Kurz vor der Eröffnung bespielen die Rehberger-Schüler Il-Jin Atem Choi und Christoph Esser den Eingangsbereich eines Apartmenthauses im Bahnhofsviertel mit Kunst

„Ursprünglich wollte ich einen echten Baumstamm mitten ins Treppenhaus stellen, der sich als vertikale Achse über alle vier Etagen erstreckt und mit seinen weit verzweigten Ästen die einzelnen Wohnungen miteinander verbindet“, erzählt der Designer Oliver Daxenbichler bei unserem Treffen in der Mainluststraße 15.

Zusammen mit seinem Partner Robert Oljaca hat er nach eigenen Plänen das ehemalige Bürogebäude im Auftrag des Eigentümers Claus Wisser komplett umgebaut und in ein Apartmenthaus mit 20 Wohneinheiten verwandelt, die zum Beispiel Geschäftsleuten auf Dienstreise als Alternative zum Luxushotel oder Boardinghouse dienen sollen. Weil die Stadt Frankfurt ein 21stes Apartment nicht genehmigte und stattdessen Platz für gewerbliche Nutzung forderte, zogen Daxenbichler und Oljaca mit ihrem Büro Architectural Research and Design vor rund einem Jahr zuerst mit dem Baubüro und dann später mit ihrem Designbüro in das Hochparterre des schicken Altbaus im Bahnhofsviertel.

Die Idee mit dem Baum

Möbel wie Betten oder Küchenzeilen haben Daxenbichler und Oljaca selbst entworfen. An die Wände der insgesamt rund 30 Zimmer des Gebäudes kommt Kunst. Insgesamt etwa 200 Werke, die Daxenbichler von Kunstvereinen aus ganz Deutschland zusammengekauft hat – sogenannte Jahresgaben aus den Editionen junger Künstler, wie sie zu vergleichsweise günstigen Preisen an Mitglieder abgegeben werden. „Ich wollte, dass der Eindruck einer über viele Jahre gewachsenen Sammlung entsteht“, erklärt er.

Il-Jin Atem Choi in der Mainluststraße 15, Frankfurt, Copyright the artist, 2016

Die Idee mit dem Baum ist allerdings inzwischen vom Tisch. „Als ich Robert davon erzählte, schaute er mich bloß an wie ein Auto“, gesteht Daxenbichler und lacht. Die Gestaltung des Treppenhauses hat nun der Städel-Student und Rehberger-Schüler Il-Jin Atem Choi übernommen. Das Ergebnis kann man sich am 30. April während der Vernissage „Part 1 Housewarming“ anschauen. Die Veranstaltung ist der Auftakt zu einer Ausstellungreihe, bei der wechselnde Künstler zunächst vier oder fünf Mal in diesem Jahr den kleinen Eingangsbereich des Apartmenthauses bespielen sollen.

Raum-Zeit-Krümmung aus dem Lehrbuch

Bei Chois Wandmalereien handelt es sich um Variationen seiner „Linienarbeiten“, wie er sie seit 2010 immer mal wieder in Galerien oder Kunstvereinen ausstellt. Man sieht ein dynamisches Geflecht aus schwarzen Tuschelinien auf weißem Grund, das in seiner Filigranität ein bisschen an Kalligrafie erinnert. „Bei einigen meiner Arbeiten muss ich auch an Einsteins Relativitätstheorie und die schematische Darstellung der Raum-Zeit-Krümmung in Physikbüchern denken“, sagt Choi.

Il-Jin Atem Choi in der Mainluststraße 15, Frankfurt, Copyright the artist, 2016

Es gibt verschiedene Plateaus, die miteinander verschränkt sind. Dabei gilt das Prinzip: Linien, die sich auf einer Ebene befinden, dürfen sich nicht berühren. Jede soll ganz allein für sich stehen. Beim Malen erfordert das höchste Konzentration. „Es war mein Anspruch, jede der sechs Wandflächen in einem Rutsch zu malen“, sagt Choi. Immer wenn ich nach einer Pause den Stift neu ansetzen muss, sieht man das hinterher. Das wollte ich vermeiden.“

Ein stromlinienförmiger Designerheizkörper

Im Eingangsbereich, dem eigentlichen Ort der Ausstellung, wird es eine weitere Wandmalerei von Il-Jin Atem Choi geben. Diesmal benutzt er Schablonen und bunten Sprühlack. „Ich arbeite gerne mit vermeintlich simplen Ausdrucksformen wie einem Strich oder so banalen Mitteln wie einer Schablone“, sagt Choi. „Um dann so lange an den Stellschrauben zu drehen, bis etwas Neues, etwas Merkwürdiges entsteht“.

Il-Jin Atem Choi in der Mainluststraße 15, Frankfurt, Copyright the artist, 2016

Neben Il-Jin Atem Choi ist an der Ausstellung auch der Künstler Christoph Esser beteiligt. Auch er hat bei Tobias Rehberger studiert. „Außerdem stammen wir beide aus dem Ruhrgebiet und sprechen die gleiche Sprache, die in dieser Region ja immer ein wenig patzig klingt“, sagt Choi. „Mir gefällt das“. 2013 machte Esser seinen Abschluss an der Städelschule. Mittlerweile lebt er in Berlin. Zum „Housewarming“ in der Mainluststraße steuert er zwei abstrakt-minimalistische Skulpturen aus Styropor und Polyurethan bei. „Die eine Skulptur ähnelt einem gezackten Zaun. Die andere, passend zum Titel unserer Ausstellung, einem stromlinienförmigen Designerheizkörper“, erzählt Il-Jin Atem Choi.

Ein Apartment in der Mainluststraße 15, Frankfurt, Foto: Oliver Daxenbichler, 2016