Will Fredo arbeitet an der Schnittstelle von Schwarzsein, Technologie, Queerness, post-dekolonialem Denken und Popkultur. Was das bedeutet und warum Schwarze Geschichte überall ist.

Will, du bist Schwarze Künst­le­rin*, Auto­rin* und Redak­teu­rin*. Kannst du uns etwas über deine Arbeit erzählen und uns einen Einblick in aktuelle Projekte geben?

Ich arbeite an der Schnittstelle von Schwarzsein, Technologie, Queerness, post-dekolonialem Denken und Popkultur mit all ihren Verstrickungen. Zu den Medien, mit denen ich arbeite, gehören geschriebenes und gesprochenes Wort, Körper, Klang, Musik, Musicals, Vortragsperformance, Heilungsrituale, Gebet, Choreografie, freier Tanz, Fotografie, Skulptur, Installation, Video, Webserien und sogar Instagram-Filter.

Derzeit arbeite ich an einem Videoprojekt mit dem Arbeitstitel „1492 – Present“. Für dieses Projekt habe ich verschiedene Menschen getroffen, die sich für Landrechte einsetzen, aber auch solche, die sich mit Genderfragen oder der Umwelt in Kolumbien und Guatemala beschäftigen. Ausgangspunkt der Arbeit ist die allgemeine Erkenntnis, dass die größten Menschenrechtsverletzungen in Südamerika auf die europäische Kolonisierung und die anschließende und andauernde Unterdrückung der Schwarzen und Indigenen Bevölkerung zurückzuführen sind. Ich versuche, Parallelen zwischen all diesen verschiedenen, eng miteinander verbundenen und voneinander abhängigen Bewegungen zu ziehen. Ein großer Schwerpunkt liegt auf Widerstandspraktiken, wie Poesie, alternative Spiritualität, Kochen, Heilung und Gemeinschaft. 

Will Fredo, Courtesy the artist

Wie bezieht sich deine Arbeit auf die Intersektionalität von Schwarzsein, Gender und Sexualität?

Ich möchte mit einem Beispiel antworten: In vielen vorkolonialen afrikanischen Gesellschaften, wie bei den Langi in Norduganda, waren die mudoko dako „weibliche Männer“, die als Frauen behandelt wurden und Cis-Männer heiraten konnten. Oder auch die Chibados oder Quimbanda in Angola, die männliche Wahrsager waren, von denen man glaubte, dass sie durch Analsex weibliche Geister übertragen. In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit diesen Vorfahren, die immer noch nicht im Mainstream der dekolonialen Bewegung willkommen sind, deren Hauptziel es ist, in den Club der Humanisten aufgenommen zu werden. Meine Arbeit beschäftigt sich mit dem Nachleben dieser unbequemen Geschichten und mit allen, die mit ihnen zu tun haben. 

Du hast mal gesagt, dass du daran arbeitest, eine Welt zu schaffen, die von einem unbefangenen Schwarzsein geprägt ist. Wie würde diese Welt aussehen? Und wie können wir auf sie hinarbeiten?

Unbefangenes Schwarzsein spielt in meiner Kunst eine große Rolle, indem ich die Ziele ablehne, die das weiße, rassistische, klassistische, ableistische, respektable, neoliberale, heteronormative Patriarchat vorgibt. Zeitgenössische Kunst entstand aus dem Bedürfnis heraus, über die Netzhaut (das Auge) hinaus den Geist zu erreichen. Da sich der Kunstmarkt zu einer globalen Industrie entwickelt hat, geht es in der heutigen Kunst (und all ihren Verstrickungen) nicht nur um den Körper und den Geist, sondern auch um die Strukturen, in denen sie existiert und funktioniert.

Eine Welt des unverfälschten Schwarzseins wird sich durch Trial-and-Error durchsetzen. Das Wichtigste ist eine klare und solide Politik und Verantwortlichkeit. Ich kann da nur für mich selbst sprechen. Für mich bedeutet das Selbstliebe und bedingungslose Liebe zu allen, die von der Hegemonie unterdrückt werden und dass wir gemeinsam unser Leben so leben, wie wir es wollen und wie es uns gefällt. Mein Denken ist stark von „Black Femmes“ beeinflusst, von Bell Hooks und ihrer umfangreichen Arbeit über Schwarze feministische Intersektionalität bis hin zum Aktivismus von Diamond Stylz, der Moderatorin des schwarzen Trans-Podcasts „Marsha‘s Plate“. Man kann sich hierfür meine Werke „A Skip of the Beat A Change of the Heart“ oder „SHTV“ ansehen, die Versuche einer neuen Welt sind. Ich achte darauf, mich nicht auf didaktisches Terrain zu begeben, um nicht ein Dogma durch ein anderes zu ersetzen. Für mich ist es wichtiger, unter einem bestimmten Blickwinkel zu arbeiten und mir von dort aus vorzustellen und zu erschaffen, was immer wir wollen, ohne dabei Heilung, Freude, Liebe und Humor zu vergessen.

Februar ist Black History Month. Wir feiern und ehren ihn, stellen uns aber auch den Realitäten unserer kollektiven Geschichte. Was der Monat für dich?

In einer kolonialisierten und globalisierten Welt ist Black History (Month) überall und in allem.

BLACK HISTORY MONTH

Februar ist #BLACKHISTORYMONTH: Dies nehmen wir zum Anlass, aktuelle Debatten und Positionen auf dem SCHIRN MAG in den Blick zu nehmen und Schwarze Akteur*innen in der Kunst- und Kulturszene in den Fokus zu stellen.

SCHIRN MAG