Tobias Rehberger und Rirkrit Tiravanija eröffnen einen temporären Keramik-und Kochstand in der Frankfurter Kleinmarkthalle.

Tobias Rehberger, immerhin einer der bedeutendsten deutschen Künstler seiner Generation, hat gerade in einem Handwerk debütiert, dem im Kunstbetrieb bisher wenig Beachtung zuteilwurde. Viele denken wohl eher an Volkshochschule als an Kunstakademie, wenn vom Töpfern die Rede ist. Ein stilsicherer Künstler (zumal einer, der es gewohnt ist, konzeptionell zu arbeiten) greift scheinbar naiv und ohne Planungsskizze zur Töpferscheibe und lässt Schalen, Teller und Töpfe aus gebranntem und bunt glasierte Keramik entstehen.

„Natürlich liegt eine gewisse Ironie in der Sache“ gibt Rehberger beim Besuch in seinem Atelier im Frankfurter Osthafen dann auch unumwunden zu. Durch die Fenster seines großen und aufgeräumten Büros in der Lindleystraße sieht man in schöner Regelmäßigkeit Schiffe über das Wasser gleiten. Er beteuert aber auch: „Wir haben die handwerkliche Herausforderung und den Umgang mit dem Material durchaus sehr ernst genommen.“

Kunst gefüllt mit regionalen Zutaten

Mit dem Konzeptkünstler Rirkrit Tiravanija, der genau wie Tobias Rehberger ein leidenschaftlicher Koch ist und seit den Neunzigerjahren mit ebenso lässigen wie hintergründigen Kochaktionen von sich reden macht, traf er sich vor kurzem in New York zu einer gemeinsamen Töpfersession. „Wir haben ziemlich spontan gearbeitet“, erzählt Rehberger, der Tiravanija bereits 1993 im Hamburger Kunstverein kennenlernte. „Ganz ohne Skizzen oder Entwürfe“. In der Greenwich House Pottery, einer altehrwürdigen Keramikwerkstatt, schufen die beiden eine limitierte Geschirr-Serie, zu der insgesamt 111 Teile gehören.

Tobias Rehberger und Rirkrit Tiravanija, Dirty Dishes, Kleinmarkthalle Frankfurt, Portikus XXX, 2017

Rehberger und Tiravanija verkaufen ihre Unikate nun unter dem Motto „Dirty Dishes“ an einem Stand in der Frankfurter Kleinmarkthalle, der an fünf Tagen geöffnet hat. Der Clou: Erst der leckere Inhalt macht die formschönen Keramikobjekte wirklich komplett – sie werden mit Speisen gefüllt, die die beiden Künstler vor Ort in einer improvisierten Küche aus regionalen Zutaten bereiten. Welche Gerichte serviert werden, stand bei unserem Treffen noch nicht fest. Auch die Preise hat man noch nicht festgelegt.

Heißhunger und Wertverlust

Rehberger gefällt es, die Käufer der originellen Stücke mit einer gewissen Ratlosigkeit zu konfrontieren: Wird das Gesamtkunstwerk etwa zerstört, wenn man den Inhalt verspeist? Bedeutet Heißhunger etwa Wertverlust? Bei unserem Gespräch spielt er auf die wohl berühmteste Badewanne der Kunstgeschichte an, nämlich die von Joseph Beuys. Gefüllt mit Heftpflastern und Mullbinden wurde die vermeintlich verschmutzte Wanne 1973 bei einer Party in Schloss Morsbroich in Leverkusen (wo man eine Ausstellung vorbereitete) von zwei Kunstbanausen (oder, vorsichtiger formuliert: zwei Menschen, die einfach Beuys‘ Absichten missverstanden) als Spülbecken zweckentfremdet – und somit zerstört.

Tobias Rehberger und Rirkrit Tiravanija, Dirty Dishes, Kleinmarkthalle Frankfurt, Portikus XXX, 2017

Im Gegensatz zu Beuys lässt Rehberger seine künstlerischen Intentionen ein Stück weit im Dunkeln und gibt die Entscheidung, wie mit seinem getöpferten Werk auf die richtige Weise umzugehen ist, an den Betrachter (beziehungsweise Käufer) weiter. Vielleicht kommt ja tatsächlich irgendein Kunstverrückter auf die Idee, eine Keramikschale samt Inhalt mit viel Aufwand zu konservieren und auf Wertsteigerung zu hoffen. Immerhin handelt es sich ja um einen echten Rehberger/Tiravanija.

Hangout in der Kleinmarkthalle

Tobias Rehberger begann 1987 sein Studium an der Städelschule, an der er inzwischen schon lange als Professor arbeitet. Im selben Jahr wurde am Mainufer die beliebte Ausstellungshalle Portikus eröffnet. Zum dreißigjährigen Jubiläum bespielt die Veranstaltungsreihe „Portikus XXX“ nun Frankfurter Orte, an denen man nicht unbedingt Kunst erwartet. Auch der Keramik- und Kochstand von Tobias Rehberger und Rirkrit Tiravanija gehört zu diesem Jubiläums-Programm.

Tobias Rehberger und Rirkrit Tiravanija, Dirty Dishes, Kleinmarkthalle Frankfurt, Portikus XXX, 2017

Anders als zum Beispiel einst der Club Michel (eine Art kulinarischer Zirkel, den DJ Ata Macias einst am alten Standort von Rehbergers Atelier am Holzgraben betrieb) ist die Kleinmarkthalle keine Anlaufstelle für eingeweihte Szenegänger. Dieser Umstand könnte zu spannenden Begegnungen führen. „Im besten Fall“, sagt Tobias Rehberger, „entwickelt sich unser Stand zu einem Hangout, an dem sich die unterschiedlichsten Menschen treffen.“

Tobias Rehberger und Rirkrit Tiravanija, Dirty Dishes, Kleinmarkthalle Frankfurt, Portikus XXX, 2017

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