Offenbach und Frankfurt sind einander näher, als man denkt. Das kann man ab dem 22. Oktober in den Zollamt Studios in Offenbach überprüfen.

Was ein affiner Raum ist, ist ziemlich schwer zu erklären. Zumindest für Nichtmathematiker, denn es hat mit Geometrie zu tun. Aber es lässt sich sagen, dass wir uns in unserem Alltag irgendwie in einem affinen Raum bewegen. Offenbach und Frankfurt, zum Beispiel, teilen sich einen affinen Raum. Die Ausstellung "Re: Affine" ist Teil der Reihe "Within An Affine Space", der zweite, um genau zu sein.

Natürlich geht es um mehr, als nur darum, dass Offenbach und Frankfurt Nachbarstädte sind. Es geht um eine Vernetzung von Kunstinstitutionen, die sonst eher parallel vor sich hin arbeiten, erklärt Mitkurator Franz Hempel. Da liegt es nahe, dass Curatorial Studies-Studierende und Kunsthistoriker aus Frankfurt gemeinsam Ausstellungen machen.

Hinter der tristen Fassade des Zollamts, gegenüber dem Ledermuseum, überschneiden sich die affinen Räume. Oder besser noch: Es laufen die Signale zusammen, die während der Vorbereitung  vom jungen Kuratorenteam — Franz Hempel, José Segebre, Lena Trüper — ausgetauscht wurden.

Als erstes sieht man Zeichnungen von Andrea Farrenkopf, und Signale ist da schon ein gutes Stichwort. Denn die Zeichnungen funktionieren wie ein weitergegebenes Signal: über Wiederholungen und Variationen. Hier werden die Zeichnungen als eine Art Archiv gezeigt. In unterschiedlichen Formaten hat Farrenköpf eine Ausgangszeichnung variiert, mal figürlich, mal mit sparsamen Linien. Und es ist ein Glück, dass den fragilen Arbeiten ein ganzer Raum zugestanden wird.

Sarah Schweizer, Untitled Pictures, 2015
Fett und Schusswaffen


Ein Glück ist auch, dass die Zollamt Studios so viel Platz bieten. Ohne diese Räume wären die Ausstellungen überhaupt nicht möglich gewesen, erzählt Jennifer Gelardo, die die Reihe im Februar initiiert hat. Heiner Blum hat das ehemalige Zollamt vor zwei Jahren für die HfG gemietet. Im ersten Stock hat er sein Institut für Klangforschung eingerichtet, mit Platz für Musiker und andere Klangerzeugende. Die Ausstellungsräume im Erdgeschoss bieten unterschiedlichen Institutionen neutralen Boden für eine Nachbarschaft, die es sonst nicht gäbe. Kaum etwas verrät die frühere Nutzung des Gebäudes, aber der Off-Space hat auch keine typische White Cube-Architektur. Ein bisschen verwinkelt, mit Lastenwaage und Rolltor zum Innenhof. Dort sind die Nachbarn, die nicht planbar sind: Gegenüber werden Schusswaffen hergestellt, aber davon bekommt man nichts mit.

Dazu trägt auch Martin Dörrs Arbeit bei. Die kann man eigentlich schon wegen der Einfachheit der Geste schätzen, sagt Franz Hempel. Dörr hat die drei Fenster zum Innenhof von außen mit Fritteusenfett ausgekleidet. Das sorgt für ein gelbliches Schummerlicht und versperrt den Blick nach draußen. Natürlich denkt man bei Fett zuerst an Joseph Beuys’ Fett und Filz-Materialschlachten. Wer aber beim letzten HfG-Rundgang dabei war weiß, dass Dörrs bevorzugtes Material Pflanzenfett ist, denn schon dort hat er eine Skulptur aus Fett gezeigt. Am Eröffnungsabend soll mit dem Fett etwas passieren. Was genau, ist aber noch ein Geheimnis.

Andrea Farrenkopf, Ohne Titel, 2015
Wiederholung, Reproduktion und Gemälde, denen man nicht entgeht


Bei der letzten Ausstellung gab es noch acht Künstler, diesmal sind es vier. Wenn die Kuratoren sagen, dass es ihnen um Diskrepanz und Anziehung geht, zeigt sich das schon bei den unterschiedlichen Medien: Zeichnung, Installation, und eben auch Malerei. Felix Krapp ist nicht nur für das Design der Flyer verantwortlich, er trägt auch ein paar Gemälde zur Ausstellung bei. Die Bilder hängen in zwei identischen Räumen. Wobei: Ganz identisch sind die Räume nicht, und die Gemälde erst recht nicht. Mal lösen sich aus dem dicken Farbauftrag Figuren, mal sind nur sparsame Landschaften und arabische Schrift angedeutet. So oder so, den Gemälden entgeht man in den kleinen Räumen nicht.

Wenn wir Kunst betrachten, dann tun wir das nur selten vorm Original, sagt Sarah Schweizer. Meistens schauen wir uns pixelige Bilder im Internet an, oder blättern in Hochglanzmagazinen. Sie hat nun elf Bilder von Bildern, genauer: Gemälden, gemacht. Hängend, an der Wand lehnend oder auf dem Regal, hat sie die Bilder hochauflösend abfotografiert und ausgedruckt. Noch einmal Wiederholung und Reproduktion: Schweizer enthält dem Betrachter das Original der Reproduktion vor.

Um herauszubekommen, was es mit den Offenbacher und Frankfurter Nachbarschaften auf sich hat, kann man am 22. Oktober bei der Eröffnung vorbeischauen. Dann kann man auch herausfinden, was mit dem Fritteusenfett passiert.

Titelbild: Felix Krapp, Distance I [detail], 2015

Martin Dörr, Hibernation Amboss, 2015
Felix Krapp, Distance I, 2015