Acht Künstler, die bei Daniel Richter an der Wiener Akademie der bildenden Künste studieren, zeigen im Frankfurter Ausstellungsraum Husslehof ihre Arbeiten

Vor der Küchenzeile mit benachbarter Sofaecke, die den Ausstellungsraum Husslehof so gemütlich macht, werden Bierflaschen geöffnet und Zigaretten angezündet. Als gesunder Ausgleich steht auf dem Tisch eine Schale mit Obst. Auf dem Sofa sitzen vier Künstlerinnen, die an der Wiener Akademie der bildenden Künste studieren und zur Klasse von Daniel Richter gehören. Erst vor wenigen Stunden sind sie in Frankfurt eingetroffen, um die Ausstellung „HalloWien“ vorzubereiten, die am 30. Oktober um 19 Uhr eröffnet. „An der Grenze hat man uns herausgewunken und in den Wagen geleuchtet. Vermutlich, weil unser VW-Passat so stark beladen war“, erzählt Laura Hinrichsmeyer. „Als der Grenzer sah, dass es sich nur um Kunst handelt, durften wir direkt weiterfahren.“ Insgesamt acht Richter-Schüler stellen im Husslehof ihre neuesten Werke aus. Dabei geht es längst nicht nur um Malerei.

Laura Hinrichsmeyer und Anna Rettl sind mit einer Gemeinschaftsarbeit vertreten. Auf dem Fußboden gleich neben dem Eingang haben sie Kleintierstreu verteilt und zu einer Art Hügellandschaft aufgeschichtet. Statt echter Tiere sitzen muschelähnliche Figuren aus Salzteig zwischen den Sägespänen. Über die gesamte Fläche wurde eine durchsichtige Folie gespannt, die mit abstrakten Motiven bedruckt ist, die an topographische Karten erinnern, wie man sie in einem Atlas findet. Außerdem sind verschnörkelte Textfragmente aufgedruckt, die sich thematisch mit der Ausstellung im Husslehof beschäftigen.

Laura Hinrichsmeyer und Anna Rettl im Husslehof

Neben einem skulptural anmutenden Bild aus getrockneten Farbresten, steuert Anna Schachinger zwei Gemälde bei, die mit einer Zeltplane verhüllt sind. Das Motiv – ein abstraktes Gesicht mit kunstvoll verzerrten Konturen – sieht man nur vage hindurchscheinen. „Vergangenen Sommer habe ich versehentlich das Zwei-Personen-Zelt einer Freundin zerstört“, gesteht Schachinger. Das Material faszinierte sie: „Die Plane ist so dünn, dass man jedes Geräusch hindurchhört, trotzdem fühlt man sich darunter total geschützt“. Den kaputten Zeltboden nutzte Schachinger als Leinwand: „Es war ein befreiendes Gefühl, beim Malen zu wissen, dass ich die Bilder später verbergen werde“, verrät sie.

„Meine Arbeit handelt von Zerstörung und Wiederaufbau“, erzählt Minda Andrén, die vor drei Jahren von Schweden nach Wien zog. Auf einem Monitor zeigt sie eine Montage apokalyptischer Szenen, die aus Katastrophenfilmen wie „Knowing“ mit Nicolas Cage oder Roland Emmerichs „Independence Day“ stammen. Motive aus den Filmschnipseln finden sich auch in einer Glasmalerei wieder, die aufgebockt auf Backsteinen im Raum steht. „Ich habe die Filmszenen farblich verfremdet“, erklärt Andrén. „Nicht nur, damit sie besser zu meinen Malereien passen. Sondern auch, damit es dem Betrachter gelingt, die allseits bekannten Kultfilme in einem völlig neuen Zusammenhang zu sehen.“

Laura Hinrichsmeyer, Anna Rettl, Marek Kochanowicz, Anna Schachinger und Minda Andrén

Bernhard Buff hat eine Installation geschaffen, die mit der Risikobereitschaft der Besucher spielt. Buff ist bei unserem Termin leider nicht anwesend. „Seine Werke erinnern oft an Fallen“, erklärt Laura Hinrichsmeyer stellvertretend. Und Anna Schachinger ergänzt: „Wenn man sie an der falschen Stelle berührt, kann es leicht passieren, dass etwas sehr Unangenehmes passiert“. Im konkreten Fall droht dem Besucher des Husslehofs eine Kegelkugel auf den Kopf zu fallen, die von einer an der Wand hängenden Metall-Vorrichtung am Herabrollen gehindert wird – zumindest solange niemand dem Drang nachgibt, am herausfordernd in den Raum ragenden Griff zu ziehen.

Marek Kochanowicz reißt die schützende Luftpolsterfolie von zwei großformatigen Päckchen herunter, mit denen er und sein Kommilitone Viktor Henderson gerade erst im Husslehof eingetroffen sind. Zum Vorschein kommen Gemälde, auf denen man geometrische und organische Formen sieht, die er verspielt arrangiert hat. „Für mich repräsentieren diese abstrakten Formen bestimmte Charaktere, wie man sie auch bei Menschen findet“, sagt Kochanowicz, der einst von Frankfurt nach Wien zog und als guter Bekannter von Husslehof-Leiter Felix Große-Lohmann die Ausstellung mitinitiierte. 

Anna Schachinger und Bernhard Buff

Matthias Franz, der zunächst Bühnenbild studierte, bevor er zur Malerei fand, fehlt bei unserem Treffen. Zwei seiner Bilder lehnen im Ausstellungsraum an der Wand. Beide wirken auf der ersten Blick eindeutig abstrakt. Erst bei längerem Hinschauen schälen sich figurative Elemente heraus, die dem Betrachter Rätsel aufgeben. Teile der Bilder wirken, als hätte der Maler einen Zauberpinsel mit eingebauter Farbumkehrung benutzt: Stellen, die man hell erwarten würde sind dunkel – und umgekehrt.

Viktor Henderson ist mit leichtem Gepäck in den Husslehof gekommen. Unter anderem mit dem Bleistift bemalt er jene Wandflächen, die von den Anderen noch nicht in Beschlag genommen wurden. „Mir geht es darum, eine Verbindung zwischen den einzelnen Werken und auch zum Raum herzustellen, in dem sie hängen“, sagt er.

Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung ziehen die acht Wiener Künstler und ihr Frankfurter Gastgeber Felix Große-Lohmann übrigens zum Feiern in den Clubraum des „Korrekt“ auf der Mainzer Landstraße 229 weiter. Los geht es dort gegen 22 oder 23 Uhr.