Zurück in der Heimat. Beim SCHIRN SUMMER HANGOUT präsentiert die Band Newmen aus Frankfurt ihr neues Album. Ein Gespräch über tanzbare Klänge und leichte Kost, die am Ende doch keine ist.

Die SCHIRN SUMMER HANGOUTS neigen sich ihrem Ende zu und auch der ewige Sommer scheint sich langsam zu verabschieden. Aber nach monatelanger Hitze ist ein luftiger Cardigan, so wie Jörg ihn gerne trägt, eine schöne Abwechslung. Der Gitarrist und Sänger von Newmen kommt, wie auch seine Bandmitglieder, aus Frankfurt. Mit ihrem zeit- und schöngeistigen Elektro-Pop hat sich Newmen mittlerweile in der gesamten Republik eine feste Fangemeinde erspielt. Wir haben über ihr aktuelles Album „Soft Ware“ und die richtige Mischung zwischen Stimmungsmachern, tanzbaren Melodien und langen Instrumentalstücken gesprochen.

Hi Jörg! 2015 kam euer letztes Album „Rush Hush“ raus und es stand ein Gig im Frankfurter saasfee* pavillon an. Erzähl uns doch mal, was seitdem bei Newmen passiert ist.

Eine Menge! Nachdem wir „Rush Hush“ veröffentlicht hatten, haben wir erst einmal viel live gespielt und dann schon sehr bald wieder an neuer Musik gearbeitet. Wir waren bei einem neuen Label und wollten auch ein neues Album aufnehmen. Die Songs dafür hatten wir in Barcelona aufgenommen, das war sehr schön. Kurz darauf haben wir uns dann aber entschieden, anstatt eines Albums eine EP aus diesen Songs zu machen. Das ist dann „Fond on Pond“ geworden. Wir haben außerdem für das Goethe-Institut in Moldawien gespielt und letztes Jahr im Herbst noch einige Songs aus Barcelona als Remixe herausgebracht.

Und im Mai diesen Jahres kam dann euer zweites Studioalbum „Soft Ware“. Es ist um einiges instrumentaler als „Rush Hush“, auch ruhiger. Wie beschreibst du den Sound der Platte?

Du hast Recht, sie ist insgesamt wesentlich ruhiger und für die Hörerschaft, die „Rush Hush“ liebt, vielleicht auch unzugänglicher. Wir hatten diesen Gedanken eines klassischen Albums wie es Bowie mit „Low“ oder Air mit „10000 Hz Legend“ geschaffen haben. Eine Mixtur aus Songs, die im Radio funktionieren, aber auch Stimmungsmachern, langen Instrumentalstücken, die in die Richtung „early electronic Krautrock“ gehen.

Eine Mixtur aus Songs, die im Radio funk­tio­nie­ren, aber auch Stim­mungs­ma­chern, langen Instru­men­tal­stü­cken.

Newmen

DELAY

Newmen

Einige Songs sind weit über fünf Minuten lang...

Das Album ist insgesamt sehr lang, eine Stunde, und es ist eine Doppel-Vinyl geworden. Seit ein paar Jahren geht der Trend auch wieder zu längeren Alben. „Soft Ware“ ist ein Album, mit dem man uns entdecken, vielleicht auch neu entdecken kann. Man muss in das Album reinhören, mehrere Male. Das meine ich mit „unzugänglicher“. Aber genau das war unsere Absicht, dass man eben nicht sofort mitgroovt, sondern etwas länger braucht, um einzusteigen. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Kritiken. Manche finden „Soft Ware“ überhaupt nicht gut, andere sind begeistert. 

Was genau habt ihr mit dieser Platte anders gemacht? Wie ist „Soft Ware“ zu dem geworden, was es ist?

Wir wollten für das Album etwas Neues und haben uns dafür mit dem Produzenten Elias Förster zusammen getan. Er hat seine Band, Sea Moya, und ist eigentlich so ein „Psychedelic“-Typ, macht aber auch old school und early electronic Musik. Wir haben mit einem Drumcomputer aus den 60ern oder 70ern gearbeitet und auch wenn wir digital aufgenommen haben, alle Instrumente sind analog.

