„Digitale Welten“ nennt sich ein Festival am Frankfurter Schauspiel, bei dem es nicht nur Theaterinszenierungen, sondern auch spannende Diskussionen geben soll.

Es ist eine Zukunftsvision, aber wirklich fremd erscheint sie einem nicht. Das Internet hat sich zu einem Paralleluniversum entwickelt. Es ist ein Ort geworden, der mit allen Sinnen erfahrbar ist, ein Ort der umfassenden Virtualität. Eine junge Kommissarin ermittelt in dieser Parallelwelt, begibt sich in einen virtuellen Club, in dem den Besuchern alle Wünsche offen stehen. Dunkle Fantasien lassen sich hier ausleben, Sex und Gewalt kennen keine Grenzen. Dürfen Menschen das? Dürfen sie alle Moral fallenlassen, wenn physisch niemand zu Schaden kommt, wenn alles im Virtuellen bleibt? Das ist die Frage, die die Theaterautorin Jennifer Haley mit ihrem Stück „Die Netzwelt“ stellt. Am Frankfurter Schauspiel feiert es nun Premiere, Bernhard Mikeska führt Regie.

Zu sehen ist „Die Netzwelt“ auch bei einem Festival, das am Schauspiel ab kommenden Donnerstag läuft: die Thementage „Digitale Welten“. Dort sind dann nicht nur Aufführungen zum Themenkomplex Internet zu sehen, sondern es wird auch diskutiert. Veronika Breuning, beim Frankfurter Schauspiel für die Pressearbeit zuständig, hat die Vorträge und Panel-Diskussionen zusammengestellt. Ihr war es wichtig, dass dabei Menschen, die die digitale Zeitenwende und ihre Auswirkungen normalerweise eher nebeneinanderher (beziehungsweise: aneinander vorbei) diskutieren, miteinander ins Gespräch kommen.

Welchen Fortschritt wollen wir? Was ist das Positive an der digitalen Revolution? Was ist das Negative?

Auf den Podien trifft man Geisteswissenschaftler genauso wie IT-Experten, Entwickler und digitale Unternehmer, aber eben auch Künstler aus der Theaterszene. Welchen Fortschritt wollen wir? Was ist das Positive an der digitalen Revolution? Was ist das Negative? Um diese Fragen soll es gehen. Eine Eröffnungsdiskussion findet zum Thementage-Start am kommenden Donnerstag (17. März) statt. Vier Panels zu den Schwerpunkten „Freiheit“, „Gleichheit“, „Solidarität“ und „Theater“ laufen am Samstag (19. März). Bei den Panels wird es zunächst Impulsvorträge der Teilnehmer geben, im Anschluss wird die Diskussion geöffnet.

Unter den Vortragenden finden sich viele Hochkaräter: Gesche Joost – Professorin für Designforschung in Berlin, im Schattenkabinett des SPD-Bundeskanzlerkandidaten Peer Steinbrück war sie für Netzpolitik zuständig – wird darüber sprechen, wie viel Transparenz Demokratien vertragen. Mit dem Verhältnis zwischen Privatheit und Arbeit wird sich der Software-Engineer Markus Morgenroth auseinandersetzen, er gilt als einer der Experten zum Thema Big Data. Der FAZ-Herausgeber und Feuilletonist Jürgen Kaube wird da sein, der renommierte Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, die Digital-Unternehmerin Lena Schiller Clausen, die das Hamburger Betahaus mitgegründet hat. Aus der Theaterzunft diskutieren die Regisseure Stefan Kaegi (Rimini Protokoll), Angela Richter, Kay Voges und Schauspiel-Intendant Oliver Reese mit.

Foto: Schauspiel Frankfurt, 2016

Dass der digitale Umbruch im Gegenwartstheater eine wichtige Rolle spielt, sollen auch andere Inszenierungen, die beim Festival „Digitale Welten“ auf dem Programm stehen, deutlich machen. Genauso wie „Die Netzwelt“ ist auch die Inszenierung von „George Kaplan“ in Frankfurt entstanden. Das Stück des jungen, französischen Autors Frédéric Sonntag beschäftigt sich auf herrlich überdrehte Weise mit den Themen Virtualität, Vernetzung und Überwachung. Das Schauspiel Dortmund zeigt eine Fassung von Sarah Kanes berühmten Stück „4.48 Psychose“, bei der die Darsteller komplett verkabelt auf die Bühne treten. Aus körpereigenen Signalen wie Puls, Atemfrequenz oder Temperatur werden digitale Bilder generiert und wiederum auf die Körper der Schauspieler projiziert. Ist Seele messbar? Dieser Frage will Regisseur Kay Voges mit seiner Inszenierung nachgehen.

Foto: Schauspiel Frankfurt, 2016

Eine virtuelle Schnitzeljagd bringt Stefan Kaegi, Teil des Performance- und Regiekollektivs Rimini Protokoll, nicht auf die Bühne, sondern in den Stadtraum. Die Zuschauer werden Teil der Inszenierung, bewegen sich durch die Öffentlichkeit, tragen Kopfhörer, werden von einer Computerstimme geleitet. „Remote Frankfurt“ heißt seine Inszenierung. Kaegi hat sie in ähnlicher Form schon an 25 Orten in Europa, Indien, den Vereinigten Staaten und zuletzt in Abu Dhabi gezeigt. Jedes Mal wird das Stück auf die Stadt, in der es läuft, neu abgestimmt. In Frankfurt wird der Audio-Walk auch nach dem Festival noch einige Male stattfinden.

Mit dem Format Thementage hat man beim Schauspiel Frankfurt bereits gute Erfahrungen gemacht. Im Frühjahr 2015 lief die Kombination aus Theaterfestival und Debatten erstmals, damals zum Thema „Leben mit Auschwitz – danach“. Die Veranstaltungen waren sehr gut besucht, häufig ausverkauft. Die Kombination aus Theater und Diskurs kam beim Publikum gut an, deswegen nimmt das Haus nun einen zweiten Anlauf. „Das Theater war schon immer ein Ort gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen“, sagt Veronika Breuning. So nah am Zeitgeschehen wie bei „Digitale Welten“ ist es aber nicht überall.