Einige der bemerkenswerten Pop-Alben seit den sechziger Jahren gehen auf ihr Konto: Sich auf eine Musikrichtung festzulegen, wäre Yoko Ono dabei viel zu langweilig.

Zwei Missverständnisse prägen die Wahrnehmung von Yoko Onos Karriere als Musikerin. Erstens: Noch immer wird ihr die Schuld am Ende der Beatles zugeschrieben. Mit ihren exzentrischen Ideen soll Ono John Lennon angesteckt haben, der die Beatles daraufhin radikal in Frage stellte und die Auflösung der Band forcierte. Zweitens: Erst durch John Lennon wurde Yoko Ono, quasi als Trittbrettfahrerin, zur Musikerin. 

Mit der Wirklichkeit haben diese Mythen nicht zu tun. Dass das Verhältnis der Beatles lange bevor John Lennon und Yoko Ono ihre gemeinsamen Musikprojekte starteten, zerrüttet war, ist durch die Pophistorie hinlänglich überliefert. Auch Paul McCartney stellte 2012 in einem Interview noch einmal klar, dass Yoko Ono keine Schuld am Ende der Band getragen hat.

Den zweiten Mythos widerlegt Onos Biografie. Musik spielte schon in ihrer Kindheit eine zentrale Rolle. Ihr Vater war Pianist gewesen, bevor er sich seiner Karriere als Banker widmete. Yoko Ono besuchte als Kind die Jiyu-Gakuen-Musikschule, lernte Klavier zu spielen und trat mehrfach öffentlich auf. Später, in den USA, studierte sie Philosophie und Musik. Ihr erster Ehemann war der japanische Komponist Toshi Ichiyanagi.

Von der Avantgarde zum Pop

Yoko Ono beschäftigte sich mit experimenteller Musik, besonders mit dem Komponisten John Cage. Ihre ersten eigenen Kompositionen entstanden um 1955, also mehr als ein Jahrzehnt vor dem zufälligen Zusammentreffen mit John Lennon in der Londoner Indica Gallery.

Was dagegen stimmt: In ihrer musikalischen Entwicklung unterstützten sich Lennon und Ono gegenseitig. Gemeinsam formten sie aus zwei losen Enden eine Idee, einen Traum, der in den allermeisten Fällen den schönen Titel Plastic Ono Band trug. Ono brachte die Experimentierfreude, das Spielerische, den Mut zum Schrägen in das Projekt ein, Lennon die großen Gesten des Pops, das Gefühl für die Hits -- und die Idee, mit Musik den Lauf der Welt zu verändern.

Dabei verstanden es die beiden perfekt, die Protestkultur der späten sechziger Jahre mit der Faszination von Pop zu verbinden. Und sie wussten, mit welchen Inszenierungen sie die benötigte Aufmerksamkeit erreichen konnten. Aus ihrer Hochzeitsreise machten sie ein Bed-In gegen den Vietnamkrieg. Ihr Song „Give Peace A Chance" wurde zur Hymne der globalen Anti-Kriegs-Bewegung.

Meilensteine der Popgeschichte

Innerhalb kürzester Zeit veröffentlichten Ono und Lennon eine Armada an Songs, allein zwischen 1968 und 1973 entstanden neun gemeinsame Alben. Den klassischen Pop-Begriff dehnten sie dabei weit aus. Ihr erstes Album „Unfinished Music No. 1: Two Virgins" war eine experimentelle Soundcollage, improvisierter Free Jazz, zu dem Yoko Ono verstörende Laute beisteuerte. Auf dem „Wedding Album" von 1970 klingt Onos Stimme wie die eines Kindes, dazu spielt die Band rauen Folkpop. Ein Meilenstein der Popgeschichte wurde dann „Approximately Infinite Universe" von 1973: melodiöser, euphorischer Pop mit Anleihen an Soul und Glamrock. Danach folgte noch „Feeling The Space" -- bevor sich Ono und Lennon für lange Zeit aus dem Musikgeschäft zurückzogen.

Das Album „Double Fantasy" sollte 1980 das Comeback der beiden einläuten, ein Neuanfang sein -- doch im Dezember des Jahres wurde John Lennon von einem Attentäter in New York erschossen. Für Onos musikalische Entwicklung wurde von da an das Prinzip der Neu-Interpretation immer bestimmender. Sie schuf zum Beispiel eine neue Version von „Give Peace A Chance" oder gab ihr Werk gleich in die Hände anderer. Die Remix-Alben „Walking on thin ice", „Yes, I'm a Witch" und „Open Your Box" gehörten zu ihren größten Erfolgen.

Onos Sohn leitet nun die Plastic Ono Band

Ein anderer roter Faden in Yoko Onos musikalischem Werk ist die Kollaboration. Die Plastic Ono Band war immer mehr ein Projekt mit wechselnden Akteuren als eine klassische Band. Bekannte Musiker wie Eric Clapton oder Klaus Voormann stoßen für einige Zeit dazu, verließen die Band aber auch wieder. 2009 startete Ono ein Comeback der Plastic Ono Band -- mit völlig neuen Mitstreitern. Der japanische Soundtüftler Cornelius war dabei, Yuka Honda von Cibo Matto und, als Bandleader, Onos Sohn Sean Lennon. Für die Konzerte der Band wurden Gastsänger dazu geladen -- etwa Antony Hegarty, die Ikone der New Yorker Queer-Szene.

Immer neue Projekte mit immer neuen Musikern: Das bestimmt Onos musikalisches Arbeiten bis heute. Gerade erst hat sie mit den Flaming Lips das herrlich verquere und psychedelische Stück „Do it!" herausgebracht. Und mit Kim Gordon und Thurston Moore von der legendären New Yorker Indieband Sonic Youth hat sie ein reichlich experimentelles, schwer hörbares Noiserock-Album aufgenommen. Ono kann aber auch ganz anders: Mit dem DJ Dave Audé ist gerade der House-Track „Hold me" entstanden. Für den Club ist Yoko Ono auch mit 80 noch nicht zu alt.