Aus dem Kellerlabor tief unter dem Projektraum der Basis kommt zum Abschluss der Ausstellungstrilogie „HazMat“ eine Überraschung ans Licht.

Beim Treffen mit den Künstlerinnen Sandra Havlicek, Tina Kohlmann und Katharina Schücke fällt als erstes eines auf: alle haben bunt lackierte Finger- und Fußnägel. Eine weitere Gemeinsamkeit stellt sich schnell heraus: alle drei haben an der Städelschule (bei Tobias Rehberger beziehungsweise Michael Krebber) studiert.

„Vor einigen Jahren begannen wir im Freundeskreis damit, uns regelmäßig zum Nägel lackieren zu verabreden. Es machte uns ganz einfach Spaß, auf allerkleinstem Raum, einer Fingerspitze nämlich, mit Farbe und Material zu experimentieren. Am Anfang waren unsere Treffen völlig unabhängig vom Kunstkontext. Doch irgendwann wollten wir das rein private Format sprengen“, erzählt Havlicek.

Experimente mit Gefahrengut

Also zogen die Freundinnen in den Keller des Künstlerhauses Basis. Dort betreiben sie nun für die Dauer einer dreiteiligen Ausstellungsreihe (die dritte und letzte Ausgabe findet am 14. und 15. September statt) das „HazMatLab“ – eine Art Labor für kreative Materialforschung. „Auf den Namen kamen wir, als uns eine amerikanische Kosmetikfirma schrieb, man könne uns die angeforderten Nagellackproben leider nicht schicken. Es handele sich schließlich um Hazmat [Kurzform für "Hazardous materials"], also Gefahrgut. Es lasse sich deshalb nicht so ohne weiteres verschiffen“, sagt Tina Kohlmann. Unter anderem wird im HazMatLab nun mit Nagellack experimentiert. Aber nicht nur.

HazMatLab, Portrait der Künstler Havlicek, Kohlmann, Schuecke, Foto: Sabine Reitmaier

Das erste Produkt, das hier entwickelt wurde, war giftgrüner Schleim (ursprünglich von der Firma Mattel vertrieben), wie ihn Kinder der Achtziger als Elternschreck kennen. „Wir fanden heraus, wie man ihn mit Hilfe von Pigmenten und wasserlöslichen Chemikalien aus der Autoindustrie selbst herstellt und schleimten einige unserer Arbeiten damit ein“, sagt Katharina Schücke. „Ganze 400 Liter klatschten wir im Projektraum der Basis an die Wände. Im Laufe des ersten Teils der Ausstellung flossen sie in den Raum hinein und bildeten Inseln um Bilder und Objekte. Dass Tolle an Schleim ist ja, dass man ihn durchaus als bildhauerisches Material nutzen kann, obwohl er natürlich nur sehr begrenzt regelbar ist“.

Besuch im unterirdischen Labor

Was während dem dritten Ausstellungsteil im Projektraum der Basis passiert, daraus machen die drei Künstlerinnen ein großes Geheimnis. Kaum ein Wort kommt über ihre Lippen. Wer als Besucher partout nicht mit Überraschungen konfrontiert werden will, kann aber eine SMS an das „HazMatPhone“ (die Nummer lautet 0157 33567827) schicken und um eine Kellerführung bitten. Das unterirdische Labor (es liegt direkt unter dem Projektraum und hat eigentlich schon geschlossen) stand bereits im Mittelpunkt von Teil zwei der Ausstellung.

HazMatLab I, Installation View, Foto: Wolfgang Günzel

Wir begeben uns jetzt nach unten. Hinter der dicken Stahltür eines ehemaligen Luftschutzraumes brennt eine Reihe von Neonröhren, die mit Schraubzwingen befestigt und von Spinnweben umrankt unter einem Deckenbalken klemmen. Auch wenn die drei Laborantinnen betonen, das HazMatLab sei in erster Linie ihr Arbeitsplatz – und nicht etwa eine inszenierte Kulisse für den Betrachter: Als Besucher fühlt man sich ein bisschen wie in einer begehbaren Installation. Das Labor ist in unterschiedliche Stationen aufgeteilt. Links an der Mauer sind Gläser mit Schleimproben aufgereiht. Darüber kleben Zettel an der Wand, auf denen Chemikalien und Mischungsverhältnisse notiert sind. Erfolgsrezepte wurden mit einem euphorischen „BÄHM!“ markiert.

Wie im Nagestudio

Blickfang im Raum ist ein mit Laborproben (der sogenannten Specimen Collection) gefüllter Schrank. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Kristalle, die Havliceck, Kohlmann und Schücke an einer speziellen Kochstation in mit Mineralien gesättigten Wasserlösungen oder auf Trägermaterialien wie Styropor oder Gips gezüchtet haben. Auch auf handelsüblichen Nail Art Tips, wie man sie im Nagelstudio verwendet, ließen die drei Künstlerinnen sogenannte "ADP"-Kristalle wachsen.

HazMatLab II, Cooking Station, Foto: Wolfgang Günzel

Damit mit dem wochenlangen Wachstum alles klappt, muss im Labor eine konstante Temperatur herrschen. In diesem Fall: 26 Grad. „Kristalle sind so ziemlich das langsamste Material, mit dem wir bisher gearbeitet haben“, sagt Katharina Schücke. „Dagegen war der zähfließende Schleim richtig schnell“.

Eingeschlossen in Kristalle

Sämtliche Kristalle sind mit Sockeln, die aus teils transparenten Materialien wie Harz gegossen wurden, fest verwachsen oder etwa mit einem Draht verbunden. Oft sind im Inneren der Sockel weitere Kristalle und Materialien eingeschlossen – zum Beispiel leuchtender Nagellack. Das Ergebnis: wundersame Gebilde, die wie filigrane Skulpturen wirken. Einige der Sockel sind in ihrer Form von Lackierhilfen inspiriert, wie man sie im Nagelstudio zum Abstützen der Hände benutzt.

HazMatLab II, Specimen 4, Foto: Wolfgang Günzel

„Bei unserer Abschlussausstellung im Projektraum werden wir ebenfalls Sockel zeigen, die wir hier experimentell hergestellt haben. Ähnlich wie beim Schleim und den Kristallen geht es auch hier um den Prozess des Wachsens oder Sich-Ausbreitens. Mehr wird aber noch nicht verraten“, sagt Sandra Havlicek. „Zumal wir immer ergebnissoffen arbeiten. Wir wissen also selbst noch nicht genau, was passiert“. Der Autor dieser Zeilen wagt trotzdem die Prognose, dass es am Ende wieder ein dickes „BÄHM!“ zu verzeichnen gibt.