Am Wochenende traf sich die internationale Kunstszene in der Hauptstadt, auch der SCHIRN Circle und einige SCHIRN Freunde waren unterwegs.

Ein Kunstwochenende der Superlative ging am Sonntagabend in Berlin zu Ende. 51 Galerien zeigten beim Gallery Weekend ihre Highlights des Jahres, die 7. Berlin Biennale eröffnete und lud ein, über Kunst und Politik zu philosophieren, die große Gerhard Richter-Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie machte eine Extrastunde für die Gallery Weekend Gäste auf und die Temperaturen knackten erstmals die 30-Grad-Marke. Die Stadt lief heiß und mit ihr die Kunstbegeisterten aus aller Welt.

Kuratoren, Sammler und Museumsleute gaben sich in den in der ganzen Stadt verteilten Galerien die Klinke in die Hand und kühlten sich zwischendurch in Biergärten ab. Jede Menge Freundeskreise von Museen und Kunsthallen waren unterwegs, um möglichst viele Blicke durch das komprimierte Kaleidoskop der zeitgenössischen Kunstszene zu erhaschen, dabei Gruppen des Pariser Centre Pompidou, der Londoner Tate Modern und Mitglieder des SCHIRN Circle und der SCHIRN Freunde. Sie tourten von Freitag bis Sonntag mit einem Kleinbus durch die Hauptstadt und pickten die Sahnestückchen aus dem in Gänze kaum zu bewältigenden Programm heraus – von Friedrich Kunath über Richard Long und Katharina Grosse bis hin zu Jenny Holzer und allem, was man von Gerhard Richter in Berlin gerade so anschauen kann, wie das Panorama in der Neuen Nationalgalerie oder den RAF-Zyklus in der Alten Nationalgalerie.

Mut zu Kitsch und romantischen Slogans

Die Künstler zeigten Mut zu kitschigen Sujets, schrillen Farben und verwandelten die Galerieräume zu Environments im Sinne ihrer Position. Der in Los Angeles lebende Friedrich Kunath etwa lieferte neben mit diversen Karikaturen, Obststückchen und Neonfarbflächen überzogenen Gemälden auch mehr als mannshohe Streichholzskulpturen mit traurigen verkohlten Gesichtern oder grinsenden frisch-roten Köpfen. Ein hellgelber Teppich sammelte in der Galerie BQ die Fußspuren der Gallery Weekend Besucher, hinter den Fensterscheiben installierte Kunath einen Maschendrahtzaun und sorgte so für eine denkbar unromantische Atmosphäre – ganz im Kontrast zu dem Slogan des neonblau leuchtenden Schriftzugs „Come Back Romance All Is Forgiven“, der nach draußen gerichtet schrill in die Stadt schrie.

Geheimnisvoll präsentierte sich Dominique Gonzalez-Foerster bei Esther Schipper. Durch bunte transparente Plastikvorhänge traten die Besucher in den Galerieraum ein, wo Gestelle von kleinen Doppelstockbetten, Bücherstapel und ein Gedicht an der Wand Assoziationen weckten. Eine kindliche Traumwelt machte die Französin hier auf, was spätestens mit dem in einem weiteren Raum projizierten Film klar wurde, in dem alle Elemente des Environments belebt mit tobenden Kindern auftauchten. Der bunte Plastikvorhang entließ die Besucher wieder, nach einem kurzen Besuch im Hof ging’s weiter zur nächsten Schau. Dort wurde übrigens gemütlich gegrillt und gemeinsam für den Salat geschnippelt, eine schöne Abwechslung zwischen stundenlangem Hopping durch meist sterile Galerieräume.

Politische Kunst auch fernab der Berlin Biennale

Jenny Holzer, vor allem für ihre auf LED-Leuchtbändern bedeutsam aufflackernden Aphorismen und Pamphlete bekannt, überraschte bei Sprüth Magers einige Besucher mit ihrer analogen Seite. Wer die Gruppenausstellung Geheimgesellschaften vergangenes Jahr in der Schirn erlebt hat, war mit dem, was sie zeigte, schon vertraut. In Gemälden machte sie Geheimdokumente der US-Regierung zum Thema, etwa Aussagen von Gefangenen und Soldaten oder Verhöranweisungen, mit geschwärzten Textstellen oder bunt und flächig übermalt. Ihr Spiel mit Information und Rätsel sowie Abstraktion als Ästhetik der Leerstelle gehörte zu den beeindruckendsten Arbeiten. Klammheimlich spielte sich hier die Auseinandersetzung von Kunst und politischen Realitäten ab, während man bei der Berlin Biennale auszuloten versuchte, wie ­­dieses Verhältnis aussehen könnte.

Über die Leinwand hinaus

Zu den Höhepunkten des Gallery Weekends zählte Katharina Grosses raumgreifende Installation bei Johann König. Der junge Chef der Berliner Galerie führte die SCHIRN Freunde durch, über und um die kurz zuvor fertig gestellte Arbeit – es roch noch nach frischer Farbe. Die Berliner Künstlerin ist bekannt dafür, die Grenzen der Malerei auszuweiten und die Welt über die vier Seiten ihrer großformatigen Leinwände hinaus schreiend bunt zu beleben. Der Boden, die Wände, ein Teppich, ein Sofa und ein skulpturales Styroporgebirge erstrahlten bei Johann König in den für Grosse typischen Farben wie Lila, Orange, Türkis, Gelb, Grün und Blau.

Seit acht Jahren laden die Berliner Galeristen nun zum Kunstwochenende in die Stadt, nach dem Aus der Kunstmesse Art Forum im vergangenen Jahr ist der Termin wichtiger denn je. Im September steht die nächste Rundum-Schau in der Hauptstadt an: Bei der Art Berlin Contemporary (ABC), vor fünf Jahren als Nebenmesse des Art Forums entstanden, versammeln sich aktuelle Positionen an einem zentralen Ort – das macht es dann auch leichter, alles mitzunehmen.