Mit einer skandalträchtigen Performance protestiert die Künstlergruppe Frankfurter Hauptschule gegen die Gentrifizierung des Bahnhofsviertels.

„Wir begreifen unsere künstlerische Praxis als Erforschung einer Grauzone der Legalität“, sagt die Telefonstimme, die zu einem Mann gehört, der lieber anonym bleiben will. Er ist Mitglied einer Künstlergruppe, die sich Frankfurter Hauptschule nennt. „Sie können bei dem Namen gerne an Horkheimer und Adorno denken. Aber auch an Eckard Henscheid, F.K. Waechter oder die Satirezeitschrift Titanic. Es geht uns um die Frage: Was kann man gerade noch so als Kunst vertreten, ohne dafür gesetzlich belangt zu werden. Eine Freundin hat uns einmal als Institut für vergleichende Skandalforschung bezeichnet. Ich finde, das trifft es ganz gut“.

"Wir haben eine Drogensüchtige mit der Handykamera begleitet"

Vor zwei Jahren brachte jemand unter dem Label „Frankfurter Hauptschule“ 50000 gefälschte Freikarten für die Bayreuther Festspiele in Umlauf. Man wollte der Veranstaltung auf diese Weise ihren elitären Charakter nehmen. Die Aktion war vor allem als Protest gegen den Antisemitismus des Komponisten Richard Wagner gedacht. Er habe von dieser Sache natürlich gelesen, erklärt unser namenloser Gesprächspartner ein wenig süffisant. „Ich kenne aber niemanden persönlich, der daran beteiligt war“. Überhaupt würden die Mitglieder der Gruppe oft wechseln. Zum harten Kern gehören angeblich rund zehn Leute, darunter Studenten der HfG-Offenbach, der Städelschule und der Hochschule für Musik und bildende Kunst.

Die Frankfurter Hauptschule: Im Windschatten des Niedergangs

Am 17. November lädt die Frankfurter Hauptschule zu einer Performance mit dem Titel „Im Windschatten des Niedergangs“ in die Galerie Kaiser P ein. „Wir haben im Bahnhofsviertel eine junge Drogensüchtige kennengelernt und sie mit der Handykamera durch ihren Alltag begleitet“, erzählt unser Informant. „Dabei bekamen wir Stress mit ihrem Freund. Er bestand darauf, dass wir ihm viel Geld dafür bezahlen, damit wir filmen dürfen“. Die Videoschnipsel aus dem Junkie-Milieu werden im Ausstellungsraum an die Wand projiziert. In einer rund 30 bis 40-minütigen Performance reagiert die Künstlergruppe live auf das Filmgeschehen. Details möchte man uns nicht verraten. „Was ich aber auf jeden Fall sagen kann ist, dass sich eine Person, die ich nicht näher benennen will, vor den Augen des Publikums eine Schuss setzen wird.“ Diesen Satz lässt unser Gesprächspartner so beiläufig fallen, als wäre gerade nicht von Heroin, sondern von Holundersirup die Rede. Und provoziert damit natürlich, dass man in fetten Lettern SKANDAL in die Tastatur hämmern möchte.

"Die Junkies werden an den Rand gedrängt“

Ihre Performance will die Frankfurter Hauptschule als Protestaktion gegen die Aufwertung des Bahnhofsviertels verstanden wissen. „Taunus-, Mosel-, Nidda-, Elbestraße sind die letzten Orte im Viertel, die noch wild und gefährlich sind. Und das soll auch so bleiben. Wir fühlen uns wohl zwischen den Junkies und Kriminellen“. Besonders der Initiative „TAB – Taunusanlage Arts and Bites“, einem Schulterschluss von Stadtpolitik und Szenegastronomen, hat die „Frankfurter Hauptschule“ den Kampf angesagt. „Wir wollen nicht, dass sich die Stadt rund um den Hauptbahnhof eine weiße Visitenkarte verschafft. Wenn hier ein Szenelokal nach dem anderen aufmacht und ein hipper Kiez entsteht, werden die Junkies ganz automatisch an den Rand gedrängt.“

Performance der Frankfurter Hauptschule
"Wir sind es gewohnt, dass man uns nicht alles glaubt"

Im Youtube-Trailer zu „Im Windschatten des Niedergangs“ sieht man zwei Hipster, die ihren Voyeurismus unter dem Deckmantel der Kunst verbergen und ein wirkliches Interesse an einem Junkie heucheln, für den sie in Wahrheit vielleicht nur Verachtung übrig haben. So lässt sich diese Szene zumindest interpretieren. Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich bei der perfekt inszenierten Drogensüchtigen um eine Schauspielerin handelt. Unser anonymer Gesprächspartner behauptet hartnäckig das Gegenteil. „Wir sind es allerdings gewohnt, dass man uns nicht alles glaubt“, räumt er ein. „Schreiben sie also ruhig, dass sie Zweifel haben. Wir haben damit kein Problem. Die Leute können ja selber kommen, um sich ein Bild zu machen“. An drei aufeinanderfolgenden Tagen gibt es dazu jeweils zwei Mal die Gelegenheit – zumindest, sofern die Veranstaltung nicht im letzten Moment verboten wird. Wichtig: Einlass ist erst ab 18 Jahren. Weil in der Galerie nur 25 Personen Platz finden, sollte man sich unter info@frankurterhauptschule.de rechtzeitig anmelden.