Das Architekturmuseum zeigt den Architekten Otto Apel, der die kosmopolitische Frankfurter Silhouette maßgeblich geprägt hat. Seine Gebäude stellen uns heute vor die Frage: Was ist guter Stil?

Es fällt einigermaßen schwer, sich die Stadtlandschaft ohne diesen Architekten vorzustellen: Otto Apel, 1906 in Vattenrode geboren und 60 Jahre später in Frankfurt gestorben, hat die Nachkriegsstadt in ihrer architektonischen Topografie geprägt wie kein zweiter.

Die Liste der Bauprojekte, die Apel selbst oder später auch das Team von ABB realisierte, umfasst über 40 Positionen: Sie reicht von seinem eigenen Wohn- und Bürohaus, in dem heute der Börsenverein des Deutschen Buchhandels residiert, über das einstige Haus der Elektrotechnik bis zu den Städtischen Bühnen mit ihrem weithin sichtbaren Foyer, und sie endet noch lange nicht bei den ikonischen Hochhäusern, die Frankfurts Silhouette lange Zeit zur einzig wirklich urbanen in der Bundesrepublik machten.

Architektur gegen Angst

Deutsche Bundesbank, das Hotel Intercontinental, Dresdner Bank – und für die Commerzbank übernahm man, wie für etliche andere Projekte auch, die detailreiche Innenausstattung. Andere Projekte wie das Nord-West-Zentrum waren zu ihrer Entstehungszeit regelrechte Sensationen: „Das eingepflanzte Herz schlägt!“ titelte die Fachzeitschrift „Beton Prisma“ 1970 über das 1968 fertiggestellte Einkaufslabyrinth, das von den Bewohnern des Viertels offenbar gut angenommen wurde.

ABB, Schauspiel Frankfurt am Main \ 1963 Foto: Ulfert Beckert

Oft erst auf den zweiten Blick offenbaren die Betonbauten ihre Eleganz, wie Kuratorin Sunna Gailhofer erklärt: Alle sind sie gut proportioniert, alle zeichnen sich durch eine konsequente Linienführung und architektonische Lösungen aus, die neben der Außenhülle in vielen Fällen auch das Interieur mitdenken. Großflächige Fensterfassaden sind typisch für etliche Gebäude. Die Leerstelle wurde bei ABB mitgeplant, auch der Zwischenraum in Form von Innenhof oder Terrasse gestaltet. Im Klinikum Höchst etablierte man schon in den frühen 1960er-Jahren eine architektonische Lösung gegen Krankenhausangst – die führte den Besucher nicht direkt ins Gebäudezentrum, sondern zunächst in ein lichtdurchtflutetes Atrium mit Blick aufs Wasserbecken.

Von Amerika lernen

Nach seiner Lehre in einem Architekturbüro studierte Otto Apel in Kassel und Berlin, später arbeitete er unter NS-Architekt Albert Speer und plante unter anderem an der Reichskanzlei mit. Speer war ein Studienfreund, Apel nie Mitglied der NSDAP – trotzdem: Wie er die allein architektonische 180-Grad-Wende vollzog, bleibt eine biografische Leerstelle. Fest steht, dass Apel seit den 1950er-Jahren an der Neugestaltung Frankfurts mitwirkte, bis er 1961 zusammen mit Hansgeorg Beckert und Gilbert Becker die Frankfurter ABB gründete, das zwischenzeitlich bis zu 200 Mitarbeiter beschäftigte. Als das ABB Architektenbüro nach über 40 Jahren „sang- und klanglos“ geschlossen wurde, wie Direktor Peter Cachola Schmal formuliert, geriet dessen Nachlass irgendwann in die Hände des Deutschen Architekturmuseums.

ABB, Hotel Intercontinental, Frankfurt am Main \ 1963 Foto: Ulfert Beckert
ABB, Deutsche Bundesbank Frankfurt am Main \ 1972 Foto: Ulfert Beckert

Er bestand in erster Linie aus Schwarz-Weiß-Fotografien, die Ulfert Beckert in den späten 50er- bis in die frühen 70er-Jahre von den jeweiligen Gebäuden angefertigt hatte. Aus den über 40 Bauprojekten, die Otto Apel und sein Architekten-Team allein in Frankfurt im Laufe der Jahrzehnte realisiert haben, fokussiert sich die Ausstellung ganz auf diesen vergleichsweise kleinen, aber nicht minder beeindruckenden Abschnitt.  Apel und seine Kollegen waren enorm produktiv, ein Vorhaben nach dem anderen konnte realisiert werden – die effiziente Arbeitsweise hatte man sich in Amerika bei den riesigen Büros abgeschaut.

Bewacht von einer Löwenstatue

Zwischen den Archivaufnahmen geben Farbaufnahmen des Berliner Fotografen Eike Laeuen Einblick in den Status quo: Im Nordwestzentrum, das mehrmals zwischenzeitlich saniert und umgestaltet wurde, prangt heute ein bekanntes Supermarkt-Logo am Beton, und im Interconti, einst berühmtes Aushängeschild der kosmopolitischen Frankfurter Eleganz, zeigt sich eine eher traurige Variante des omnipräsent zeitgenössischen Großhotel-Einheitsinterieurs.

ABB, Lufthansa-Wartungshalle V, Frankfurt am Main \ 1972 Foto: Ulfert Beckert

Manche Kombination aus Bausubstanz und heutiger Nutzung ergibt eine irgendwie niedliche Koexistenz: Wie das einstige Haus der Elektrotechnik, dessen berühmtestes architektonisches Aushängeschild, die gefalteten statt glatten Stahlplatten, nur dem knappen Budget geschuldet waren und das heute das Chinesische Generalkonsulat beherbergt, bewacht von einer traditionellen Löwenstatue. Andere Gebäude wurden zwischenzeitlich unter Denkmalschutz gestellt, haben noch im letzten Jahr einen bedeutenden Architekturpreis gewonnen oder wurden, wie das IBM-Hochhaus, erst vor kurzem abgerissen. So wirft die Ausstellung grundsätzliche Fragen auf: Was ist guter Stil, was gute Architektur – und wie kann man beide über die Zeit retten? Warum und wann soll man überhaupt?

Denkmalschutz und Abrissbirne

 „Bühnen, Banken, Flugzeughallen“ passt nicht nur gut in eine Zeit, in der Charme und Qualitäten der zwischenzeitlich so verschmähten Nachkriegsarchitektur wiederentdeckt werden. Die Schau weist über sich hinaus in die Zukunft, jene Noch-nicht-Zeit, der man in den Bauten Otto Apels und der ABB-Architekten mit „einer Art ruhigem Optimismus“ begegnete: Im Herbst wird das DAM die Ergebnisse seines SOS Brutalismus-Projekts in einer Ausstellung präsentieren, die Beton-Dramaturgie geht also weiter. Und aktuell steht auch die Zukunft der Städtischen Bühnen zur Debatte, zumindest in ihrer ganz konkreten Form: Um das Bauwerk in seinem ursprünglichen Zustand zu renovieren, müsste viel Geld in die Hand genommen werden; ein Neubau käme die Stadt deutlich günstiger. Ob diese Kosten begründet respektive gewollt sind oder nicht, wird eine politische Entscheidung sein. Dass Denkmalschutz und Abrissbirne oft nur einen Hauch voneinander entfernt liegen, auch davon erzählt diese Ausstellung.

ABB, Dresdner-Bank-Hochhaus, Frankfurt am Main \ 1980 Foto: Robert Göllner