In Berlin stellt das temporär installierte BMW Guggenheim Lab die SCHIRN-Aktion „Playing the City“ vor – und damit künstlerische Möglichkeiten, urbane Debatten zu entfachen.

Warum sind wir eigentlich immer in Eile? Warum können wir nicht in der Spree schwimmen? Warum fühlen wir uns in einer Stadt mit 3,5 Millionen Menschen allein? Diese Fragen sind derzeit überall in Berlin plakatiert. Antworten sucht das BMW Guggenheim Lab. Seit Mitte Juni gastiert es auf dem Pfefferberg im Stadtteil Prenzlauer Berg neben Galerien, Biergärten und dem Studio des Künstlers Olafur Eliasson. Sechs Jahre lang bereist das mobile Projekt Metropolen auf der ganzen Welt, nach den ersten Stationen New York und Berlin zieht der Karbonfaser-Pavillon weiter nach Mumbai. Da wohnen über zwölf Millionen Menschen. Ob die sich auch allein fühlen?

Unter dem Dach der offenen Konstruktion stehen Stühle und Tische, in der Mitte hängen zwei große Bildschirme für Präsentationen und Filmvorführungen. Das von BMW finanzierte und vom Guggenheim kuratierte Programm füllt eineinhalb Monate in Berlin mit unterschiedlichen Veranstaltungen. Beim Sportevent „Weekend Warrior“ bauen die Teilnehmer einen Parcours aus urbanen Utensilien wie alten Fahrradteilen zusammen, in Workshops basteln sie ihren eigenen solarbetriebenen Kaffeeröster, Panels setzen sich mit den Herausforderungen der aktuellen Stadtentwicklung auseinander.

Happy City

Am 18. Juli stellt das Lab die SCHIRN-Aktion „Playing the City“ vor, bei der Künstler und Kollektive in den vergangenen drei Jahren für je zwei Wochen die Frankfurter Innenstadt mit diversen Performances bespielt hatten. Das Tagesthema heißt dann „Emotions and the City“, die Frage des Tages lautet: Wie wirken Architektur, Stadtplanung und Interventionen auf den Gemütszustand der Städter? Der New Yorker Kritiker Charles Montgomery stellt sein Buch „Happy City“ vor, am Abend laufen ausgewählte „Playing the City“-Filmclips und zeigen, wie künstlerische Interventionen Emotionen freisetzen.

Manchmal kochen diese auch schon vor der eigentlichen Aktion hoch, so geschehen im Fall des Lab. Eigentlich sollte es Station auf einer Brache im Berliner Szeneviertel Kreuzberg machen, doch Aktivisten verhinderten das. Das Lab sei ein Symbol für Gentrifizierung und reine Marketing-Kampagne, hieß es. Wer zum Pfefferberg kommt, wird sich wundern – das BMW-Logo ist am Lab kaum auszumachen. Und im Gegensatz zu dem im Vorfeld von den Gegnern ausgelösten medialen Gau ist der Marketing-Effekt der Veranstaltungen gering. Einige Programmpunkte könnten sie sogar interessieren: Eine ehemalige Lehrerin erzählt, wie sie dank einer Gib- und Nimm-Philosophie seit Jahren ohne Geld lebt, Spaziergänge durch soziale Brennpunkte sollen Berührungsängste abbauen, ein nie gezeigter Super-8-Film gibt Einblicke in die Hausbesetzerszene Westberlins der 1980er-Jahre.

Urbane Interventionen und partizipative Projekte geben Anlass, Stadt neu zu denken, zu diskutieren, sich einzumischen. Dass es dabei auch mal kracht, ist normal, sogar produktiv. Bei „Playing the City“ ging es meist friedlich zu. Nur hier und da kam es zu produktiven Spannungen, wenn Bürger mit Kunst und zeitgenössischen Formaten im öffentlichen Raum konfrontiert wurden, die sie auf den ersten Blick nicht einzuordnen wussten. Und damit spielten die beteiligten Künstler auch ganz bewusst.

Utopien für alle!

Christian Jankowski etwa tauschte die Namen der pro Quadratmeter Wohnfläche teuersten und billigsten Frankfurter Straßen aus, legte so die wirtschaftliche Topografie der Stadt bloß und stellte das Weltbild einiger Frankfurter für kurze Zeit auf den Kopf. Jakob Dahlgren schickte Bürger mit zuvor von ihnen selbst angefertigten und auf Holzlatten geschraubten Reproduktionen abstrakter Gemälde des modernistischen Künstlers Olle Baertling durch die Stadt. Die „Demonstranten“ verkündeten keine expliziten Botschaften, inszenierten aber Themen wie Gemeinschaftlichkeit, Partizipation und den verbindenden Glaube an moderne Utopien. Paola Pivi stimmte gemeinsam mit mehreren Performern in Frankfurter Straßenbahnen unvermittelt Lieder wie „Let it be“, „Die Gedanken sind frei“ oder „Marmor, Stein und Eisen bricht“ an. Mit den an Flash-Mobs erinnernden Situationen machte die Künstlerin auf die Abwesenheit zwischenmenschlicher Kommunikation im Alltag aufmerksam, letztlich auch auf Einsamkeit von Städtern.

Alex Roehl kuratiert das Filmprogramm für das Lab und hat verschiedene Clips aus dem „Playing the City“-Programm ausgesucht. „Ich fand es interessant, wie diese Interventionen den Stadtraum veränderten und etwas in den Menschen auslösten.“ Auch die Performance von Jankowski zeigt er in Berlin: „Diese Aktion bleibt einfach hängen“. Wenn Kunst in die Stadt ausschwärmt, entstehen Räume, in denen Bürger das urbane Zusammenleben reflektieren und Gegenentwürfe erproben können. „Playing the City“ hat solche Räume in Frankfurt geöffnet – und inspiriert nun hoffentlich auch in Berlin. Film ab!