Die David Bowie-Ausstellung des Victoria & Albert Museums hat den Martin-Gropius-Bau in Berlin erreicht und ist noch mehr als die Londoner Urfassung eine Sensation. Das SCHIRN-MAG hat sich auf Pilgerfahrt ins Hirn des ultimativen Popstars begeben.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Ausstellung, die im letzten Jahr -- fast zeitgleich mit der GLAM!-Schau in der SCHIRN -- mit rund 311.000 Besuchern die erfolgreichste in der Geschichte des Londoner Victoria & Albert Museums war, auch in die deutsche Hauptstadt kommen würde -- jene Stadt, die zwischen 1976 und 1978 Bowie und Iggy Pop als vorübergehende Heimat diente.

Vor allem ist David Bowie -- die Ausstellung -- eine spannende Lektion in Sachen Kulturmarketing: Als internationale Wanderausstellung wird die Schau in Deutschland von einer Münchner Werbeagentur betreut, die globale Marken im Portfolio hat. Und so reist statt des britischen Superstars, der selbst seit acht Jahren kein Konzert mehr gegeben hat, nun dessen Fundus als Stellvertreter durch die Weltgeschichte -- als erfrischende Variation von Kraftwerks Roboter-Klonen.

Und wie es im Veranstaltungssegment üblich ist, wurde auch hier bereits im Vorfeld die Hype-Maschine angeworfen -- schon in London wurden allein im Vorverkauf 67.000 Tickets abgesetzt und auch in Berlin eröffnete der Run auf die Eintrittskarten mit einem Vorlauf von zwei Monaten. Zwar kriegt man auch Tickets an der Tageskasse, doch wird Besuchern geraten, sich wegen möglicher Wartezeiten online 15-Minuten-Einlass-Zeitslots zu sichern. Für die Dauer der Ausstellung hat der Gropius-Bau nun an allen Tagen geöffnet und die Öffnungszeiten um eine Stunde verlängert.

Die Schau selbst, die wegen der zeitgleich stattfindenden Ai Weiwei-Retrospektive in der ersten Etage des Gropius-Baus Platz findet, präsentiert sich statt in der bombastischen Bühnenshow der hohen Hallen des V&A zu Beginn wie eine kleine Kabinettausstellung, durch deren enge, dunkle Galerien und Gassen die Besucher wie durch die Gehirnwindungen des Musikers schreiten. Eine besonders schöne Idee: Die zahlreichen verschlossenen Türen, die mit Gucklöchern Einblicke in die Bowie-Werdung des jungen David Jones geben -- um dann „from station to station" die Entwicklungsschritte und Metamorphosen des Musikers von Raum zu Raum immer spektakulärer abzubilden.

300 Exponate aus dem 75.000 Objekte umfassenden Privatarchiv Bowies haben die Kuratoren Victoria Broackes und Geoffrey Marsh zusammengetragen und auf einem beeindruckenden Multimedia-Parcours integriert: Originalkostüme, Handgeschriebenes, Musikinstrumente, Videos, Schallplatten und andere Relikte einer seit 50 Jahren ruhelosen Kreativität. Die akribische Sammlung -- die bis zum Zauberstab des Kinderfilms „Labyrinth" (1986) reicht -- steht den „Time Capsules" von Andy Warhol, in denen dieser alltägliche Korrespondenz und anderen Krimskrams bis zu seinem Tode in 611 Pappkartons aufbewahrte, in nichts nach.

Eine weitere Neuerung zum Londoner Original: Der Berlin-Raum, der Bowies Zeit in der Stadt mit allerlei Kuriosem -- der Wohnungsschlüssel zur Hauptstraße 155 (Was sagt eigentlich der Vermieter dazu?), eine Sitzbank des legendären Clubs „Dschungel", Bowies Briefwechsel mit Marlene Dietrich -- dokumentiert. Bowies eigene Gemälde dieser Phase werden mit einer Leihgabe des Brücke-Museums, Erich Heckels „Roquairol" von 1917, in Dialog gesetzt, das wiederum Vorlage für das „Heroes"-Plattencover ist. Die auffällig leise Musikausstellung -- den passenden Song zum jeweiligen Exponat hat der Audio-Guide parat -- endet mit einem Raum über die mannigfaltigen Einflüsse Bowies nicht zuletzt auf die Mode der letzten fünf Dekaden und entlässt seine Besucher dann nonchalant in den angrenzenden Shop.

Der Künstler, der die Schau angeblich nie selbst besucht und sich öffentlich nie dazu geäußert hat, blieb leider auch der Eröffnung fern, da half auch kein Promi-Auflauf von Frank-Walter Steinmeier über Blixa Bargeld bis Heike Makatsch.