Vier junge Medienkünstler aus dem Iran zeigen ihre Arbeiten in einer ehemaligen Videothek im Frankfurter Nordend.

Auf dem Bildschirm: Eine junge Frau und ein junger Mann in Rückenansicht. Er nur in Badehose, sie mit einem Badetuch umwickelt. Zwei Drinks stehen neben ihnen und eine Schale mit Früchten. Meeresrauschen dringt aus den Kopfhörern. Eine Urlaubsszenerie, so scheint es. Doch blicken die beiden Figuren auf ein undurchdringliches, sattes Grün, und auch der Boden ist grün. Sie sind von einem „Greenscreen“ umgeben, auf den sich nachträglich beliebiges Bild- und Filmmaterial montieren lässt. Das Video „View“ der 1992 geborenen iranischen Künstlerin Shirin Mohammad illustriert, wenn man so will, die Ungewissheit der Zukunft in ihrem Land – womöglich bezogen auf die sogenannte "Grüne Revolution".

Iran hat seit 2013, in der Amtszeit von Präsident Hassan Ruhani, eine graduelle Öffnung erfahren. Die dortige Kunstszene habe davon profitiert, sagt Mariam Kamiab. Die Frankfurter Kunstgeschichtsstudentin verbrachte 2016 ein Auslandssemester in Teheran. Ihre Kommilitoninnen Larissa Scheidt und Laura Wünsche besuchten Kamiab dort. „Wir waren überrascht von der Fülle der Galerien und von der Offenheit der Künstler“, erzählt Laura Wünsche. Es gebe in Iran aber nicht viele Off-Spaces, fügt Mariam Kamiab hinzu. Nun zeigen Kamiab, Scheidt und Wünsche unter dem Titel „Mixed Realities“ Arbeiten von vier jungen iranischen Medienkünstlern.

Binnen weniger Monate organisiert

Die Künstler der Ausstellung, allesamt zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig, wählten die Kuratorinnen über lokale und internationale Kontakte und Empfehlungen sowie über Instagram aus. „Das ganze Leben und die ganze Kunst in Teheran spielen sich auf Instagram ab“, sagt Mariam Kamiab. Bewusst haben sich Kamiab, Scheidt und Wünsche für Medienkunst entschieden. Zum einen soll so der Ausstellungsort, eine ehemalige Videothek im Frankfurter Nordend, einbezogen werden. Auch spielten pragmatische Transportgründe eine Rolle. Die Schau wurde binnen weniger Monate organisiert.

Shirin Mohammad, View, Video Still, 2015 (c) Shirin Mohammad
Shirin Mohammad, Rainbow, Video still, 2015 (c) Shirin Mohammad

Shirin Mohammad präsentiert darin mit „Rainbow“ eine weitere Videoarbeit. Im Mittelpunkt steht eine Dreikanalprojektion. Zu sehen sind ein Mann und eine Frau, die sich, am Fenster sitzend, gegenseitig mit kleinen Spiegeln blenden. Eine denkbar schlichte filmische Versuchsanordnung, die dennoch den Blick fesselt. Zur Installation gehört ein weiterer Bildschirm, der einen künstlichen Regenbogen zeigt. „Open Wounds“ heißt das Video der 1982 geborenen Künstlerin Simin Yaghoubi. Auf einem Fernseher laufende Filmaufnahmen einer Geburtstagsfeier aus ihrer Kindheit überklebt Yaghoubi mit Pflasterstreifen. Die „Wunden“ einer Kindheit in Iran der achtziger Jahre werden so gleichsam geschlossen. Die Filmaufnahmen schimmern unterdessen durch die Pflasterstreifen hindurch.

Surreal und rätselhaft

Der Videokünstler Siavash Nagshbandi, Jahrgang 1987, zeigt die interaktive fotografische Installation „Flow“. Auf einem Bildschirm sind Fotofragmente zu sehen, die sich je nach Position des Betrachters verschieben. Es sind Straßenansichten von Teheran. Der dortige Autoverkehr ist ebenfalls Nagshbandis Thema. Mit zehn Fotografien der Serie „Southpole“ ist der 1984 geborene Künstler Morteza Niknahad in der Schau vertreten. Die Aufnahmen sind stark inszeniert und wirken surreal und rätselhaft. Sie scheinen eine geheime Sprache zu sprechen, die sich dem uneingeweihten Betrachter nicht erschließt. Immer wieder wiederholen sich auf den Fotos einzelne Elemente. Man begegnet einer älteren Frau in einem roten Kleid und einem Porträtgemälde von ihr.

Simin Yagoubi, Open Wounds, Video still, 2014 (c) Simin Yaghoubi
Siavash Naghshbandi, Flow, Interactive Installation, 2015 (c) Siavash Naghshbandi

Das Geschehen spielt sich immer wieder in einem blau gestrichenen Raum ab. Die Gegenstände und Möbel sind zuweilen mit Plastikfolie bedeckt. Niknahads Fotografien, aber auch einige Videoarbeiten, lassen sich durch die durchgängige Glasfassade des Ausstellungsorts von außen betrachten. Die Schau ist unter der Woche ausschließlich bei geschlossenen Türen von der Straße zu besichtigen. Die Kuratorinnen setzen bewusst auf die Offenheit gegenüber der Straße und den Passanten. Irans zaghafte Öffnung der letzten Jahre sei indes „keine beständige Konstante“, sagt Mariam Kamiab. Im Mai 2017 finden dort Präsidentschaftswahlen statt, deren Ausgang sich auch auf die Kunstszene auswirken könnte.

Morteza Niknahad, South Pole Series, 2016, (c) Morteza Niknahad