In Frankfurt eröffnet eine neue Galerie für junge Kunst – die „Filiale“. Zum Auftakt zeigt der Bildhauer und Städelabsolvent Martin Kähler seine Arbeiten.

Der Raum für junge Positionen, den die Frankfurter Galerie Bärbel Grässlin in der Stiftstraße eröffnet, ist nicht etwa ein „Off-Space“ und auch kein „Projektraum“. „Es gibt in Frankfurt zwar spannende Off-Spaces, aber nicht so viele Galerien für junge Kunst“, sagt Marina Rüdiger. Der Raum ist in erster Linie eine Filiale der Galerie Grässlin, und so heißt er auch. Bärbel Grässlin, Marina Rüdiger und Klaus Webelholz, ein Teil des Teams der Galerie in der Schäfergasse, organisieren die „Filiale“. Dort werde experimenteller gearbeitet werden können, kündigt Rüdiger an. Es sei ein langfristiges Vorhaben. Ein fester Stamm an Künstlern hat sich noch nicht herausgebildet.

Martin Kähler bei Filiale, Foto: Eugen El, SCHIRN MAGAZIN, 2016

Zum Auftakt bespielt der Bildhauer Martin Kähler die ehemaligen Büro- und Ladenräume in der Stiftstraße, einer Seitenstraße der Einkaufsmeile Zeil. Der Ausstellungsraum ist eine Herausforderung. Es stehen zwei Etagen zur Verfügung. Die Decke ist großzügig verglast. Gegliedert und dominiert wird der Raum von einer überdimensionalen Treppe in der Mitte. Martin Kähler zeigt dort eine Auswahl an Skulpturen. 2016 hat Kähler sein Studium an der Städelschule bei Tobias Rehberger beendet. Zuvor studierte der Deutschitaliener an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam.

Sprezzatura – die scheinbare Lässigkeit

Martin Kählers Ausstellung ist „Ridotto al massimo“ betitelt. Aus dem Italienischen übersetzt heißt das „Auf das Maximum reduziert“. Der Titel illustriert Kählers Arbeitsweise. Es gehe ihm um „eine simple, minimale Sache mit einem maximalen outcome“, erzählt der Künstler. Er arbeitet viel mit vorgefundenen Materialien und Resten aus seiner direkten Umgebung. So geht Kähler beispielsweise auf Schrottplätze, um dort nach geeignetem Material für seine Kunst zu suchen. Die Fundstücke bezeichnet er als einen „Startpunkt“. „Die Arbeiten entstehen im Studio“, erzählt Kähler. „Die eigentlichen Entscheidungen werden jedoch außerhalb des Ateliers gefällt“, ergänzt er.

Martin Kähler bei Filiale, Foto: Eugen El, SCHIRN MAGAZIN, 2016
Martin Kähler bei Filiale, Foto: Eugen El, SCHIRN MAGAZIN, 2016

In der „Filiale“ zeigt Martin Kähler unter anderem eine Skulptur, die aus einem massiven, alten, teils rostigen Eisen-Schwerlastenregal und einer darin verkeilten, hochpolierten Kupferstange besteht. Formale Spannung zeichnet die Arbeit aus. Es stehen sich klare, schlichte Gegensätze wie alt und neu, leicht und schwer gegenüber. Kähler vermeidet es zumeist, mit Schrauben oder mit Kleber zu arbeiten. Seine Skulpturen wirken daher auf den ersten Blick beiläufig zusammengesetzt. Für diese scheinbare Lässigkeit, hinter der in Wirklichkeit oft akribische Arbeit steckt, verwendet man bisweilen den italienischen Begriff „sprezzatura“. Auch im Gespräch mit Kähler fällt dieses Wort.

Ein Ringen um Balance

Die schweren Erdbeben, die sich seit Ende August 2016 in Mittelitalien ereigneten, lieferten Martin Kähler Anregungen für weitere Arbeiten, die in der „Filiale“ zu sehen sind. Bekannte schickten ihm Fotografien aus den von den Erdstößen getroffenen Gebieten. Die Wirkung war paradox: „Diese Ruinen und der Schutt hatten etwas, was mich gereizt hat.“ Als Beispiel nennt Kähler einen eigentümlichen rosa Staub über den Trümmern einer Kirche, der von den zerstörten Fresken kam. In der Folge entwickelte Kähler eine Reihe fragiler Skulpturen aus Gittern, Gipsguss und Pigmenten. Zum Teil ist das zur Formgebung verwendete Werkzeug – eine Eisenstange – ebenso sichtbar wie der Abdruck des Atelierbodens im Gips.

Künstler Martin Kähler, Foto: Galerie Bärbel Grässlin
Martin Kähler bei Filiale, Foto: Eugen El, SCHIRN MAGAZIN, 2016

Auf einigen Skulpturen finden sich Fragmente und Bruchstücke aus dem Atelier. Ein Bündel von Kupferstangen hat Martin Kähler mit Gips übergossen – „eine Zufallskomposition“. Gips und Beton seien ganz einfach zu bearbeiten, berichtet der Künstler. Es sei ihm wichtig, „unmittelbar auf Sachen zu reagieren“. Trotz aller scheinbaren Beiläufigkeit und Zufälligkeit ist Kählers Arbeiten eine schon fast klassische Auffassung von Bildhauerei eigen. Mit einfachen Mitteln entfacht er ein Spiel von Gegensätzen und ein Ringen um Balance.