Wenige Wochen vor der Eröffnung der Jeff Koons-Doppelausstellung in Schirn und Liebieghaus zeigt die Fondation Beyeler die erste Schau des US-amerikanischen Künstlers in der Schweiz.

Der wohl bekannteste lebende Künstler sorgt mit seinen unverkennbaren, die Populär- und Hochkultur verbindenden Kunstwerken seit Jahrzehnten für großes Aufsehen. In seinen ebenso spektakulären wie subtilen Kunstwerken beschäftigt sich Koons (*1955) immer wieder mit Themen wie Unschuld, Schönheit, Sexualität und Glück. Diese entsprechen seinem Konzept einer für jeden Betrachter zugänglichen Kunst. Von Anfang an arbeitete Koons in chronologisch aufeinanderfolgenden Werkgruppen, von denen jede einen eigenen Titel trägt. Zusammengenommen entwerfen diese Serientitel ein Panorama seines künstlerischen Konzepts.

Die Ausstellung widmet sich in einer umfangreichen Präsentation mit rund 50 Werken drei zentralen Werkgruppen die entscheidende Etappen der künstlerischen Entwicklung von Jeff Koons aufzeigen und den ungewöhnlichen, Populär- und Hochkultur verbindenden Weg verfolgen, den das Objekt in seinem Schaffen gegangen ist und weiter geht. Bei den drei gemeinsam mit dem Künstler für die Ausstellung ausgewählten Serien handelt es sich um „The New“ (entstanden zwischen 1980 und 1987), „Banality“ (1988) und „Celebration“ (ab 1994). „The New“ umfasst die Readymade-artigen Reinigungsgeräte aus der frühen Zeit, Sinnbilder des Neuen und Reinen. Zu „Banality“ gehören jene in traditionellem Handwerk gefertigten Skulpturen aus Porzellan und Holz, die zu (post-)modernen Ikonen geworden sind. In der Serie „Celebration“, an der Koons seit bald zwanzig Jahren arbeitet, treten schließlich die in ihrer materiellen Perfektion unverwechselbaren, hochglänzenden Stahlplastiken und großformatigen Gemälde auf, in denen der Künstler in geradezu barocker Weise die Kindheit feiert.

The New
Mit „The New“, der frühen Werkgruppe des jungen Künstlers, und „Celebration“, unter deren Namen bis heute neue Arbeiten entstehen, spannt die Ausstellung einen weiten Bogen. Dazwischen positioniert sich „Banality“, jene folgenreiche Gruppe von Werken, die Manifestcharakter hat und gleichzeitig für das künstlerische Selbstverständnis von Koons entscheidend war.

In der Werkgruppe „The New“, die für Jeff Koons’ Schaffen wegweisend wurde, konzentrierte er sich explizit auf fabrikneue, ungebrauchte Staubsauger und Teppichshampoonierer des Fabrikats Hoover, die, auf Leuchtstoffröhren liegend oder stehend, von kubischen Plexiglasvitrinen umschlossen werden. Die Gegenstände sollen auf diese Weise unberührt und unversehrt bleiben und ihre verführerisch-kostbare Dimension gesteigert werden. Sie verkörpern so das ideale Neue. Leitthemen der Werkgruppe „The New“ sind somit Integrität, Unschuld und Reinheit – Werte, die für Koons’ Schaffen allgemein maßgeblich sind. In der strengen Anordnung, aber auch im Rückgriff auf die Neonröhren verweisen die Objekte nicht zuletzt auf die Minimal Art. Koons ist aber auch einer jener Künstler, welche die von Duchamp mit der Erfindung des Readymade zu Anfang des 20. Jahrhunderts lancierte Objektdiskussion aufgegriffen und auf eigenwillige und brillante Weise vorangetrieben haben – und er ist darin ein Meister.

Die Ausstellung präsentiert aus der Serie „The New“ dreizehn Arbeiten, unter anderem eine mit den originalen Objekten rekonstruierte Schaufensterinstallation mit Staubsaugerarbeiten, die 1980 in The New Museum of Contemporary Art in New York zu sehen war. Die Zelebrierung des Neuen erfährt innerhalb der Serie „The New“ nicht nur in den Staubsaugerarbeiten ihren Ausdruck, sondern auch im programmatischen „The New Jeff Koons“ (1980), bestehend aus einem Leuchtkasten mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie, die den Künstler als Kind zeigt. In dieser Arbeit manifestiert sich bereits das künstlerische Selbstbewusstsein des jungen Koons.

