An der Städelschule haben junge Künstler und Architekten eine gemeinsame Ausstellung erarbeitet. Kurator Bernard Vienat möchte die Grenzen zwischen den Disziplinen abbauen.

Sie sehen aus wie rätselhafte Artefakte, gestrandete Raumschiffe oder fremdartige Lebewesen. Wuchtige, komplex geformte Objekte bevölkern, so scheint es, seit kurzem einige Grünanlagen und Plätze Frankfurts. Das suggerieren zumindest die Fotografien, die bei „Johan“, einem seit etwa eineinhalb Jahren bestehenden Ausstellungsraum in der Städelschule, präsentiert werden. Der Stadtraum wurde nicht über Nacht mit weiteren „drop sculptures“, zuweilen beliebig zugeordneten Großskulpturen, möbliert. Vielmehr wurden die Objekte, so echt sie auch wirken, in einem 3D-Programm simuliert.

ivan Murzin, Rebecca Nayagam, untitled

Sie sind das Ergebnis einer nicht alltäglichen Zusammenarbeit. Bernard Vienat, Student am Fachbereich Curatorial Studies der Städelschule, brachte drei Künstler und vier Architekten, die alle an der Städelschule studieren, zusammen. Zwischen Künstlern und Architekten bestehe an der Städelschule normalerweise wenig Kontakt, sagt Bernard Vienat. Das könnte an der unterschiedlichen Studienstruktur liegen. Während der Studiengang Freie Bildende Kunst auf fünf Jahre ausgelegt ist und keine Studiengebühren erhebt, ist das Studium an der Städelschule Architecture Class nicht nur kostenpflichtig, sondern auch auf zwei Jahre beschränkt.

Ping Pong als Arbeitsform

Seit vier Monaten bereiten nun Il-Jin Atem Choi, Yara Feghali, Viviane Komati, Miriam Kuhlmann, Ivan Murzin, Rebecca Nayagam und Iulia Nistor die Ausstellung vor. Deren Leitfrage ist „Was unterscheidet Kunst und Architektur?“ Die Beteiligten bildeten drei interdisziplinäre Paare. Die Architekturstudentin Viviane Komati übernahm die technische Leitung des anspruchsvollen Projekts. Die Zusammenarbeit der Künstler und Architekten charakterisiert Vienat als „Ping Pong“.

Miriam Kuhlmann, Il-Jin Atem Choi, untitled

So nahm Yara Feghali eine Ölmalerei von Iulia Nistor zum Ausgangspunkt für einen komplexen Formfindungsprozess. In einer 3D-Software von Damjan Jovanovic, der als Tutor an der Städelschule lehrt, entwickelte sie aus dem Gemälde ein 3D-Modell und verfremdete es. Das am Rechner modellierte Objekt setzte Iulia Nistor wieder in Malerei um. Yara Feghali entwickelte darauf aufbauend eine weitere komplexe, dreidimensionale Form. Das letztlich entstandene Objekt changiert zwischen architektonischem Formexperiment und künstlerischem Ausdruck. Ähnlich verlief auch die Zusammenarbeit der anderen Paare.

Arbeitsprozesse bleiben sichtbar

In der Ausstellung sind sechs große Fotoprints der von den Künstler-Architekten-Paaren erarbeiteten Objekte zu sehen. Die Formen werden im städtischen Raum Frankfurts inszeniert. Die dafür verwendeten Fotografien steuerte Ivan Murzin bei. „Es war eine Möglichkeit, sich mit Frankfurt auseinanderzusetzen“, sagt Bernard Vienat. Denn oft wirkt die Städelschule wie eine Insel inmitten der Stadt. Fotografien, Malerei und Skulpturen zeigen Zwischenstadien der Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Künstlern und Architekten. Sie lassen den experimentellen Arbeitsprozess nachvollziehbar werden. Die Objekte werden auch in Videosimulationen präsentiert.

Yara Feghali, Iulia Nistor, untitled

Eine besondere Möglichkeit, die entstandenen Formen dreidimensional zu erfahren, bietet ein Hologramm, das die Objekte gleichsam im Raum schwebend präsentiert. Dass die Objekte nicht materiell umgesetzt wurden, sieht Bernard Vienat nicht als Nachteil. Im Gegenteil, ein Bild lasse sich in den sozialen Netzwerken viel besser verbreiten als ein reales Objekt. Die Täuschung des Betrachters – an die Echtheit der Aufnahmen zu glauben, fällt nicht schwer – ist ebenfalls einkalkuliert.

Durchmischung der Disziplinen

„Ich interessiere mich sehr für Architektur“, gibt Bernard Vienat zu. Was bringt einen angehenden Kurator dazu? Architekturausstellungen, wie zum Beispiel die Venedig-Biennale, seien spannend kuratiert und bisweilen technisch aufwendiger als vergleichbare Kunstereignisse. Dort würden konkrete gesellschaftliche und urbanistische Fragen verhandelt, sagt Vienat. Manchmal könne man keinen Unterschied mehr zwischen Kunst und Architektur erkennen. Die wahrscheinlich längst fällige Annäherung und Durchmischung der Disziplinen probt man jetzt an der Städelschule.

Iulia Nistor, Evidence L8 W3 A6