Auch dieses Jahr lohnt der Ausflug zum Rundgang der Offenbacher Hochschule für Gestaltung (HfG). Angehende Künstler und Designer präsentieren dort vom 30. Juni bis 2. Juli ihre jüngsten Projekte.

Zum nunmehr zwanzigsten Mal lädt die HfG Offenbach zum „Rundgang“. Diesmal erweitert sich die jährliche Präsentation studentischer Arbeiten aus den Fachbereichen Kunst und Design ins Virtuelle. Die Performanceklasse von Britta Thie hat mit „Sentiment Solutions“ ein Projekt zwischen physischem und virtuellem Raum entwickelt. Thie lehrt im Rahmen einer Stiftungsprofessur ein Jahr lang an der HfG. In ihrer Kunst (wie zum Beispiel der Webserie „Translantics“) beschäftigt sich Thie mit neuen Technologien und der Beziehung zwischen dem Selbst und seinem digitalen Abbild.

Die Thie-Klasse hat mittels hochauflösender 360-Grad-Fotografien Räume geschaffen, die sich mit einer VR-Brille begehen und erforschen lassen. Thema ihres Projekts sei die Intimität im postdigitalen Zeitalter, erläutern die Studenten. Es sind mitunter barock und ausschweifend anmutende Aufnahmen entstanden, die die Studenten kostümiert und teils geschminkt in diversen inszenierten Szenerien zeigen. Die 360-Grad-Fotografien sind allesamt in den Räumen der Hochschule entstanden. Die insgesamt zehn Szenen sind miteinander verknüpft. Sie lassen sich während des Rundgangs mithilfe einer VR-Brille begehen, darüber hinaus aber auch über www.sentiment-solutions.com.

Grenzen verwischen

Ergänzt wird die virtuelle Präsentation durch Installationen und Performances vor Ort. Auf diese Weise sollen die Grenzen zwischen realem und virtuellem Raum verwischt werden, berichten die Studenten der Thie-Klasse. Die eindrücklichen 360-Grad-Aufnahmen entstanden in Zusammenarbeit mit dem in Dresden und Berlin angesiedelten Künstlerkollektiv „New Scenario“. Die kollaborative Arbeitsweise sei für das Projekt wichtig gewesen, betonen die Studenten.

Studenten Britta Thie Klasse, "Sentiment Solutions", 2017, courtesy the artists, Foto: Eugen El

Dass die HfG auch in angewandten Disziplinen den experimentellen Geist einer Kunsthochschule wahrt, demonstrieren die Arbeiten von Nicole Landwehrs, die gerade ihr Kommunikationsdesign-Studium bei Klaus Hesse abgeschlossen hat. Landwehrs zeigt „Politics of Symbols“, eine Serie von fünf digital erzeugten Bildern, die in Leuchtkästen integriert sind. Sie widmen sich aktuellen gesellschaftlichen Problemen. Die Bilder sind nicht als Plakate konzipiert. Gleichwohl bedienen sie sich einer im besten Sinne plakativen Ästhetik. Man sieht zum Beispiel eine Flasche mit „Bautzner Senf“-Logo, die sich als Molotow-Cocktail entpuppt. Die Assoziation zur immer wieder buchstäblich aufflammenden rechten Gewalt im Osten Deutschlands liegt nahe.

Verstümmelte Justitia

Ein anderes Bild zeigt Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit in der römischen Mythologie. Normalerweise halt sie in der linken Hand eine Waage und ein Schwert in der rechten. Bei Nicole Landwehrs' Justitia ist die linke Hand abgeschlagen, während das Schwert in der rechten Hand überdeutlich an das „Facebook“-Logo erinnert. Der mitunter hilflose Umgang des Gesetzgebers mit neuen Medienkonzernen wie Facebook ist hier Gegenstand. Nicht immer sind die konkreten thematischen Bezüge in Landwehrs' Bildern so deutlich herauszulesen. In ihrer visuellen Aussage  sind die Arbeiten dennoch sehr klar.

Nicole Landwehr, "Politics of Symbols", 2017, courtesy the artist, Foto: Eugen El

„Die Grenzen von Material ausloten“ ist das erklärte Ziel des Lehrgebiets Materialdesign, das von Markus Holzbach betreut wird. Holzbach lehrt im Fachbereich Design. Das Projekt „Ceramic Woods“ wurde schon 2012 begonnen und läuft bis heute fort. Es sind metallisch glänzende Objekte entstanden, die in allen Belangen an Holz erinnern. Tatsächlich haben die HfG-Studenten einzelne Holzstücke in einem zweistufigen Prozess in Keramiken verwandelt. Das Holz wird in einem Ofen erst zu Kohle, reagiert dann mit dem Halbmetall Silizium. Es entstehen Objekte, die noch die Gestalt des ursprünglichen Holzes tragen, jedoch sehr kalt, hart und spröde sind.

Leuchtendes Gras

Ricardo Ponce hat eine interaktive Installation entwickelt, die Natur und digitale Technologie verbindet. Auf einem Podest ein kleines Stück Rasen aufgebaut. Streicht man mit der Handfläche über das Gras, so beginnen darin winzige LED-Leuchten zu glimmern. Ponces Installation, die Holzkeramiken sowie weitere Projekte des Lehrgebiets Materialdesign sind bis 10. September 2017 auch in der Ausstellung „Nach der Natur“ im Bad Homburger Museum Sinclair-Haus zu sehen. Nur bis 2. Juli läuft hingegen der HfG-Rundgang, dessen experimentelle Vielfalt auch dieses Jahr überzeugt.

Materialdesign, "Ceramic Woods", 2017, courtesy the artist
Plakat HfG Offenbach Rundgang 2017, courtesy the artist