Die von Koons für seine Lithografien verwendeten Werbeplakate manifestieren sein besonderes Interesse für kommerzielle Bilder oder Bildstrategien. Sie bringen dem Betrachter in Kombination mit den Vitrinenobjekten den Grundgehalt der Serie auf unmittelbare Weise nahe und veranschaulichen Koons’ Faszination für das manipulative Potenzial von Bildern und deren Zurschaustellung sowie sein Anliegen, ein Kunstwerk für den Betrachter so zugänglich wie möglich zu machen. Als Bild auf Leinwand erweist sich die Lithografie „New! New Too!“ (1983) auch als frühes Zeugnis für Koons’ Beschäftigung mit der monumentalen Malerei, die erst Jahre später in der Werkgruppe „Celebration“ zur Umsetzung gelangt. Die Readymade-artigen Objekte aus Alltagsgegenständen von „The New“ wandeln sich in der Werkgruppe „Banality“ zu wundersam-provokativen, in traditionellem Handwerk gefertigten Skulpturen aus Holz, Porzellan und Spiegelglas, deren Motive gleichwertig der Kunstgeschichte und der Populärkultur entnommen und zu neuartigen Figuren mit einer am Barock orientierten Ästhetik collagiert werden. Mit der viel beachteten „Banality“-Serie stellte Koons nicht nur den Kunstbegriff auf neue Grundlagen, sondern avancierte endgültig zum Star der internationalen Kunstszene.

Banality
Die Ausstellung zeigt mit 16 Plastiken und Reliefs beinahe vollständig die aus insgesamt zwanzig skulpturalen Figuren bestehende Serie. Die Motive aus „Banality“ entstammen einem breit gefächerten Bilderfundus aus der Kunst der Renaissance und des Barocks, aus populären Zeitschriftensujets, der Spielzeugwelt und Postkarten. Das Ausgangsmotiv wird modifiziert, sodass die Figuren einen maßstäblichen, medialen oder materiellen Verwandlungsprozess durchlaufen, durch den sie sich neuen Interpretationen öffnen.

Der Leitgedanke der Werkgruppe „Banality“ ist die über das vermeintlich Banale vermittelte Selbstakzeptanz des Betrachters. Richtunggebend dafür ist die polychrome quasireligiöse Holzskulptur „Ushering in Banality“ (1988), die gleichsam das Banale als künstlerisches Grundideal von Koons manifestiert.

Ein weiteres Thema der „Banality“-Serie bildet die Komplizenschaft zwischen Mensch und Tier, die viele Werke der Serie kennzeichnet, etwa „Stacked“. Als Gruppe fügen sich die „Banality“-Figuren zu einem Gesamtbild zusammen, in dem Koons’ künstlerisches Anliegen in Form eines regelrechten Erlösungsprogramms illustriert wird und sein Anspruch einer für alle zugänglichen, verständlichen und erbauenden Kunst in der Gegenwart zum Ausdruck kommt. Sein inhaltliches Konzept ist aber weniger religiös denn allgemein auf existenzielle Fragen zum Dasein des Menschen ausgerichtet. Das gesamte Bildprogramm von „Banality“ gründet auf den Begriffen von Schuld und Unschuld und zielt über ästhetische Mittel auf Sündenvergebung und die Auflösung des Schuldbegriffs überhaupt. Dies zeigt in der Serie der häufige Rekurs auf Heilige oder mit dem Sakralen verbundene Gestalten: etwa bei der aus gefasstem Holz bestehenden Skulptur „Buster Keaton“. Die imposante Porzellanplastik
„Michael Jackson and Bubbles“, die Koons als zeitgenössische Pietà bezeichnet, ist heute zur
postmodernen Ikone geworden. Die Plastik veranschaulicht Koons’ Ideal einer alle Gegensätze vereinenden Kunst, mit der er das größtmögliche Publikum zu erreichen sucht.

Koons’ Interesse an Materialien und Oberflächen erreicht in „Banality“ eine besonders symptomatische Dimension. Der ästhetische Effekt des Materials steht immer unmittelbar mit dessen emotionaler Wirkung in Beziehung. Der Künstler appelliert mittels des Materials, sei es Porzellan, Holz oder Chromstahl, an die Affekte des Betrachters und versucht, dessen Begehren zu entsprechen. Mit dem Einsatz von Spiegelglas für die Werke „Christ and the Lamb“ und „Wishing Well“ greift er schließlich auf ein Material zurück, das – wie zuvor schon der Chromstahl – in seiner reflektierenden Qualität den Betrachter unmittelbar in das Werk einzubinden vermag und insofern Koons’ Grundkonzept einer zugänglichen Kunst auf besondere Weise konkretisiert.

