Sie sind faszinierend und abschreckend zugleich: Eine Ausstellung im Museum Angewandte Kunst folgt den Spuren von Waffen in Kunst, Mode, Design und Alltagskultur.

Eine Weihnachtsbaumkugel in Form einer Handgranate: Wirklich geschmackvoll war es zu keiner Zeit, sich so ein Accessoire an die Tanne zu hängen. Aber vor zwei, drei Jahren hätte man die Kugel vielleicht noch als ironische Anspielung auf die alljährlichen Familienkräche verstehen und darüber schmunzeln können. Heute fällt das schwerer. Mitten in Europa kommt es immer wieder zu Attentaten, Terroranschlägen, Amokläufen. Mit Maschinengewehren bewaffnete Polizisten sind in europäischen Hauptstädten kein exotischer Anblick mehr. „Vor diesem Hintergrund bekommt ein Gegenstand wie die Handgranaten-Weihnachtskugel eine ganz andere Bedeutung. Was witzig gemeint war, wirkt jetzt makaber oder fragwürdig. Durch die reale Bedrohung verändert sich etwas in der Wahrnehmung – und das ist eigentlich das Interessante“, sagt Matthias Wagner K, Direktor des Museums Angewandte Kunst in Frankfurt.

James Piatt, Pursuader, 2007, Foto: James Piatt, © James Piatt

Gemeinsam mit Ellen Blumenstein, ehemalige Chefkuratorin des KW Institute for Contemporary Art in Berlin, und dem Philosophen und Kurator Daniel Tyradellis kuratiert er die Ausstellung „Unter Waffen. Fire & Forget 2". Sie ist eine Erweiterung und Ergänzung der Schau „Fire & Forget. On Violence“, die im vergangenen Jahr in den Berliner KW gezeigt wurde und die sich mit der Frage beschäftigte: Wie werden Waffen und Gewalt in der zeitgenössischen Kunst verhandelt und reflektiert?

Was steckt dahinter?

Matthias Wagner K hat die Ausstellung gesehen, fand sie gut – und da er bereits intensiv darüber nachgedacht hatte, eine Schau zum Thema in seinem Haus zu machen, außerdem Blumenstein und Tyradellis kennt und schätzt, entstand die Idee „Fire & Forget“ zusammen für das Museum Angewandte Kunst durchzuspielen. „Waffen üben eine ambivalente Faszination aus. Einerseits sind sie bedrohlich, andererseits spannend, und manchmal verkörpern sie auch eine Form von Erotik. Die Waffen- und Gewaltsymbole in Design, Mode und Alltagskultur nehmen zu. Und auch in der Kunst ist das Thema präsent. Wir haben uns gefragt: Was steckt dahinter? “, erzählt Matthias Wagner K.

Matthias Wagner K, Foto: Museum Angewandte Kunst, Frankfurt
Clara Ianni, Natureza morta ou estudo para ponto-de-fuga (São Paulo), 2010-2011, Private collection Lima, Peru, © Clara Ianni

In der neuen Ausstellung wird Kunst und Design einander gegenübergestellt. Die Ausstellungsarchitektur ist der von Waffen- und Kunstmessen nachempfunden. Präsentiert werden in dem Parcours Parfumflakons in Handgranatenform von Viktor & Rolf, Philippe Starcks vergoldete Pistolen-Lampen, Bomberjacken von Helmut Lang, Waffen-Dildos und afghanische Teppiche mit Waffenmotiven. Außerdem Kunstwerke, die bereits in Berlin zu sehen waren und andere, die neu hinzugekommen sind.

Abgeschreckt und fasziniert zugleich

Schon bei der ersten Ausgabe dabei war eine Videoarbeit der deutschen Künstlergruppe Neozoon, die private Filme amerikanischer Jäger zusammengeschnitten hat: Man hört das Flüstern und Stöhnen der Jäger, die Schüsse, sieht die toten Tiere. Der Betrachter ist abgeschreckt und fasziniert zugleich.

Timur Si-Qin, Axe Effect, 2011, Foto: Uli Holz, © Timur Si-Qin

 

Ives Maes hat Tretminen entwickelt, die sich selbst kompostieren und aus denen irgendwann Mohnblumen wachsen. „Das ist eine sehr spezielle Reflexion, bei der die Frage der Nachhaltigkeit hineinspielt. Da fragt man sich natürlich: Ist es überhaupt legitim oder einfach nur zynisch sich auf diese Art und Weise mit einer so furchtbaren Waffe auseinanderzusetzten? Aber das sind genau die Reflexionenpotentiale, die sich in der Kunst finden“, sagt Matthias Wagner K.

Kunst und Gewalt

Die südamerikanische Künstlerin Clara Ianni zeigt Metallplatten, auf die mit Munition geschossen wurde, die von der Berliner Polizei genutzt wird. An den Abdrücken sieht man ganz deutlich, wie die unterschiedlichen Kugeln wirken und welche Kraft sie auf einen Körper haben. „Kunst kann die Gewalt sichtbar machen. Das unterscheidet sie vom Design“, sagt Matthias Wagner K, „durch die Gegenüberstellung mit Kunst in der Ausstellung bekommen die präsentierten Designobjekte eine neue Bedeutung.“

Gonçalo Mabunda, Untitled Throne, 2015, Demilitarisierte Waffen, © Jack Bell Gallery, London