Esther Schlicht besuchte das Centre Pompidou Metz, wo in der Ausstellung „1917″ unter anderem Pablo Picassos größte Arbeit „Parade“ zu sehen ist.

Einen sanften Übergang zwischen dem Sommerurlaub in südfranzösischer Wildnis und dem Wiedereinstieg in den Frankfurter Arbeitsalltag bietet die beschauliche französische Provinzstadt Metz. Seitdem dort vor gut zwei Jahren mit dem Centre Pompidou Metz eine kleinere Schwesterinstitution des Pariser Hauses eröffnet hat, gibt es neben der atemberaubenden Kathedrale noch einen weiteren guten Grund, hier halt zu machen. Zumal diesen Sommer in dem spektakulären, vom japanisch-französischen Architektenteam Shigeru Ban und Jean de Gastines entworfenen Neubau eine durchaus sehenswerte Ausstellung auf dem Programm steht.

1917 – hinter der als schnörkellosen Titel gesetzten Jahreszahl steht der Versuch, eine Kartografie der internationalen Kunstproduktion eines einzigen Jahres aufzuzeigen. Dabei wird entlang unterschiedlichster Aspekte – thematisch, geografisch oder auf einzelne Künstlerpositionen fokussiert – das Verhältnis zwischen Avantgarde und Zeitgeschehen, und insofern vor allem zwischen Kunst und Krieg, auf überraschende Weise neu befragt.

Wenn in der Ausstellung etwa die „Fontäne“ von Marcel Duchamp, eine gemalte Dokumentation der kriegszerstörten Kathedrale von Reims, Beispiele der volksnahen Grabenkunst des ersten Weltkrieges oder die weltfernen Seerosen eines Claude Monet auf engstem Raum zusammen treffen, rücken hier anstelle einer stringenten kunsthistorischen Erzählung vor allem die Widersprüchlichkeit, die Komplexität und das Außerordentliche des historischen Ausnahmenzustands in den Vordergrund.

Nach 20 Jahren wieder ausgestellt

Gerade in Metz – Hauptort der Region Lothringen und im Jahr 1917 selbst im Herzen der Konflikte des ersten Weltkriegs gelegen – bekommt dieses ambitionierte Großprojekt eine besondere Intensität. Zumal die Ausstellung trotz ihrer vermeintlich internationalen Ausrichtung in dieser Form nur sehr schwer außerhalb Frankreichs gezeigt werden könnte.

Den Kern und Kulminationspunkt der Ausstellung bildet ein höchst ungewöhnliches und selten zu sehendes Werk: Der monumentale Bühnenvorhang, den Pablo Picasso 1917 für das in Paris aufgeführte russische Ballett „Parade“ entworfen und ausgeführt hat. Vor einigen Jahren hatten wir uns einmal bemüht, dieses Meisterwerk aus der Sammlung des Centre Pompidou in Frankfurt zeigen zu können. Schnell erwies sich jedoch, dass es sich allein schon aufgrund seines Formats von 10,5 x 16,4 Metern kaum in die Ausstellung „Picasso und das Theater“ (2006 in der SCHIRN) integrieren ließ.

Bereits damals sagte man uns in Paris – wo der Vorhang aus Platzgründen ebenfalls nicht gezeigt werden kann – dass mit dem neuen Spielort in Metz bald ein Gebäude entstehen würde, wo dieser größte aller Picassos einen Platz finden werde. Ob hier nun lediglich eine Ausstellung oder gar ein ganzes Museum auf eine einzelne Arbeit hin ausgerichtet wurde, sei dahin gestellt. Jedenfalls ist der Vorhang von „Parade“ in Metz erstmals seit 20 Jahren wieder in der Öffentlichkeit zu sehen – und allein schon einen Ausflug wert.

Von Frankfurt aus fährt man mit dem Auto rund zweieinhalb Stunden. Mit dem Zug dauert es etwas länger, doch bringt einen dieser geradewegs zu einer weiteren – überdimensionierten – Sehenswürdigkeit der Stadt: dem gewaltigen, Anfang des 20. Jahrhunderts unter preußischer Herrschaft erbauten Bahnhof.