Celebration
Die Werkgruppe „Celebration“ stellt bis heute Koons’ wohl aufwendigste Serie dar, die auf zwanzig monumentale Plastiken aus perfekt gearbeitetem Edelstahl sowie sechzehn großformatige Ölgemälde angelegt ist. In der Ausstellung werden zehn Gemälde gezeigt. In den Gemälden und Skulpturen von Celebration behandelt Koons Vertrautes und Vergängliches, feiert das Kind und die Kindheit, mit Motiven, die an Kindergeburtstage und Feiertagsbräuche erinnern, die in ihren monumentalen skulpturalen Formen aber gleichzeitig zu ikonenhaften Figuren stilisiert sind. Stilistisch erscheint „Celebration“ wie eine Art Synthese aus der minimalistischen Ästhetik von „The New“ und der barocken Opulenz von „Banality“ und knüpft in der Auseinandersetzung mit der Kindheit an Koons’ frühere Werkreihen an. Attribute von Kindergeburtstagen erscheinen in den Gemälden „Party Hat“ (1995–1997) und „Cake“ (1995–1997), in den Ballonfiguren „Balloon Dog (Red)“ (1994–2000), „Tulips“ (1995–98) und „Moon (Light Pink)“, (1995–2000). Geschenk- oder Spielzeugartikel bilden das Motiv in dem meisterhaften Gemälde „Play-Doh“ (1995–2007) wie auch in „Shelter“ (1996–98). Von besonderer Anziehungskraft ist die monumentale Plastik „Hanging Heart (Gold/Magenta)“ (1994–2006) aus hochlegiertem rostfreiem Chromstahl. In „Celebration“ spielen mit „Cracked Egg (Blue)“, (1994–2006), das auf das Osterfest hinweist, ebenfalls religiöse Motive eine Rolle. Die scheinbar fragilen „Celebration“-Figuren wirken geschmeidig und schwerelos, während sie in Wirklichkeit stabil, hart und tonnenschwer sind.

In „Celebration“ entwickelt Koons nicht nur seine skulpturale Bildsprache weiter, sondern vollzieht darin den eigentlichen Schritt hin zur Malerei, die erstmals in seinem Werk ebenbürtig neben die Bildhauerei tritt. Für die „Celebration“-Gemälde geht der Künstler von selbstzusammengestellten realen Objektarrangements aus, die, abfotografiert und nach einem komplexen Schematisierungsverfahren überarbeitet, um ein Vielfaches vergrößert akkurat auf die Leinwand übertragen werden. Das zentrale Bildsujet wird vor einer drapierten Glanzfolie inszeniert, in der sich einzelne Partien des Objekts, meist verzerrt, unzählige Male spiegeln. In ihrer ästhetischen Erscheinung, die nicht zuletzt auf die Pop Art zurückgeht, bestechen die Gemälde durch eine „objektive“, geradezu hyperrealistische Wirkung.

In „Celebration“ drückt sich die mediale Austauschbarkeit des Objekts, die für Koons’ Arbeit charakteristisch ist, ebenso auf besonders spektakuläre Weise aus wie deren kunsthistorisch singuläre Wechselwirkung zwischen Malerei und Bildhauerei. Das Zusammenspiel der Gattungen – Objektkunst, Bildhauerei und Malerei – bildet sich in „Celebration“ erstmals im Schaffen von Koons vollständig aus.

Im Berower Park der Fondation Beyeler sind zwei Skulpturen zu sehen sein: Im Nordpark des Museums ist „Balloon Flower (Blue)“ (1995–2000) im Teich installiert. Und im vorderen Teil des Parks wird die kolossale Blumenskulptur „Split-Rocker“ (2000) präsentiert.

Split-Rocker
Mit „Split-Rocker“ wird eine kolossale Blumenskulptur aus Abertausenden echten Pflanzen im Park der Fondation Beyeler präsentiert. Die Skulptur führt auf eigene Weise den harmonischen Dialog zwischen Kunst und Natur fort, der für die Fondation Beyeler so charakteristisch geworden ist. „Split-Rocker“ ist 2000 ein erstes Mal im Kreuzgang des Palais des Papes in Avignon aufgestellt worden und ein paar Jahre später in den Gärten von Versailles (2008). Jetzt ist der „Split-Rocker“ in Riehen herangewachsen.

Für seine Blumenskulptur ist Koons von zwei verschiedenen Schaukeltiermotiven ausgegangen,
einem Pony und einem Dinosaurier, deren Köpfe er zunächst halbiert und dann neu zusammengesetzt hat. Da die beiden Hälften nicht deckungsgleich sind, entstehen an verschiedenen Stellen spaltartige Zwischenräume, welche die Skulptur öffnen und sie zu einer Unterschlupf bietenden Architektur werden lassen. Als zerlegte und andersartig wieder zusammengesetzte Figur, die gleichzeitig seitlich und nach vorne schaut, bezieht sich „Split-Rocker“ auf den Kubismus eines Pablo Picasso und lenkt ihn zugleich in eine ganz andere Richtung. Als florale Außenskulptur reiht sich „Split-Rocker“ aber auch in die Tradition der barocken Gartenkunst und der sogenannten Formschnittgärtnerei ein, die heute noch in den populären Vergnügungsparks weiterlebt.

Die Ausstellung wird kuratiert von Sam Keller, Direktor, und Theodora Vischer, Senior Curator at Large der Fondation Beyeler und ist noch bis zum 2. September 2012 in der Fondation Beyeler in Riehen/Basel zu sehen.