Der Künstler Michael Pfrommer zeigt eine neue Werkserie in der Frankfurter Galerie PPC.

Neugier lockt den Galeriebesucher, wie ein weißes Kaninchen, in einen Raum mit Türen: Plötzlich findet er sich an einem Ort voller Eventualitäten. Jede der Türen führt ihn in eine andere Welt, doch immer in den Kosmos Michael Pfrommers. In der Galerie Philipp Pflug Contemporary wird bis 9. Juli eine komplett neue Werkgruppe Michael Pfrommers zu sehen sein: Gouache auf Holztür. Zum Teil haben die Türen A- und B-Seiten, wie bei Vinylplatten. Pfrommer ist Jahrgang 1972 und wurde in Leonberg geboren. Er lebt und arbeitet in Frankfurt und studierte an der Städelschule.

Eine dieser Türen führt in einen Wald. Pilze mit violetten Lamellen sind zu sehen. Sie wuchern von einem wuchtigen Baumstamm. Ihre Schirme scheinen den kleineren, roten Kollegen Schutz zu bieten. Rechts ragen gelbe und blaue Pilze ins Bild hinein. Und über der ganzen Szenerie hängt schwer und grünsilbern ein Vollmond. Die Gouache ist nicht fixiert und hat eine strahlende Farbigkeit. Was den Pilzen für Eigenschaften innewohnen bleibt dem Betrachter verborgen. Auf der anderen Seite der Tür sieht man unentschlossen tänzelnde Füße in Strümpfen. Man weiß nicht, ob sie die massive Treppe hinauf oder hinuntertänzeln. Dabei verdrehen sie sich in schmerzhaft unnatürliche Winkel – fast scheinen sich darin keine Füße zu befinden.

Die Holztür ist ein neues Medium

Wer Pfrommers Oeuvre kennt, kennt das Motiv: Kleidungsstücke, mit großer Vorliebe Strümpfe, die halb angezogen, halb leer sind. Die trägerlose Kleidung scheint, obwohl sie nur eine Hülle ist, ein Eigenleben zu führen. Hin und wieder schimmern an der Kleidung Adern durch. Oder ist es doch nur die Naht einer Hose, die sich verselbständigt?

Michael Pfrommer, Ohne Titel, Vorder- und Rückseite (re.) einer Tür, 2016, Foto: Wolfgang Günzel, Offenbach

Die Kleidungsstücke sind betonte Fläche, genauso wie die Türen. Bei der Gouache scheint mal mehr, mal weniger die Maserung der Holztür durch. Die Kassette in der Tür irritiert kurz den Blick des Betrachters, der die Ebenen nicht zuzuordnen weiß. Pfrommers Wahl auf den Bildträger fällt immer bedacht. Früher fertigte er Aquarelle an, die er auf ein genormtes Blatt seines Zeichenblocks malte. Diese klebte er dann mehrblättrig auf eine Leinwand. Auch malte er eine Zeitlang auf Zeitungen. Die Holztür ist für den Künstler ein völlig neues Medium. Doch immer greift Pfrommer auf ein Format zurück, das es schon gibt.

Die Berge am Horizont

Ist die Tür Teil des Bildes oder umgekehrt? Pfrommer spielt gerne mit diesem doppelten Boden. Die Ebene des Motivs verschränkt sich mit der Ebene des Bildträgers. Wie zum Beispiel bei der Tür „See/Stall“. Auf der B-Seite der Tür ist eine Stalltür aufgemalt. Grelles Sonnenlicht scheint durch die Holzlatten der Stalltür hindurch. Öffnet man die Tür und schaut auf die andere Seite, blickt man auf eine Seelandschaft in der sich die Berge am Horizont spiegeln. Am oberen Himmel wird der Blick jedoch von einer roten Markise versperrt. Seine Arbeiten sind nicht selten frei von Ironie.

Michael Pfrommer, Ohne Titel, Vorder- und Rückseite (re.) einer Tür, 2016, Foto: Wolfgang Günzel, Offenbach

Das spiegeln auch seine Zeichnungen im ersten Stock wieder. Dort ist ein beschuhter Männerfuß zu sehen, wie er an einem Rewe Supermarkt vorbeiläuft. Doch die Proportionen stimmen nicht, der Mann muss ein Riese sein. Füße mit halbangezogenen Strümpfen, die unter einer Decke hervorlugen. Doch die Decke ist eigentlich ein Meer, in dem am Horizont die Sonne untergeht. Pfrommers Welten sind subtil surreal. Der Moment der Erkenntnis pirscht sich leise und von hinten an den Betrachter heran.

Das Geheimnis der Türen

Der Betrachter hingegen sollte idealerweise nicht durch die Ausstellung jagen. Stattdessen sollte er sich zuerst im Erdgeschoss die Türen anschauen und dann über die Treppe hinauf in den ersten Stock gehen, um sich die über ein Dutzend Zeichnungen anzuschauen. Dort wird er einen Text von Pfrommers Frau finden, der Künstlerin Adrian Williams. Darin erzählt sie eine sehr persönliche Anekdote aus dem Leben des Künstlers, die ein wenig das Geheimnis um die Türen lüftet. Daraufhin geht der Besucher wieder in das Erdgeschoss, schaut sich noch einmal die Türen an und verlässt dann die Galerie.

Michael Pfrommer, Ohne Titel, Zeichnung, 2016, Foto: Wolfgang Günzel, Offenbach
Michael Pfrommer, Ohne Titel, Zeichnung, 2014, Foto: Wolfgang Günzel, Offenbach