Zwei Warhol-Schauspieler und der Filmemacher Michel Auder reisen nach Rom – das filmische Ergebnis dieser Unternehmung, zu sehen in der Ausstellung „Privat“, nimmt das heutige Fernsehformat der „Scripted-Reality“ vorweg.

Eine Frau, nackt, in einem Ankleidezimmer. Dieselbe Frau, noch immer unbekleidet, beim Schminken. Schließlich die Frau am Strand, immer wieder in die Kamera schauend, ausgelassen und ungezwungen. Mit diesen drei Szenen lässt Michel Auder seinen 69-minütigen Film "Keeping Busy", welcher den programmatischen Nebentitel "an it's life movie" trägt, beginnen.

Der 1945 in Frankreich geborene Michel Auder interessiert sich schon früh für das Medium Film. Stark beeinflusst durch die nouvelle vague und das US-amerikanische Experimental-Kino dreht Auder mit 18 Jahren seinen ersten Film. 1969 lernt Auder Susan Hoffman kennen, die unter dem Namen "Viva" als Schauspielerin in Andy Warhols Factory-Gruppe agiert. Kurz darauf heiraten sie.

Herumalbern, essen, unterhalten

Wenige Monate zuvor hatte Viva gemeinsam mit Louis Walden in Andy Warhols Film „Blue Movie" mitgespielt. Dieser trug ursprünglich den Titel „Fuck" und zeigte -- dem bezeichnenden Titel folgend -- vorwiegend Viva und Louis Walden beim Sex, eingerahmt durch Gespräche über den Vietnam-Krieg und banale Alltäglichkeiten: die Zubereitung von Essen, duschen, fernsehen. Der Film wurde ein Skandal. Bei der Uraufführung in Warhols Factory wurde die gezeigte Kopie von der Polizei konfisziert, im Anschluss um gut 15 Minuten auf eine „familienfreundliche Version" gekürzt und in „Blue Movie" umbenannt. Dessen ungeachtet wurde das Werk kurze Zeit darauf von Richtern zur harten Pornographie erklärt.

In „Keeping Busy" begleitet Michel Auder die Warhol-Superstars Viva und Louis Walden kurz nach der Aufführung von „Blue Movie" sieben Tage mit der Kamera auf einen Trip nach Rom. Neben einzelnen Szenen im Freien spielt sich der Großteil des Films in Hotelzimmern ab. Gezeigt wird das Trio beim herumalbern, essen, unterhalten und treffen von Freunden. Die Kameraführung ist oft verwackelt, die Tonspur -- wenn überhaupt vorhanden -- übersteuert und von schlechter Qualität. Zusätzlich sorgt die laute Hintergrundmusik dafür, dass man vom Gesprochenen höchstens Bruchstücke versteht.

„I wanna marry you!"

„Keeping Busy" gilt als einer der fiktionalsten Auder-Filme. Hier ist er kein stiller Dokumentarfilmer oder Anthropologe, wie er sich selbst später einmal beschrieb, sondern interagiert mit den Personen vor der Kamera: er spricht mit ihnen, dirigiert sie zeitweise, nimmt am Geschehen teil. Das mit Viva und Walden Schauspieler vor der Kamera stehen, läuft dem Anschein des Dokumentarischen ebenfalls zu wider. Einige Szenen werden dann auch tatsächlich mit der Hand, stellvertretend für eine Filmklappe, eingeschlagen. Hier vermischt sich das authentisch-dokumentarische mit dem fingiert-fiktionalen -- was jedoch authentisch und was gespielt ist, lässt sich nur schwer sagen. So sehen wir Viva, wie sie mit Auder flirtet, ihm süffisant „I wanna marry you!" hinterherruft, und doch bleibt unklar ob hier die Privatperson Susan Hoffman oder die Schauspielerin spricht. In diesem Sinn wirkt "Keeping Busy" einerseits wie eine Vorwegnahme des heute im Fernsehen so gängigen "Scripted-Reality"-Formates, reflektiert jedoch auch andererseits schon das Spiel mit Authentizität.

Diesem Spiel ist sich Auder vollkommen bewusst, denn er merkt im Interview zu seiner damaligen Arbeitsweise an: "It was not in any way a documentary, not to be related as truth. The work reflects my own feelings." [„Die Arbeit sollte nicht als Wahrheit aufgefasst werden. Sie spiegelt meine Gefühle wider."] Die Person Auder, seine eigenen Gefühle, offenbaren sich nämlich gerade durch die künstlerische Bearbeitung des Filmmaterials: die Auswahl der Szenen und deren Montage. Hierdurch wird "Keeping Busy" überhaupt erst privat, ohne zwingend dokumentarisch oder authentisch zu sein, und somit seinem eigenen Nebentitel „an it's life movie" gerecht.