Die Frankfurter Städelschule lädt bis einschließlich Montag, den 5. Juni zum Rundgang ein. Im Fokus von Ausstellung und Gesprächsrunden steht das Thema Raum.

2017 wurde bereits vielfach als das „Superkunstjahr“ betitelt: Die documenta findet dieses Mal nicht nur in Kassel, sondern auch in Athen statt und muss sich als weltweit größte Kunstausstellung auch noch mit der Venedig Biennale und den Skulptur Projekten Münster den Sommer teilen. Fast still und heimlich hat der Rundgang der Städelschule in Frankfurt sich dieses Jahr in diese Aufzählung eingereiht, indem exakt eine Woche vor der Eröffnung der documenta in Kassel nun am Pfingstwochenende zum Rundgang eingeladen wird.

Zwar folgt dieser keinem kuratorischen Konzept oder einer bestimmten Thematik, doch scheint man sich an der Städelschule dieses Jahr verstärkt mit dem Thema Raum auseinanderzusetzen. Bereits am vergangenen Montag eröffnete der neue Ausstellungsraum „fffriedrich“ des Masterstudiengangs „Curatorial Studies“ der Goethe-Universität und der Städelschule. Während des Rundgangs laden die Masterstudierenden aber nicht nur zur Ausstellung ein, sondern auch zu Gesprächsrunden zu künstlerischer und kuratorischer Praxis. Hierfür haben sie sich etwa auch mit der Historie von „fffriedrich“ auseinandergesetzt: Schon in den 90er Jahren hat der damalige Städelschüler Martin Schmidl am gleichen Ort Ausstellungen organisiert. Am Sonntag laden Sina Brückner-Amin und Isabelle Tondre zum Gespräch mit ihm ein, um gemeinsam über den Ausstellungsraum und seine Rolle in Frankfurt zu reflektieren.

Zurück in die Zukunft

Die Architekturklasse probiert sich dieses Jahr an einer Symbiose aus Rückblick und Zukunftsvision, indem sie zu einer Reise in die Vergangenheit mit einer Virtual-Reality-Brille einlädt. Mittels dieser lässt sich Marcel Duchamps zwischen 1915 und 1923 entstandenes Werk „The Large Glass“ in einer 3D Animation miterleben.

Hannah Fitz, 2017, Foto: © Neven Allgeier

Während des Rundgangs sind die Ateliers der Kunststudierenden meist kaum mehr als Arbeitsräume wiederzuerkennen. Die gezeigten Kunstwerke sind feinsäuberlich an der Wand fixiert oder auf dem Boden choreographiert. Insbesondere ein Studio ist in diesem Jahr nahezu verfremdet. Neben hellblauem Teppichboden, großen Zimmerpflanzen und schwarzen Freischwinger zeigen Nicolas Hsiung, Simon Glaser, Julian Irlinger und Natalia Rolon ihre Arbeiten. Während Nicolas Hsiung einen überdimensionalen Türstopper angefertigt hat, der fast als rein funktionales Objekt durchgehen könnte, wirken die Malereien von Simon Glaser und Natalia Rolon wie eine Parodie auf Kunst, die nur zur Ästhetisierung des tristen Büroalltags beitragen soll.

Architektur des Kunsttourismus

Julian Irlinger zeigt mit „Travelogue“ ein Video, welches zwei Fotografen beim Produzieren ihrer Bilder beobachtet. In der Kulisse von Kunstevents wie der Art Dubai oder der Sharjah Biennale werden Auslöser gedrückt, mal von den gefilmten Fotografen, mal von Irlinger selbst. Neben dem Video lehnt ein Buch mit dem Titel „Louvre Abu Dhabi. Birth of a Museum“ und wer genau hinsieht erkennt diese Architektur auch in Irlingers Arbeit wieder. Es ist die Architektur des Kunsttourismus, der sich durch die ganze Welt zieht und nicht nur in Abu Dhabi einen Platz gefunden hat, sondern auch in Deutschland, wenn nächste Woche wieder von einer Großausstellung zur nächsten gepilgert wird und tausende Fotos davon produziert und mit der Öffentlichkeit geteilt werden.

Julian Irlinger, travelogue, 2017; Simon Glaser, Untitled, 2017, Foto © Neven Allgeier
Eliza Douglas, 2017, Foto © Neven Allgeier

Trotz Shuttlebus-Service war die Außenstelle der Städelschule in der Daimlerstraße in vorangegangenen Jahren nur während der Rundgangsparty Anziehungspunkt für viele Besucher. Dies könnte sich dieses Jahr ändern: Ryan Cullen hat mit der „Galerie Italy“ einen zusätzlichen Ausstellungsraum in das Atelier der Klasse Judith Hopf gebaut, in diesem eröffnen täglich um 15 Uhr neue Einzelausstellungen von Studierenden der Hochschule. Die selbst gezimmerte Holzkonstruktion kann allerdings nur bis zu acht Personen aufnehmen, sodass weitere Interessierte sich die Wartezeit verkürzen können, indem sie sich den anderen künstlerischen Positionen im Atelier widmen.

Raum für Experimente

Wie ein roter Faden ziehen sich durch diesen Raum die Arbeiten von Stefan Cantante. Am Eingang wird der Besucher zunächst von einer treibholzartigen Skulptur begrüßt. In der Mitte der Holzplatte ist eine Raute ausgesägt, in der ähnlich einem Traumfänger Stofffetzen mit Draht eingearbeitet sind. Dieser spielerische Umgang mit Verflechtung von Textil und Metall ist das Merkmal der Arbeiten, die Titel tragen wie „Loving Brighella“ oder „Angry Arlecchino“. Angelehnt an die erste Form des Improvisationstheaters im Italien des 16. Jahrhunderts, benannte Cantante seine Werke nach Charakteren der sogenannten „Commedia dell’arte“. In gleicher Weise wie sich dieses als freiste Form des Theaters begriff, welche weder den Zuschauer belehren wollte, noch den Text großer Autoren ehren, trauen sich die Arbeiten Cantantes anders zu sein und Gegenpositionen einzunehmen. Sie beschränken sich nicht nur auf ein Medium, sondern scheuen auch nicht davor Materialien ebenso auf Leinwand wie auf das Fenster des Ateliers zu übertragen.  Wie eigene Charaktere nehmen die unterschiedlichen Formate Rollen im Raum ein und bespielen ihn wie ein Theater-Ensemble. Fast scheinen Cantantes Arbeiten damit eine Metapher für den Rundgang einer Kunsthochschule schlechthin zu sein, indem sie Mut zum Experiment zeigen.

Ryan Cullen, Galerie Italy, 2017, Foto © Neven Allgeier
Stefan Cantante, Loving Brighella, 2017; im Hintergrund: Holger Højbjerg, Foto © Neven Allgeier

Auch die Studierenden Cecilia Gerson und Reece York fordern zum Experiment auf. Neben dem bereits breit aufgestellten Performance- und Filmprogramm des Rundgangs laden sie zusätzlich in den Keller der Dürerstraße 24 ein, um im „GARY’S“ täglich von 16.30 bis 22 Uhr weitere Veranstaltungen wie Lesungen und Performances zu realisieren und damit abermals einen weiteren Raum zu erschließen.