Dass sich unsere Musik wandelt, hört man schon auf „Fond on Pond“. Die Musik, die wir in dieser Zeit gehört haben, hat uns schon beeinflusst. Zu nennen wäre Air, aber  auch viele DJ-Sets, die im Moment aus dem Düsseldorfer Umfeld kommen. Detlef Weinrich aka Tolous Low Trax benutzt Percussions, die man auch auf „Soft Ware“ hört. Außerdem haben wir mit Afrobeat-Elementen experimentiert, manchmal bewegen wir uns auf der Grenze zu Ethnomusik.

Newmen, Foto: Samira Lamprecht

Wie geht ihr an neue Musik heran? Arbeitet ihr in einem konstante Fluss und die Musik entwickelt sich organisch weiter oder kommt ihr an einen Punkt, an dem ihr sagt: Ok, wir wollen etwas Neues?

Die Idee für diese Art von Album hatten wir schon früher, aber wir sind zunächst daran gescheitert. Nachdem wir die Band gegründet haben, haben wir ziemlich schnell „Rush Hush“ herausgebracht. Wir legten einfach los, ohne uns zu viele Gedanken zu machen und produzierten das Album selbst. Mit dem neuen Album merkten wir aber, dass wir diesen objektiven Blick von außen brauchen, in Form eines Produzenten. Jemand, der eine Farbpalette generiert, sodass unsere Songs, die alle sehr unterschiedlich sind, zusammenpassen.

Eure Songtitel sind sehr kurz, sie haben einen bestimmten Charakter, etwa „Pool Day“, „Finish Fetish“, „Trivial Pursuit“. Oft ist es auch nur ein Wort. Wie geht ihr vor, sucht ihr nach Wörtern und Titeln für eure Songs oder versucht ihr Worte und Begriffe zu vertonen? Oder beides?

Es ist ein wechselseitiger Prozess. Wir mögen die Kultur der Readymades oder bestimmter Readymade-Begriffe und benutzen diese ganz gerne. Zu schauen, was passiert, wenn wir diese alltäglichen Begriffe mit unseren Songs zusammen bringen. Den Begriff Software kennt jeder. Wir modifizieren ihn leicht und geben ihm eine andere Bedeutung. Wir spielen in unseren Songtiteln gerne die Mehrdeutigkeit vor allem von popkulturell aufgeladenen Begriffen gegeneinander aus. Wir reißen sie aus ihrem syntaktischen Umfeld und bringen sie, wie ein Readymade, durch Text und Musik in neue Bedeutungszusammenhänge. Das haben wir schon immer so gemacht. Auf diese Art lassen die Songtitel Raum, dass man sie um- und weiter deuten kann. Der Albumtitel „Soft Ware“ steht ja auch im Kontrast zum Album. Die Musik ist alles andere als „leichte Ware“ oder „leicht konsumierbar“. Es ist kein Album für den Mainstream. Manchmal sind die Titel aber auch ganz nah am Text.

Die Musik ist alles andere als „leichte Ware“ oder „leicht konsumierbar“. Es ist kein Album für den Mainstream.

Newmen
Newmen, Foto: Samira Lamprecht

Wie spiegelt sich der neue Sound live wider? „Rush Hush“ ist sehr tanzbar und live einfach großartig. „Soft Ware“ ist ruhiger, seid ihr das dann auch auf der Bühne?

Nur bedingt. Bei der Produktion des Albums haben wir uns bewusst zurückgehalten, es ist etwas nüchtern. Auf der Bühne lassen wir aber mehr Energie zu und die Songs von „Soft Ware“ sind live definitiv tanzbar.

Und was wird uns beim Schirn Summer Hangout erwarten?

Natürlich viele neue Songs und sicherlich kein Konzert im klassischen Sinne. Die Struktur wird eher der eines elektronischen Live-Sets gleichen, ein konstanter Flow von Musik.

Wir sind gespannt. Gibt es Pläne für die Zukunft?

Mit dem Ende des Sommers nehmen wir das Live Spielen wieder verstärkt auf, aber ansonsten spinnen wir derzeit an Ideen herum. Das ist auch gut so, wir können entspannt an neue Projekte herangehen und der Musik tut es auch gut, wenn sie nicht unter Druck entsteht. Für den Herbst haben wir etwas geplant, aber das darf ich noch nicht verraten.