Sind Künstlerinnen und Künstler besonders kreativ, wenn es ums Kochen geht? Ein Blick in die Küchen der Kunstwelt. Diesmal mit Ólafur Elíasson und dem leckersten Butterbrot der Welt.

Alice Waters, Köchin und Mitgrün­de­rin des berühm­ten kali­for­ni­schen Slow-Food-Restau­rants Chez Panisse, hat die enge Verbindung zwischen Kunst und Kochen auf den Punkt gebracht: „…sie sind beide reak­tiv und krea­tiv, sie imitie­ren sich gegen­sei­tig und passen sich einan­der an.“ Exis­tiert demnach eine Verbin­dung zwischen dem, was in den Ateliers von Künst­le­r*innen passiert, und dem, was in ihren jewei­li­gen Küchen vor sich geht? Finden sich Bezüge zu ihrem Werk und ihrer Persön­lich­keit wieder? Sind Künst­ler*innen beson­ders krea­tiv, wenn es um den alltäg­li­chen Akt des Kochens geht? Anhand von Anek­do­ten und Fotos rund um ihre Küchen und Ess­ge­wohn­hei­ten geben wir Einbli­cke in die kuli­na­ri­schen Lebens­wel­ten bekann­ter Künst­le­r*innen.

Wer auf das Dach des vierstöckigen Studios von Ólafur Elíasson im Berliner Prenzlauer Berg steigt – 5.000 Quadratmeter in einem ehemaligen Brauereigebäude – wird dort auf einen Gemüse- und Kräutergarten stoßen, in dem je nach Saison Bohnen, Fenchel, Kürbisse oder Karotten wachsen. Dort, wo wir simple Gemüsebeete sehen, sieht der dänisch-isländische Künstler noch sehr viel mehr: Eine nachwachsende Solaranlage, die essbare Energie für sich und sein Team produziert. Jeder Salatkopf ist eine kleine Batterie, die so lange Sonne speichert, bis sie geerntet und verspeist wird.

Ólafur Elíasson in seiner Studioküche, (c) Foto: erik olsson / WSJ Magazine

Serviert wird die gebündelte Sonnenenergie zwei Stockwerke weiter unten, in der geräumigen Kantine des Ateliers, dessen Herzstück eine frei stehende, verglaste Küche ist. An vier Tagen die Woche kocht dort ein fünfköpfiges Frauenteam für die rund hundert Mitarbeiter ein vegetarisches Menü mit saisonalen Bio-Zutaten aus der Region. Um punkt ein Uhr mittags strömen Ingenieur*innen, Kunsthistoriker*innen, Programmierer*innen, Architekt*innen, Handwerker*innen und Künstler*innen – so vielfältig und multidisziplinär sind Elíassons Projekte – aus allen Ecken des Gebäudes in die Kantine, setzen sich an die langen schwarzen Tische und essen zu Mittag. Die Kosten dafür übernimmt der Chef, als Geste der Dankbarkeit und um seinen Mitarbeitern einen Ort des informellen Austauschs zu bieten. Ein praktischer Nebeneffekt: Wer täglich die frische, gesunde Kost der Studioküche isst, hat ein stärkeres Immunsystem und wird seltener krank.

Obwohl das Kochteam in einem Glaskasten sitzt, ist es keinesfalls abgenabelt vom Rest des Ateliers. Die Köchinnen kommen aus den Bereichen Tanz, Theater, Film und Bildende Kunst, und ihre Arbeit geht weit darüber hinaus, für satte Mitarbeiter*innen zu sorgen. Sie experimentieren mit neuen Zubereitungsformen, organisieren Workshops zu Themen wie Fermentation oder Mikroorganismen, gehen auf Recherchetrips – zum Beispiel zum „Potager du Roi“, ein experimenteller Garten im Palais de Versailles – und arbeiten eng mit anderen Teams zusammen. Für das hauseigene „Sustainability Research Lab“ verwandelten sie Küchenabfälle wie Lauchblätter oder Zwiebelschalen durch Dehydratation in Pigmente, mit denen anschließend Farbproben für zukünftige Aquarellmalereien hergestellt wurden.

