Galina Balaschowa prägte drei Jahrzehnte lang das Design der sowjetischen Raumfahrt. Nun wird ihre Arbeit im Deutschen Architekturmuseum gewürdigt.

Die unendlichen Weiten des Weltraums sind für viele ein Traum. Die unendlich beklemmende Enge eines Raumschiffs hingegen bringt jeden wieder auf den Boden der Tatsachen. Womit Kosmonauten zu kämpfen haben, ist schwer vorstellbar. Doch genau darin bestand 30 Jahre lang die Arbeit von Galina Balaschowa. Sie machte es den Kosmonauten auf ihrer Mission ins All so heimelig wie möglich, damit sie nicht im luftleeren Raum davonschwebten.

1931 in Kolomna geboren, einer der ältesten Städte im Umland Moskaus, studierte Balaschowa am Moskauer Architekturinstitut. Nach ihrem Studium bestand ihr Job zunächst daraus Verzierungen und Schmuckelemente an Bauwerken zu entfernen, nachdem Nikita Chruschtschow 1954 den „architektonischen Überflüssigkeiten" den ideologischen Kampf erklärt hatte. Als sie nach ihrer Hochzeit mit Physiker Juri Pawlowitsch Balaschow 1956 ins Umland Moskaus zurückzog, wurde sie beim Experimental-Konstruktionsbüro 1 (OKB-1), heute RKK Energija, angestellt. Anfangs noch mit den unterschiedlichsten architektonischen Aufgaben betraut -- Wohnbauten für mehrere tausend Angestellte des Betriebs, Entwürfe für den städtischen Kulturpalast, städtebauliche Pläne, Grünanlagen und Gedenkstätten -- änderten sich 1964 ihre Aufgaben schlagartig. Nicht über Nacht, aber über's Wochenende.

Als Juri Gagarin 1961 als erster Mensch ins Weltall flog, brauchte es für seinen 108 Minuten langen Flug nur ein kleines Raumschiff. Erst die Entwicklungen hin zu längeren Aufenthalten im All erforderten größere Raumschiffe und somit auch wohnlich gestalteten Raum. Die Entwicklung des Raumschiffs "Sojus" stellte daher einen völlig neuen Typus des Raumfahrtzeugs dar: ein Raumschiff mit Wohnmodul. Das Vorgängermodul "Wostok", in dem auch Juri Gagarin den ersten Flug in den Weltraum bestritt, war einer Stahlkugel gleich und hatte lediglich eine Liegekonstruktion, die zur Stabilisierung des Körpers bei Start und Landung diente -- sonst nichts.

Die Kletthaftung zwischen Sofa und Hose

So bekam Balaschowa 1963 von Weltraumpionier und Leiter des OKB-1, Sergej Koroljow, den Auftrag Entwürfe für den Wohnbereich der Sojus-Reihe anzufertigen. Der Auftrag kam so kurzfristig, dass sie die Entwürfe an einem Wochenende zeichnete. Doch von da an prägte sie 30 Jahre lang das Design der sowjetischen Raumfahrt. Und blieb als Architektin in einer Welt voller Ingenieure recht einsam. Anders als ihre Kollegen ging sie in ihren Entwürfen vom Volumen und der Gesamterscheinung des Raums aus. Ihre Kollegen hingegen schlossen immer von einzelnen Details auf die Gesamterscheinung der Maschine. Bezeichnend hierfür ist, dass sie offiziell einen Ingenieursposten innehatte, da es im OBK-1 keine Architekten gab und es sie bis heute nicht gibt.

Dass es im Weltraum auch einen Geschirrschrank braucht und auch Kosmonauten irgendwann schlafen müssen, war Balaschowa im Gegensatz zu ihren Kollegen klar. Auch wenn es in der Schwerelosigkeit nicht entscheidend ist, wo Unten und Oben ist, so erleichterte Balaschowa es den Kosmonauten sich zu orientieren, indem sie das Interieur des Raumschiffs in ein vertrautes Farbsystem einteilte. Dunklere Farben vermittelten den Boden, hellere die Decke. Ein kräftiges Grün sollte Gras assoziieren, ein helles Gelb reduzierte gleichzeitig den Energieverbrauch durch Beleuchtung. So wurde es muckelig im Kosmos. Auch Balaschowas Aquarelle russischer Landschaften sollten es den Kosmonauten erleichtern nicht jede Haftung zur Erde zu verlieren. Die Haftung an den Sofas in der Kapsel hingegen wurde relativ schnell abgeändert. Bewährte sich das Klettverschlusssystem im Kampf gegen die Verselbstständigung von Gegenständen wie Rollfilmschachteln oder Konservendosen, so war es als Lösungsansatz für eine Sitzmöglichkeit eher ungünstig. Die Kletthaftung zwischen Sofa und Hose der Kosmonauten war so stark, dass man sich nicht nur der Hose, sondern auch recht schnell dieses Systems entledigte.

Was sie tat, lebte sie. Balaschowa führte die Handgriffe der Kosmonauten alle selbst durch. Der Plattenbau in dem sie wohnte, war so breit wie das Innere der Raumstation "Mir". Doch brachte sie nicht nur ihre Vorstellungen und Bilder ins Weltall, sie schaffte es auch das Weltall auf einige wenige Quadratzentimeter zu komprimieren. Nach ihrer regulären Arbeitszeit begann sie mit dem Zeichnen von heraldischen und numismatischen Entwürfen. Sie prägte nicht nur das Innenleben der Raumschiffe, sondern auch ihre Wirkungskraft nach außen.

Nun würdigt das Deutsche Architekturmuseum ihr Lebenswerk, das sehr lange der Geheimhaltung unterlag und präsentiert liebevoll ihre Entwürfe, Zeichnungen und Aquarelle, Materialproben, Modelle und Fotografien. Und weil Cockpit und Wohnbereich der "Mir" mit Modifikationen für die Internationalen Raumstation "ISS" übernommen wurden, sind ihre Entwürfe bis heute im Orbit zu finden.