Friedrich Gräfling lebt und arbeitet in Frankfurt. Der gelernte Architekt ist in vielen Feldern zuhause: Er sammelt Kunst, kuratiert Ausstellungen, betreibt ein Online-Magazin und entwirft Möbel. In Sachsenhausen hat er vor kurzem den „Salon Kennedy“ eröffnet.
Eine Reise in eine andere Welt. In der Kennedyallee, die von Sachsenhausen nach Niederrad führt, reiht sich eine noble Gründerzeitvilla an die nächste. Ins Erdgeschoss der Nummer 100 ist vor etwas mehr als einem Monat Friedrich Gräfling eingezogen. „Salon Kennedy" nennen er und seine Freundin Johanna Stemmler das Domizil. Die Räume kann man gar nicht anders als wunderschön bezeichnen. Hohe Decken, riesige Flügeltüren, Fischgrätenparkett und feine Stuckarbeiten an den Decken erzählen von Stolz und Wohlstand des Frankfurter Bürgertums zur Zeit der Jahrhundertwende. Die großen Fenster lassen viel Licht hinein. Stemmler und Gräfling leben hier, und sie arbeiten auch hier. In den Räumen, die zum Garten hinaus haben sie Schlaf- und Wohnzimmer untergebracht. Die Zimmer zur Straße hin sind Ausstellungsräume. Dazwischen liegt die Küche, die gleichzeitig Foyer für die Ausstellungsräume und Büro ist. Weniger kann man zwischen Privat und Arbeit kaum trennen.

Was irritiert: In der Luft liegt ein penetranter zitroniger Geruch, wie man ihn aus öffentlichen Toiletten kennt. Er gehört zu einem der ausgestellten Werke. „Andy Warhol trägt Parfüm" heißt die Arbeit, sie stammt von Michael Sailstorfer. In der Ecke des Raums lehnt eine Dachlatte mit Duftspender an der Wand. „Ehrlich gesagt: Dieser Zitrusduft macht Kopfschmerzen", sagt Friedrich Gräfling. Und dann erklärt er, was hinter dem Werk steckt: Andy Warhol benutzte Parfüm, um seine Schüchternheit zu überspielen. Der Pop-Art-Künstler war überzeugt, dass der Duft ihm hilft, mehr Raum einzunehmen und besser wahrgenommen zu werden.

Kunst zu sammeln, damit hat Friedrich Gräfling schon ausgesprochen früh begonnen. Mit 15 Jahren kaufte Gräfling, der in Aschaffenburg aufgewachsen ist, einem befreundete Graffitisprayer ein Werk ab, „für hundert Mark." Die erste Arbeit eines bekannten, zeitgenössischen Künstlers, ein Bild des Pop-Art-Künstlers Stuart Semple, erwirbt er als Student an der Londoner Architectural Association. Weil sich Gräfling das Bild eigentlich nicht leisten konnte, bot er dem Künstler an, für ihn zu arbeiten und das erworbene Bild so nach und nach „abzubezahlen". Ein halbes Jahr lang stand er bei Semple im Dienst. Am Anfang faltete er Einladungskarten, am Ende leitete er das Büro des Künstlers und kuratierte eine Ausstellung für ihn.

Immer, wenn Friedrich Gräfling etwas Geld übrig hat, kauft er davon Kunst. So sind über die Jahre einige Schätze zusammengekommen: Werke von Künstlern wie Tomas Saraceno, Jorinde Voigt, Damien Hirst oder Andreas Gursky finden sich heute in der „Sammlung Fiede". Fiede, das ist sein Spitzname. Als kleines Kind war er nicht in der Lage, seinen Vornamen richtig auszusprechen. Stattdessen nannte er sich eben Fiede. Im „Salon Kennedy" will er nun ausschließlich Künstler zeigen, von denen er selbst Werke besitzt und zu denen er ein besonderes, persönliches Verhältnis aufgebaut hat. „Wir sind keine klassische Galerie", betont Gräfling. Geld verdienen müssen sie trotzdem. Am Verkauf der Werke sind die beiden deshalb sehr wohl beteiligt.

Gräfling serviert schwarzen Tee, Stemmler holt eine Schale mit Keksen. Und dann erzählen sie von den vielen anderen Projekten, die sie auch noch betreiben oder schon organisiert haben. Von einer Ausstellung in einer ehemaligen Schlachterei in der Aschaffenburger Innenstadt, die sie mit dem Berliner Künstler Gregor Hildebrandt realisiert haben. Von einer Präsentation der „Sammlung Fiede“ in einem alten, heruntergekommenen Schloss, mit der sie sich am Tag des Denkmals beteiligt haben. Von dem Online-Magazin indechs.org, das sie leiten und für das mehr als zehn Autoren aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt über Design, Kunst oder Architektur schreiben. Von einem alten Fachwerkhaus im Spessart, das zu verfallen drohte. Das Haus haben sie komplett abgetragen und aufbewahrt. Demnächst wollen sie es an einem anderen Ort wieder aufbauen. Übrigens: All diese Projekte haben stattgefunden, da haben die beiden parallel noch in London studiert.

„Vieles, was wir machen, ist aus Zufall entstanden. Das mag ich", sagt Friedrich Gräfling. Das neuste Beispiel: der Tisch, an dem wir sitzen. Gräfling hat ihn aus OSB-Platten hergestellt. Diese Platten aus groben Holzspänen werden normalerweise eigentlich nur auf Baustellen verwendet. Beim Londoner „Notting Hill Carneval" verrammeln die Ladenbesitzer damit für ein Wochenende die Fenster ihrer Geschäfte, um sich vor Vandalismus zu schützen. Nach dem Fest werden die Platten entsorgt. Gräfling ist mit einem Auto rumgefahren und hat den Holzmüll eingesammelt, hat ihn mit nach Deutschland gebracht, abgeschliffen und daraus Möbel für den „Salon Kennedy" gebaut. „Und jetzt haben mich schon einige Gäste gefragt, ob ich für sie nicht auch Möbel entwerfen könnte."

Warum sind beiden in Frankfurt gelandet? „Auch da war Zufall im Spiel", sagt Johanna Stemmler. Sie hat zunächst International Business an der Universität in Maastricht studiert und ist dann ans Sotheby's Institute in London gegangen. Für Gräfling und Stemmler stand lange fest, dass sie London verlassen wollen, sobald sie fertig studiert haben. Nur über das Wohin hatten sie noch nicht entschieden. Im vergangenen Februar kam dann plötzlich das Angebot, in die Villa in der Kennedyallee zu ziehen. Die beiden haben sich Hals über Kopf in die Wohnung verliebt. Den Mietvertrag haben sie sofort unterschrieben, obwohl klar war, dass sie erst im Herbst werden umziehen können. Die einzelnen Zimmer der Wohnung haben sie solange zwischenvermietet, an Praktikanten bei der Deutschen Bank. Jetzt aber sind Gräfling und Stemmler angekommen. Ihre zweite Ausstellung wollen sie im Dezember eröffnen. Und jede Menge weitere Ideen schwirren schon durch ihre Köpfe.

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