Fotografien von Ryan McGinley waren in der SCHIRN gerade noch in der Ausstellung „Privat“ zu sehen. Die Frankfurter Galerie Bischoff Projects zeigt nun mit „Runnig Water, What Are You Running From?“ einen neuen spektakulären Werkzyklus des Künstlers.

Die Galerie ist rappelvoll. Und alle warten. Ryan McGinley kommt direkt aus Los Angeles, sein Flug hat über drei Stunden Verspätung. Als er schließlich eintrifft, sind mehr als zehn Kästen Bier längst ausgetrunken. Ryan McGinley sieht blendend aus, schüttelt Hände, hält Smalltalk, signiert Fotobücher. Eine düstere Lichtgestalt. Er trägt Schwarz, Chucks, eine zerschlissene Lederjacke. Sein Gesicht ist bleich, seine Hände sind riesig. Man könnte ihn sich gut vorstellen als Hauptfigur in einem Film von Sofia Coppola. Oder von Michelangelo Antonioni.

Ryan McGinley ist zurzeit einer der absoluten Superstars der Fotografie. Sein Werk wird in einer Reihe mit Larry Clark, Nan Goldin oder Wolfgang Tillmans genannt. Das renommierte American Photo Magazine kürte ihn schon 2003 zum „Photographer of the Year“. Als er, ebenfalls 2003, seine erste Einzelausstellung im Whitney Museum hatte, war er gerade einmal 25 Jahre alt.

Dass die junge Frankfurter Galerie Bischoff Projects (die als Untermieter von Martina Detterers Galerie in der Hanauer Landstraße gerade mal eine kinderzimmergroße Ausstellungsfläche bespielt) nun die neusten Arbeiten von McGinley zeigt, den Künstler in Deutschland sogar exklusiv vertritt, kann man getrost eine Sensation nennen. Fünf großformatige Bilder werden präsentiert, dazu eine Collage aus Fotografien im Postkartenformat.

Perfekte Bilder, trotzdem niemals „glatt“

McGinleys Motiv sind (wie immer) nackte, junge, hübsche Menschen. Doch wie er diese Menschen auf den neuen Bildern in Szene setzt, unterscheidet sich mittlerweile stark von früheren Arbeiten des Künstlers. Wo bislang der Eindruck von spontaner Dokumentation vorherrschte, wo die Bilder wie Schnappschüsse von ausschweifenden Reisen wirkten, sieht man nun sorgfältig komponierte Landschaften in leuchtenden, starken Farben. Es sind Bilder, die einen atemlos machen, über die man einfach staunen muss.

Da schwimmen zwei Wesen, zwei Frauen (oder ist es doch ein sehr androgyner Mann?) durch rotfarbenes Wasser, ziehen eine Spur aus Wellen. Da sieht man einen Körper auf hoher Leiter am Meeresrand, der den Mond ansieht. Da tauchen zwei mit Schwung aus dem Wasser auf und küssen sich, während die Bäume im Hintergrund verschwimmen. Perfekte Bilder, die trotzdem niemals „glatt“ sind.

Seine Bilder zeigen das andere, das subversive Amerika

Die Idee hinter McGinleys Inszenierungen von nackten Körpern könnte man als Feier der Andersartigkeit, als Hymne an das Subversive beschreiben. Da zeigt einer mit Bildern eine Utopie, träumt von einem Leben jenseits der Konventionen. McGinley ist natürlich ein Kind der amerikanischen Subkulturen. Er ist schwul, er ist der Skateboard-Kultur verbunden, er war Teil der „Bowery School“ um Künstler wie Dash Snow oder Dan Colen.

McGinley hat aber auch die bedrückende Enge und die Bigotterie der Vorstädte kennengelernt. Aufgewachsen ist er in einer Kleinstadt in New Jersey, er war das jüngste von acht Kindern. In einem Gespräch mit Larry Clark berichtete er davon, wie einer seiner Brüder, der an AIDS erkrankt war, nach Zuhause zurückkehrte. Eine Rückkehr, um zu sterben. Doch dieses Sterben musste heimlich stattfinden. Die Nachbarn, das Umfeld sollte nicht mitbekommen, was passiert war. Gegen dieses Schweigen fotografiert McGinley bis heute an. Seine Bilder zeigen das andere, das subversive Amerika – nicht, indem sie es abbilden oder dokumentieren, sondern indem sie es stilisieren und überhöhen.

Nach der Ausstellungseröffnung hielt Ryan McGinley noch Hof in der Freitagsküche, die Michael Riedel betreibt, ein weiterer Künstler, der bei Bischoff Projects ausstellt. An einer langen Tafel saßen die Gäste der Galerie, in der Mitte thronte McGinley. Man musste in diesem Moment ganz automatisch an Leonardo da Vincis berühmtes „Abendmahl“ denken. Ryan McGinleys Jünger, das sind die Hipster, die Freaks und die Künstler.