Bas Jan Ader verschwand während der Atlantiküberquerung in einem winzigen Segelboot für immer. Die Dokumentation seiner letzten Kunstaktion ist in der Ausstellung "Letzte Bilder" zu sehen.

Das letzte Bild Bas Jan Aders stammt von seiner Frau Mary Sue Ader-Andersen. Die Aufnahme zeigt den Künstler mit Sonnenbrille und orangefarbener Schwimmweste in dem Einmann-Segelboot, mit dem er im Juli 1975 vom Cape Cod, Massachusetts, zu einer Atlantiküberquerung nach Europa aufbrach. Auf der Postkarte, die er kurz vor seiner Abreise an die Amsterdamer Galeristen Geert van Beijeren und Adriaan van Ravesteijn schickte, heißt es: "Wir sehen uns in acht bis zehn Wochen. Bas Jan." Im April 1976 barg man das Wrack seines Bootes in einiger Entfernung von der irischen Küste, Bas Jan Ader selbst wurde nie gefunden.

Die Atlantiküberquerung mit dem Ziel der holländischen Heimat sollte den zweiten Teil der Arbeit "In Search of the Miraculous" bilden. Das mehrteilig angelegte Projekt war bereits zwei Jahre zuvor mit einem nächtlichen Spaziergang durch Los Angeles begonnen worden, der in 18 Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentiert ist. Der Weg des Künstlers begann in der Dämmerung und führte ihn von einem Highway durch dunkle Tunnel und Straßen über Aussichtspunkte auf die leuchtende Stadt bis hin zum Strand, wobei die Aufnahmen der einzelnen Stationen mit Textzeilen des The Coasters-Songs "Searchin'" von 1957 versehen sind. Die Wendungen "I've been searchin'" und "I'm gonna find her" suggerieren die Suche nach einer romantischen Liebe, um die es in Aders Arbeit aber nicht zu gehen scheint. Zumindest gibt es keinen Hinweis darauf.

Auf stürmischer See

Der mit einer Taschenlampe ausgerüstete Künstler ist auf den Fotos von hinten zu sehen, und was er sucht und was im Titel mit dem Begriff des Wunderbaren beschrieben wird, liegt offensichtlich nicht auf Seiten des Betrachters. Auf dem letzten Bild der Reihe steht er am Strand und blickt auf das weite Meer hinaus. Es sind das Motiv der in die Ferne schauenden Rückenfigur und die Sinnoffenheit, die Aders Werk in Beziehung zur historischen Romantik setzen, wobei als prominentestes Beispiel Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" (1808--1810) angeführt werden soll, der im heutigen Verständnis der Friedrich'schen Romantik zum Inbegriff der kontemplativen Weltschau geworden ist. Auch hier bleibt -- verkürzt gesagt -- das, was kontempliert wird, offen und erhält erst in der Vorstellung des Betrachters Gestalt.

Eine von Ader eingerichtete Ausstellung in der Claire S. Copley Gallery in Los Angeles kündigte die geplante Atlantiküberquerung an. Die Einladungskarte zeigt den Bug eines Segelbootes auf stürmischer See. Zur Eröffnung sang, von einem Klavier begleitet, ein Chor Shantys; diese Performance wurde mittels einer Diaschau und einer Tonbandaufnahme zum Teil der Ausstellung selbst. Im "art & project bulletin 89", das erst nach der Abfahrt Aders erschien, wurden das Notenblatt eines der Seemannslieder und ein Bild seiner Abreise abgedruckt. Als dritter Teil der Arbeit war in Analogie zu dem Spaziergang durch Los Angeles einer durch Amsterdam vorgesehen. Das abgeschlossene Gesamtprojekt hätte schließlich im Groninger Museum präsentiert werden sollen.

Hinaus in die reale Welt

Über den Tod Bas Jan Aders wurde viel spekuliert. Dass es zum dritten Teil der Arbeit nicht gekommen ist, ist nicht einvernehmlich auf einen Unfall, sondern auch auf ein intendiertes Verschwinden oder Sterben zurückgeführt worden -- denn nur so entspräche Bas Jan Ader dem romantisch-tragischen Helden, der auf der Suche nach dem Erhabenen scheitert. Dass sein mysteriöser Tod dem eines tragischen Helden entspricht, steht außer Frage. Doch ist fragwürdig, ob er das überhaupt beabsichtigte, hatte er doch für diese Arbeit wie auch für alle vorangegangenen genaue Pläne vorgelegt und diese zuvor auch konsequent verfolgt -- so in den Filmen zum Thema des Fallens. 1970 entstand Aders erster Film hierzu: "Fall I, Los Angeles" zeigt den auf einem Giebeldach sitzenden Künstler, der Sekunden später vom Dach in die vor dem Haus stehenden Büsche stürzt. In "Fall II, Amsterdam" fährt er mit einem Fahrrad in eine Gracht. Es gibt auch hier kein Davor und Danach, keinen Auslöser und keine Konsequenz. Der Film endet dann, wenn vom Künstler nichts mehr zu sehen ist, sobald er in den Büschen oder im Wasser verschwunden ist. Die Frage nach diesen Leerstellen bleibt bewusst unbeantwortet; das Fallen wird zum alleinigen Motiv, das Ader wie ein rhetorisches Mittel einsetzte und konsequent durch- bzw. aufführte. Vor diesem Hintergrund erscheint es unwahrscheinlich, dass er für "In Search of the Miraculous" einen Plan vorsah, dem die Ausführung nicht entsprechen sollte. (Verwoert/Heiser)

Inwiefern das letzte Bild von Ader und die Dokumentation der Seereise (er hatte Kamera und Tonaufnahmegerät bei sich) in die Arbeit integriert worden wären, bleibt aufgrund ihrer Unvollendetheit unklar. Mit Sicherheit lässt sich jedoch feststellen, dass Ader den hermetischen Bereich der Kunst verließ und in die reale Welt hinausging oder, genauer, sich einer Realität aussetzte, die er nur bedingt kontrollieren konnte und über die er bei seiner Seereise die Kontrolle verlor. Die in seinen Arbeiten inszenierte Künstlerfigur als Bedeutungs- oder besser Ideenträger und seine eigene Person fallen im Ausgang seines Projektes "In Search of the Miraculous" schlussendlich zusammen. Das letzte Bild seiner Person könnte dementsprechend als letztes Bild seines Werkes gedeutet werden.