Der Sommer weckt Sehnsüchte, Erwartungen und Erinnerungen. Darüber haben wir mit Künstlerinnen und Künstlern gesprochen. Peter Halley denkt an lange Fahrten über den Highway und amerikanische Motels.

Der Highway ist breit und verläuft ohne Kurve bis zum Horizont, und es gibt keinen Anlass, zu zweifeln, dass es dahinter genau so weitergeht. Links und rechts stelle ich mir entweder die Wüste oder einen Wald vor. Fahren, immer nur fahren: Stunden, Tage, bis man irgendwann die andere Küste erreicht. Heute schwer denkbar: Tagelang unterwegs sein, mit billigem Benzin und Benzedrin, den Substanzen, die diesen amerikanischen Mythos überhaupt erst möglich machten. „Nur, irgendwann muss man eben anhalten“, sagt der in den USA lebende Maler Peter Halley. Noch brauchen die meisten Autos jemanden der sie fährt, und das sind keine Maschinen. „Deshalb gibt es Motels.“ 

© Jan Buchczik

Die praktischen Übernachtungsmöglichkeiten an den Rändern der Highways beeinflussten die amerikanische Kunst und Architektur im 20. Jahrhundert. Peter Halley hat keine offensichtliche Verbindung zu Motels. Aber für seine frühen Bilder benutzte er Roll-a-Tex, eine Art Farbroller, der Texturen auf Oberflächen zaubert. Diese Technik wurde — und wird wahrscheinlich immer noch — in amerikanischen Motels benutzt. Über die billige Dekoration rümpft der geschmackssichere Städter vielleicht die Nase, für den jungen Maler Anfang der 80er war das aber eine Inspiration. Daher meine Frage an ihn: Mag er Motels? „Ja, vom Konzept her auf jeden Fall. Wenn man lange durch die USA fährt, landet man irgendwann in diesen Motels. Ein interessantes Gefühl dort zu sein, so einsam und verloren.“ Das klingt schön, sage ich. „Das kann gruselig sein, denn die Menschen dort leben ganz isoliert. Manchmal ist das bedrohlich, besonders, wenn man anders ist als sie.“

Peter Halley erzählt mir von seiner Bewunderung für den Architekten Robert Venturi, der Anfang der 70er ein Traktat über die Bauten an den Rändern der Highways geschrieben hat. Sie kommen nicht mit dem heroischen Minimalismus der bisherigen Moderne daher, sondern sind, mit kitschigen Fassaden aus billigem Gips, mit bunten Farben, mit zusammengewürfelten Architekturstilen, mit überdrehtem Klassizismus — sie müssen ja die Aufmerksamkeit der schnell vorbeifahrenden Autos auf sich ziehen —, so etwas wie die unverhofften Verkünder der Postmoderne. Und tatsächlich wurde wenig später nicht genauso, aber doch so ähnlich gebaut. Eine Feier des Zitats und der Ironie.

Wenn man lange durch die USA fährt, landet man irgendwann in diesen Motels. Ein interessantes Gefühl dort zu sein, so einsam und verloren.

Peter Halley

Ich erzähle Peter Halley, dass ich ihm jetzt bei Instagram folge. Auf seinem Account postet er ausschließlich Satellitenbilder, die er bei Google Maps findet. Ich sage ihm, dass sie mich an seine Gemälde erinnern, die ja Karten und Diagramme und mithin eine Parodie auf die Helden der geometrischen Abstraktion sind. Aber eigentlich, sagt Halley, seien seine Gemälde Diagramme von Panoptiken, den Foucaultschen Überwachungsmaschinen. Als jemand, der sich in Hotels gleichermaßen wohlfühlt und gruselt, frage ich ihn, ob Hotels und besonders Motels nicht auch solche Überwachungsmaschinen sind. Er findet das nicht, schließlich ist man immer den Blicken anderer ausgesetzt und man blickt selbst auch immer andere an. Hat sich in Motels nicht einiges geändert in den letzten Jahren? „Wahrscheinlich ist es besser geworden“, sagt Peter Halley. „Aha, die Leute sind offener?“

 „Würde ich nicht sagen. Sie sind nicht mehr offen feindselig. Und, wenn man schwarz ist zum Beispiel, ist man sicherer als vor 40 Jahren. Jetzt gibt es große Ketten, die die Häuser betreiben, und sie sind wahrscheinlich sauberer und…“ Nicht gruselig? „Haha, ja, nicht gruselig.“