Im Neu-Isenburger Projektraum KunstVoll werden ab 13. November Fotos aus dem mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiet ausgestellt.

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten? Robert Funcke schon. Er sitzt hinter dem Schreibtisch seines Projektraums KunstVoll in Neu-Isenburgs belebtester Einkaufsstraße und wartet auf eine Skulptur des mexikanischen Künstlers José Dávila. Die Arbeit aus Glas und Beton ähnelt einem Stück Grenzmauer und soll in Kürze aus Funckes Kölner Kunstlager angeliefert werden. Funcke ist Sammler mit dem Schwerpunkt Lateinamerika – und gelernter Kaufmann.

„Ich bin kein Gale­rist. Davon gibt es schon so viele gute."

2009 verkaufte er seine Firma für Gebäudetechnik, um sich ganz der Kunst zu widmen. „Das war eine Bauchentscheidung, wie so vieles in meinem Leben“. Eigentlich wollte Funcke in Neu Isenburg eine Kunsthalle eröffnen. Der Projektraum, ein ehemaliger Friseursalon, sollte lediglich in der Übergangszeit bis zum Bauende bespielt werden. „Der Plan hat sich inzwischen zerschlagen“, erzählt Funcke. Die Kunsthalle wird nicht gebaut. Wenn sein Projektraum wieder schließt, will er mit Museumsausstellungen weitermachen. „Ich bin kein Galerist. Davon gibt es schon so viele gute." 

José Dávila, Joint Effort, Copyright the artist

Die mauerähnliche Skulptur mit dem Titel „Joint Effort“, auf deren Ankunft Funcke mit uns zusammen bei einer Tasse Espresso wartet, ist Teil der Foto-Ausstellung „So far from God“, die am 13. November um 19 Uhr eröffnet. Ebenso wie die schwarze Zick-Zack-Linie, die rundherum auf den Wänden im Projektraum KunstVoll prangt, spielt die Skulptur auf den Grenzzaun zwischen Mexiko und den USA an.

Eine zwei­fel­haf­te Norma­li­tät 

Es ist nicht ganz falsch zu sagen, dass dieser Zaun im Mittelpunkt sämtlicher Fotos von David Maung und Francisco Mata Rosas steht – auch wenn er de Facto auf vielen Bildern gar nicht auftaucht. Die beiden mexikanischen Fotografen zeigen, wie sich die Bevölkerung im Grenzland auf beiden Seiten wohl oder übel mit der Barriere arrangiert hat. Sie ist zu einer zweifelhaften Normalität geworden. 

Robert Funcke in seinem Projektraum KunstVoll

Während einige Fotos auf Probleme wie Grenztote oder den Drogenkrieg Bezug nehmen (man sieht zum Beispiel Grabkreuze oder einen Mann mit einer Spritze im Mund), wirken andere Motive eher optimistisch: Ein Pärchen küsst sich selbstvergessen in einem Musikcafé der Grenzstadt Tijuana an der Ostküste. Zwei Liebende tauschen beim Besuch der Begegnungsstätte Friendship Park durch eine Lücke im Zaun eine innige Umarmung aus. Vier Gefängnisinsassinnen machen sich für einen Schönheitswettbewerb zurecht und halten stolz ihre eleganten Schuhe in die Kamera.

Einer­seits ist das natür­lich Ausbeu­tung

Man sieht Arbeiter bei der Melonenernte in Arizona. Oder Frauen, die selbstbewusst vor einem Panasonic-Werk posieren. „Das mexikanische Grenzgebiet gehört zu den vergleichsweise wohlhabenderen Landesteilen, weil viele Menschen dort Arbeit haben“, erzählt Robert Funcke. „Für Erntehelfer ist es relativ einfach, ein Sondervisum für die USA zu bekommen. Auf mexikanischer Seite haben internationale Konzerne Fabrikhallen errichtet und lassen dort zum Beispiel Elektroteile oder Medizintechnik endmontieren. Einerseits ist das natürlich Ausbeutung. Aber man darf auch nicht vergessen, dass anderswo noch viel schlechtere Löhne gezahlt werden oder es erst gar keine Arbeitsplätze gibt.“ 

David Maung, Border reunion, Tijuana, B.C. Mex., 2008

„Das Thema Grenzland war noch nie so aktuell wie heute“, sagt Funcke. Auf einem von David Maungs Fotos sieht man zwei Schlepper auf einer Bergspitze über dem nächtlichen Tijuana stehen und die Aktivitäten der Grenzschützer ausspähen. Natürlich muss man sofort an die aktuelle Situation in Europa denken. Auch hier gibt es Orte, an denen Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind, Mauern in den Weg gestellt bekommen. „Einige der Texte, die David zu seinen Fotos geschrieben hat, lassen sich eins zu eins auf Europa übertragen“, sagt Robert Funcke. „Zum Beispiel die Aussage, dass ein Zaun niemanden aufhält. Er macht bloß die Flucht schwerer und sorgt dafür, dass mehr Leute sterben.“

Francisco Mata Rosas aus der Serie La línea