erde und andere natürliche Elemente –, um auf ihrer Basis raumgreifende Installationen und infolgedessen neue Naturräumen zu kreieren.

Dabei bedient sich der Künstler zunächst einer Irritation des Besuchers: In der SCHIRN findet sich dieser in der Installation „Sonic Fountain II“ wieder – und zugleich mitten in der Naturerfahrung. Wenn die Wassertropfen langsam von den elektronisch gesteuerten Ventilen in ein unter ihnen befindliches Becken in der Rotunde der SCHIRN plätschern, wird eine Sinneserfahrung, die der Besucher sonst aus dem Außenraum kennt, in den Innenraum gebracht. Der Klang des Wassers wird dabei zur Musik, die Natur selbst zum Kunstwerk. Auf diese Weise setzt sich die akustische Existenzäußerung der Natur mit der der Technologie gleich, wie Jörg Heiser in seinem Katalogtext zur Ausstellung bemerkt. Im Gegensatz etwa zu einer mittelbaren Videoinstallation unterscheidet sich die nun unmittelbare Erfahrung durch den Besucher nicht mehr.

Natürlich scheint das Plätschern sowie der mit Wasser gefüllte Krater, von Menschenhand und Technologie geschaffen sind sie – so weit, dass selbst ihr Klangerlebnis kein zufälliges, sondern die plätschernde Wassersymphonie von einer sogenannten Show-Control-Software gesteuert ist. Eindruck und Realität gehen auf diese Weise auseinander, doch ihr Wechselspiel liefert zugleich einen gewissen Lagebricht: Das Bild eines Kraters, die Idee einer tropfenden Höhle entlarvt sich im Kontext selbst als Illusion; ganz so, wie auch die unbefleckte Natur, die Land Artists wie Richard Long suchten, immer seltener wird. Aggressive Eingriffe in Form von Sprengungen wie sie andere Land Artists betrieben haben, entsprechen nicht einem heutigen bewussteren Umgang mit der Umwelt und der Natur. Heute vermag der Mensch vielmehr ihre Charakteristika spielerisch nachzubilden oder mit Maschinen zu kontrollieren. Und wenn sich Michael Heizer mit den Worten „It's about art, not landscape“ der Interpretation der Land Art als ökologische Landschaftskunst widersetzte, so tritt Aitken nie gegen die Natur an. Vielmehr entpuppt sich scheinbar Natürliches als ein maschinenintelligent gestalteter Prozess; Motive aus antiken Mythen (die Höhle, tropfendes Wasser auf trüber Wasseroberfläche) stehen etwas Wissenschaftlich-Aufklärendem gegenüber, wie auch Jörg Heiser anmerkt.

„A living project“

Land Art bleibt zwar die Umwandlung von geographischem Raum in ein Kunstwerk, doch innerhalb dieses Rahmens ist sie nicht mehr die Natur selbst. Land Art ahmt jetzt die Natur kraft menschlichen Könnens nach – ihre Erscheinung ebenso wie ihre Erfahrung. Von hier aus beginnt die eigentliche Reise, für die Doug Aitken seine Besucher an die Hand nimmt: durch physische Landschaften und soziale Betrachtungen, durch die Reinheit der Natur, manipulierte Konstruktionen, durch Menschhand geschaffene Architektur, geradewegs in eine sensible Beobachtung der Menschheit, die überall ihre Spuren hinterlässt. "I'd really like to make this a living project—a living artwork that doesn't really have an end“ [2] – die Idee wird bei Doug Aitken auf unterschiedliche Weisen immer wieder deutlich, im Kontext der Land Art offenbart sie jedoch besonders deutlich, was „Kunst“ für Aitken bedeutet: ein lebendiges Kunstwerk ohne ein Ende (ganz so wie die sich immer wandelnde Natur), aber als Reise durch die Zivilisation, auf der Spuren und Eindrücke gesammelt werden.