Ólafur Elíasson ist es gewohnt, dass um ihn herum viel gekocht und gut gegessen wird. Sein Vater war jahrelang Koch auf einem Trawler – er machte der fischmüden Crew den Fang schmackhaft, indem er „Kentucky Fried Fish“ und Ceviche mit Limette und Rhabarbersaft servierte –, sein Onkel und seine Schwester Victoria Eliasdóttir sind Küchenchefs, und zu seinen Freunden zählen die legendäre Food-Aktivistin Alice Waters und der dänische Starkoch René Redzepi, die beide in der Studioküche zu Gast waren. Bei dieser Konstellation sei es fast unausweichlich, dass er selbst nie gelernt hätte, richtig zu kochen, sagt Elíasson. Gemüseschnippeln findet er zu zeitaufwendig, und der Prozess der Essenszubereitung wirkt für ihn nicht entspannend, sondern eher stressig. Praktischerweise ist eines seiner Lieblingsgerichte hausgemachtes Knäckebrot mit Gemüsepaste und Salz.

Fehlende Geduld in der Küche hindert Elíasson jedoch nicht daran, lange darüber nachzudenken, was auf seinen Teller kommt. Seine Entscheidung, im Studio rein vegetarisch und möglichst CO2-neutral zu kochen, ist die logische Konsequenz seines Klimaaktivismus, eines der zentralen Themen seiner Arbeit als Künstler und Sozialunternehmer. Dabei richtet sich Elíasson mit seiner Botschaft nicht direkt an unseren Verstand, sondern an unsere Sinne: Er ist überzeugt davon, dass man Dinge sehen, hören, riechen und fühlen muss, damit sie einen tatsächlich berühren und zum Nachdenken anregen. Dementsprechend gestaltet er monumentale Installationen, die dem Betrachter intensive physische Erfahrungen bieten. So ließ er 2014 zwölf gigantische Eisblöcke aus Grönland nach Kopenhagen transportieren, um das Schmelzen des Polareises unmittelbar spürbar zu machen. Sein wohl bekanntestes Werk, „The Weather Project“, für das er 2003 eine riesige künstliche Sonne in die Turbinenhalle der Tate Modern hängte, zog mehr als zwei Millionen Besucher an.

Olafur Eliasson (top of table) eating with staff at The Kitchen in his Berlin studio. Photograph: Thorsten Futh/The Guardian, Image via www.theguardian.com

Ólafur Elíassons Studioküche, Image via olafureliasson.net

Für Elíasson ist Essen eine ganzheitliche Erfahrung, bei der die Interaktion mit anderen Menschen und die Umgebung, in der man sich befindet, einen starken Einfluss auf das Geschmackserlebnis haben. Wenn er alleine ist, spürt er oft keinen Hunger und vergisst schlichtweg zu essen, wie er in einem Interview erzählt. Als Kind verbrachte der Künstler seine Sommerferien in Island bei seinem Vater und seiner Halbschwester, mit denen er oft Ausflüge in die Natur unternahm. Das mitgebrachte Picknic­k aus Eiersalat und Körnerbrot mit Butter und wildem Thymian schmeckte Elíasson inmitten der atemberaubenden Landschaft besser als jedes Sternemenü.

Aus simplen Zutaten erinnerungswürdige Gerichte zu kochen ist auch das Ziel des Küchenteams im Studio Ólafur Elíasson. Insbesondere im Winter, wenn wochenlang nur Rüben in der Gemüsekiste liegen, kann das herausfordernd sein. Doch auch dann, wenn nach vier Tagen Rote Bete-Salat einige Mitarbeiter*innen aus Protest anfangen, in die Pizzeria quer gegenüber vom Studio zu gehen, gibt sich Elíasson mit der Knolle zufrieden. Hauptsache, er ist damit in guter Gesellschaft.

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