Hungrig Kunst anschauen ist nie eine gute Idee: In diesen Museumscafés lässt es sich besonders gut verweilen.

1. FRESKO, STAATSGALERIE STUTTGART

Nur eine gute Zugstunde entfernt befindet sich ein Museumscafé-Kleinod in schönstem Billie Eilish-Grün. Das kam so: 1984 eröffnete der Erweiterungsbau der Staatsgalerie Stuttgart, die Neue Staatsgalerie. Heute gilt das Bauwerk von James Stirling mit seinen markanten roten, grünen, blauen und pinken Applikationen als eines der wichtigsten Beispiele der Postmoderne. In der kann man nicht nur Kunst anschauen, sondern davor & danach auch Pasta, Tabouleh oder schwäbische Maultaschen ordern – im Fresko huldigen nämlich nicht nur die Fensterstreben der farbenfreudigen Architektur, auch der komplette Fußboden ist im Signature-Grün des Bauwerks gehalten, das sich irgendwo zwischen Apfel und Neon, also in etwa der gerade ehemalig gewordenen Haarfarbe des eingangs erwähnten Pop-Stars, verorten lässt. Nach einer halben Stunde Café-Besuch wirkt das merklich auf der Netzhaut nach.

FRESKO, STAATSGALERIE STUTTGART, Image via fresko-stuttgart.com

2. MITSITAM NATIVE FOODS CAFÉ, NATIONAL MUSEUM OF THE AMERICAN INDIANS, WASHINGTON D.C.

Mitsitam heißt „Lass‘ uns essen!“ in der Sprache der lokalen Indigenen Bevölkerung, der Delaware und Piscataway. Das Museumsrestaurant führt die Idee des Nationalmuseums in Washington D.C. konsequent weiter, auf den Tisch kommen hier Gerichte der Indigenen Küche Nord- und Südamerikas. Freddie Bitsoe, einer der bekanntesten „Native Chefs“ der USA, und Richard Hetzler möchten dabei eine Vielzahl an Regionen kulinarisch repräsentieren. Auf der Speisekarte stehen je nach Saison zum Beispiel Salate mit wildem Reis oder Wildpflanzen, gerösteter Kohlrabi, Maissuppe, aber auch marinierter Truthahn, Bolivianisches Chili und geräucherter Fisch. Besonders gelobt werden die handgebackenen Brote im Mitsitam – als Nachtisch empfiehlt sich zum Beispiel eine Variante aus Mehl vom blauen Mais.

Mitsitam Native Foods Cafe, Image via www.mitsitamcafe.com 

3. THE REFRESHMENT ROOMS, VICTORIA & ALBERT MUSEUM, LONDON

Das älteste Museumscafé der Welt ist zugleich vermutlich auch ihr schönstes. Und dann wartet das Londoner Victoria & Albert Museum zu allem Überfluss nicht nur mit einem, sondern gleich mit drei komplett eigenständig gestalteten Räumen auf, die 1868 feierlich eröffnet wurden und seitdem behutsam in Stand gehalten werden: Der Gamble Room sollte mit seinem luxuriösen Dekor, den glitzernden Glas-, Emaille- und Keramik-Intarsien an ein mondänes Pariser Kaffeehaus oder an die Bahnhofshallen jener Zeit erinnern.

Der Poynter Room, in dem früher die heißen Grillspeisen serviert und auch zubereitet wurden, ist mit blau-weißen Kacheln ausgestattet, die übrigens von Student*innen einer örtlichen Porzellan-Klasse hergestellt wurden. Der Morris Room schließlich wurde vom Namensgeber William Morris gestaltet, einem der wichtigsten Designer des viktorianischen Zeitalters, der dunkles Blau, Holzarbeiten und Motive von Flora und Fauna verwendete. Zwar hat das Museum inzwischen ein zusätzliches Café, die weitaus charmanteren Refreshment Rooms stehen aber grundsätzlich noch offen. Zum Beispiel für einen High Tea, den man nach Voranmeldung hier einnehmen kann

The Centre Refreshment Room (later named The Gamble Room), late 1860s. Museum no. E.655-2009. © Victoria and Albert Museum, London, Image via www.vam.ac.uk

4 THE CYCLADIC CAFÉ, MUSEUM OF CYCLADIC ART, ATHEN

Ganz ohne spektakuläre Grundlage haben Stelios Kois und sein Team dieses Museumscafé umgestaltet: Gelegen zwischen zwei Gebäudeteilen, bot dieser Ort im Museum für kykladische Kunst in Athen ursprünglich wenig Glamour. Auch die spektakulären Ausblicke, mit denen andere Museen in der griechischen Hauptstadt aufwarten, gibt es hier nicht. Und trotzdem gewinnt man dank einer eingelassenen, weißen Struktur, rundherum von Pflanzen gesäumt, das Gefühl von viel Licht und Grün.

(c) Photo Paris Tavitian, Museum of Cycladic Art, 2020, Image via cycladic.gr

5. BAR LUCE, FONDAZIONE PRADA, MAILAND

Die Ästhetik ist unverhohlen und intensiv. Viele geraten ob Wes Andersons unverwechselbarer Filmhandschrift, die neben Regie und Drehbuch immer auch einen wachen Blick auf jeden Schritt des Art Departments hat, in Verzückung. Andere bekommen Kopfschmerzen. Doch selbst die kommen vermutlich kaum umhin, Andersons Arbeit für die Fondazione Prada als gelungene Ausnahme vom üblichen Museumscafé-Look zu bewerten. Ein bisschen weniger zuckrig als das Grand Budapest Hotel, geht die Retro-Hommage hier in Richtung einer fiktiven Ära, die Elemente aus Midcentury-Moderne, Sowjet-Pastell und Trompe-l’œil-Wandmalerei wie ein Anderson-Filmset in sich vereint.

Bar Luce, Fondazione Prada, Mailand, Image via WikiCommons
6. THE CAFÉ JACQUEMART-ANDRÉ, JACQUEMART-ANDRÉ MUSEUM, PARIS

Der „schönste Tea Room von ganz Paris“, wie das Museum sein hauseigenes Café bewirbt, befindet sich im ehemaligen Speisesaal von Édouard André und Nélie Jacquemart. Das französische Sammlerpaar vermachte seine Kunstsammlung mitsamt dem eigenen Stadtpalais der Stadt Paris. Meisterwerke der Renaissance, der französischen Schule und der Flämischen Meister schmücken nicht nur die Museums-, sondern auch die Caféwände. Besuchen kann man das Café Jacquemart-André aber auch ohne Rundgang durch die Sammlung. Zu jeder Ausstellung wird ein Menü mit Bezug zum jeweiligen Thema kreiert, das das tägliche Angebot ergänzt.

THE CAFÉ JACQUEMART-ANDRÉ, Image via www.musee-jacquemart-andre.com

7 …& FÜR DAHEIMBLEIBENDE: BADIAS, SCHIRN, FRANKFURT

Das Café der Schirn trägt den Namen seiner Gastgeberin: Badia Ouahi kocht, was sie selbst am liebsten isst. Die Küche vereint ihre marokkanischen Wurzeln mit israelisch-mediterranen Einflüssen und hessischen Zutaten. Bei gutem Wetter sitzt man am Rande des Römerbergs und überblickt die Neue Altstadt und den Kunstverein, bei Regen und Kälte im schönen Caféraum mit den riesigen Fenstern, den die Frankfurter Architekten Cilia und Hendrik Tovar 2008 bis 2009 neu gestaltet haben. Guten Appetit!

Badias, Schirn Café, Foto: Ramon Haindl

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