Deformierte Körper und Gesichter, pietätlose Motive, Kitsch, Konsum und Kritik: Die Malereien, die allgemein als „bad painting“ bezeichnet werden, sind so vielfältig wie die dahinter stehenden Künstler.

Als René Magritte 1948 für seine erste Einzelausstellung in Paris eine Reihe von Bildern malt, die seinem bisherigen Werk gänzlich unähnlich sehen, ist die Empörung groß. Mit der „Periode vache“ will der belgische Künstler aber nicht nur provozieren, sondern ebenso sein eigenes Werk und die Malerei an sich hinterfragen – eine Aufgabe, die sich knapp 30 Jahre später auch die „Bad Painter“ in den USA stellen.

Ende der 1970er Jahre prägt die Kuratorin und Kritikerin Marcia Tucker in den USA den Begriff „Bad Painting“, als sie ihn für eine Ausstellung mit figurativer Malerei nutzt. Einer Malerei, die sich von dem bisher gekannten deutlich unterscheidet: Sie ist gleichzeitig witzig und skandalös in ihrer zynischen Weltsicht und der gnadenlosen Verachtung der Konventionen der Kunst – sie ist eine Kritik an der Malerei mit den Mitteln der Malerei.

Die Grenzen der Malerei

Indem sie auf ein „unkorrektes“ und „schlechtes“ Malen zurückgreifen, fordern die Künstler das altbewährte Medium heraus, hinterfragen dessen Möglichkeiten und greifen seine Grundsätze an. Was kann Malerei in Bezug auf die Debatten der modernen Gesellschaft überhaupt noch leisten? Wo sind ihre Grenzen? Die „Bad Painter“ überschreiten diese mit erhobenem Pinsel und einem zwinkernden Auge - sie sind gleichzeitig leidenschaftliche Verfechter der Malerei und ihre größten Kritiker. Indem sie allerlei „Störfaktoren“ in ihre Bilder einbauen, sie mit Motiven überfrachten, Gesichter verzerren und mit dicken, unsauberen Pinselstrichen arbeiten, weisen sie auf die Mängel des Mediums hin.

Peter Saul, Superman and Superdog in Jail, 1963, Öl auf Leinwand, 190,5 x 160 cm, Collection of KAWS, © Peter Saul, Foto: Farzad Owrang

Zwei Jahrzehnte bevor die Kunstkritik den Begriff des „Bad Painting“ in ihren Kanon aufnahm, hatte Peter Saul bereits mit Freude die Grenzen des guten Geschmacks ausgelotet, indem er in seinen Bildern Elemente aus Surrealismus, Comic und abstraktem Expressionismus vermischte. Pop Art und Funk Art, letztere eine hauptsächlich im San Francisco der späten 1960er Jahre bekannten Spielart der Kunst, sind als Inspiration in seinen Werken ebenfalls auszumachen und verbildlichen seine Kritik an der Konsumgesellschaft der USA und der vorgeblichen „Reinheit der Kunst“.

Gehen Sie mit der Zeit

Doch die „Bad Painter“ sind nicht ausschließlich in den USA zu finden. Etwa zur gleichen Zeit wie Peter Saul entwirft Asger Jorn in Dänemark seine „Modicifations“, indem er Bilder vom Flohmarkt – allen voran die Darstellung des röhrenden Hirsches – mit dicken Pinselstrichen in Primärfarben bemalt, ohne dabei das eigentliche Sujet verschwinden zu lassen. So holt er das bekannte Motiv spießbürgerlichen Kitsches in eine zeitgenössische Umgebung: „Warum das Alte verwerfen, wenn es mit ein paar Pinselstrichen modernisiert werden kann? Das bringt Aktualität in Ihre alte Kultur. Gehen Sie mit der Zeit und seien Sie gleichzeitig distinguiert. Die Malerei ist am Ende. Man kann ihr gleich den Gnadenstoß versetzen. Leiten Sie sie um. Es lebe die Malerei“, schreibt er mit einem Augenzwinkern 1959 im Vorwort eines Ausstellungskataloges.

Peter Saul, Ice Box 8, 1963, Öl auf Leinwand, 190 x 160 cm, Hall Collection, © Peter Saul, Courtesy Hall Art Foundation, Foto: Jeffrey Nintzel

Asger Jorn via Public Domain derstandard.at

Und auch in Deutschland sind Anfang der 1960er Jahre eine Reihe „Bad Painter“ auszumachen: Jörg Immendorf, A.R. Penck, Sigmar Polke und Georg Baselitz stellen mit ihren grobschlächtigen, ungelenk wirkenden Malereien die damalige Kunstwelt auf dem Kopf. Georg Baselitz, der 1958 aus der DDR geflohen war und keine Lust hatte auf neue, einschränkende Regeln, ermalte sich mit Schlamm, dunklen Farben und obszönen Motiven seine eigene Freiheit – eine Freiheit, die er mit der Beschlagnahmung mehrerer seiner Werke bezahlen musste.

Vulgär und pietätlos

Es ist diese muntere Kreuzung aus Kitsch und ernsthaften Motiven, Archetypen, Kunsthistorischem und Kunstfernen sowie Vulgärem und Pietätlosen, die die meisten Bilder der „Bad Painter“ ausmachen. Denn „bad“ weist in seiner Übersetzung nicht ausschließlich auf einen qualitativ „schlechten“ Malstil hin, sondern beinhaltet ebenso das „Schlimme“, „Ungezogene“ und „Hässliche“ in der Wahl der Motive – jedoch nicht im Sinne einer „Ästhetik des Hässlichen“, die die innewohnende Schönheit auch abstoßender Objekte sucht, sondern in seiner unverblümten Reinform. Eine Reinform, die bis in die heutige Zeit immer wieder von Künstlern gesucht, ausgelotet, verworfen und neu definiert wird – aber nie an Faszination verliert.

A.R. Penck, Ausstellungsansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2007, Foto: Norbert Miguletz