Im Frankfurter Hotel Le Méridien verarbeiten die Städelschüler Ben Clement, Anders Dickson und Vera Palme mit ihrer Ausstellung „Permanent Tourist“ das Fremdsein.

Zugegeben, es ist ein unangenehmes Gefühl – überall fremd zu sein, nie irgendwo wirklich anzukommen – als wäre man ein Tourist im eigenen Leben. Diesem sehr gegenwärtigen, sehr globalisierten Gefühl spürt jetzt eine Ausstellung im Frankfurter Hotel Le Méridien nach. Hotels sind Orte des Transits, des kurzen Aufenthalts. Oft ist die Kunst dort harmlos, oft wird sie nur flüchtig wahrgenommen. Im Le Méridien wollen die Kuratoren Line Ebert, Franz Hempel und Beatrice Hilke nun „eine wirklich wahrnehmbare Ausstellung“ zeigen. Mit Ben Clement, Anders Dickson und Vera Palme haben sie drei Studenten der Städelschule eingeladen.

Installation view, Permanent Tourist

Die Schau gliedert sich in zwei Teile. In der Hotellobby zeigen die Künstler zunächst Arbeiten, die in ihren Ateliers entstanden sind. Mitten im Raum begegnet der Besucher Skulpturen von Ben Clement. Der 1989 in Neuseeland geborene Künstler studiert bei Peter Fischli. Er arbeitet mit Gussformen und Materialien wie Polyethylen und Aluminium. Clements Skulptur „Mineralising Movement“ ist auf den ersten Blick schwer einzuordnen, man assoziiert Körperformen. Clement hat eine Schwimmflosse in Polyethylen abgegossen und die entstandene Negativform mit roter Farbe ausgefüllt. Sie thront auf einem Aluminiumsockel. Die Kuratoren sprechen von einer „Konfrontation mit der Kunst“, einem Moment der Irritation, was hier zweifellos gelingt.

Romantik konsequent ausgeschlossen

Anders Dickson, 1988 in den USA geboren, studiert bei Monika Baer und Amy Sillman. Seine „Fossil Recordings“, die an den Wänden zu sehen sind, changieren zwischen Malerei und Objekt. Dickson arbeitet mit Gipsplatten, die als Bildträger dienen. In den gegossenen, noch nicht getrockneten Gips überträgt er Bilder, die er zuvor spiegelverkehrt auf eine Feuerschutzdecke gemalt hat. Im Übertragungsprozess ergeben sich Brüche und Unregelmäßigkeiten, die den Werken zugute kommen. Dicksons Bilder wurden bewusst nicht mittig gehängt. Auch hängt das kleinste Bild auf der größten Wand. So sollen Sehgewohnheiten irritiert werden.

Installation view, Permanent Tourist
Vera Palme, 1998, 2017, Installation view, Permanent Tourist
Anders Dickson, Fossil Recording #8, Installation view, Permanent Tourist
Ben Clement, Mineralising Movement, 2017, detail
Anders Dickson, Fossil Recording #8,9 Considering modes of Transition, Installation view, Permanent Tourist

Ebenfalls in der Lobby zeigt Vera Palme drei malerischen Arbeiten. Die 1983 geborene Künstlerin studiert derzeit in der Klasse von Judith Hopf. Ihre Malerei ist gestisch-ungegenständlich, sie scheint zuweilen zu vibrieren. Hinter der Rezeption erblickt der Besucher Palmes Gemälde „1998“, das nur 55 Zentimeter hoch, mit 220 Zentimetern aber ungewöhnlich breit ist. Die Platzierung des Bildes hinter der stets besetzten Rezeption sorgt für eine zwangsläufig kommunikative Betrachtungsweise. Entweder man blickt bewusst am Hotelpersonal vorbei oder man nimmt Kontakt mit ihm auf. Ein romantisch-kontemplativer Blick auf die Malerei wird jedenfalls konsequent ausgeschlossen.

Das reale Rom

Die Ausstellung setzt sich im Übergangsbereich zum Hotelrestaurant fort. Dort präsentieren die Kuratoren und Künstler die Ergebnisse eines gemeinsamen, kurzen Romaufenthalts, der zum Konzept der Schau gehörte. In Rom, so die Kuratoren, sollte „das in Kunst- und Kulturgeschichte tradierte Motiv der Italienreise zeitgenössisch übersetzt werden“. Ursprünglich sollte jeder Künstler dort eine eigene Arbeit entwickeln. Im Verlauf der Reise haben sie sich jedoch für eine Zusammenarbeit entschieden. Ben Clement, Anders Dickson und Vera Palme fotografierten das Le Méridien-Hotel in Rom. Die entstandenen Schwarzweißaufnahmen druckten sie in einem Printshop auf zwanzig weiße T-Shirts, die nun in Frankfurt ausliegen.

Vera Palme, greyhounds, dark passage, 2016, Installation view, Permanent Tourist

Die gesichtslose Fassade des römischen Hotels wirkt in Schwarzweiß buchstäblich extrem grau. „Das war für uns das reale Rom“, sagt Franz Hempel – ein Rom jenseits der üblichen touristischen Pfade. Die Präsentation wird überdies von einer Postkartenedition ergänzt, für die Clement, Dickson und Palme je ein eigenständiges Motiv entwickelten. Aber auch Rom-Ansichten aus Wikipedia finden sich auf dem Postkartenständer. Ein gerahmter Brief adressiert zudem die Besucher und erläutert die Schau in einem bewusst literarisch gehaltenen Englisch. Die Werke werden nun für ein Jahr zu sehen sein. Die Schau steht am Beginn einer Kooperation zwischen dem Frankfurter Le Méridien und der Städelschule. 2018 folgt eine neue Ausstellung. Die Herausforderung, zeitgenössische Kunst in einem Hotel zu zeigen, wird auch dann nicht leichter.

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Ben Clement, eyes were eggs of unstable crystal, 2017, Installtion view, Permanent Tourist