Seit dem 27. Juni 2012 ist die Ausstellung „Malerei in Fotografie. Strategien der Aneignung“ im Städel Museum zu sehen. Jeff Wall trifft auf Hiroshi Sugimoto und Thomas Struth auf Louise Lawler.

Eine junge Frau blickt uns direkt an. Ihre zarten Hände liegen auf einer Fensterbank und hinter ihr steht die Kamera. In „Picture for Woman" (1979) wird ein Foto geschossen, aber nicht von einem realen Raum, sondern von einem Abbild eines Spiegelbildes. Der Sammlungsleiter Dr. Martin Engler und die Kuratorin Carolin Köchling integrierten die Arbeit von Jeff Wall in die Ausstellung, weil er „die Fotografie um Gestaltungsmöglichkeiten erweitert, die zuvor der Malerei vorbehalten waren. Wall macht die Fotografie unabhängig von einer vorgefundenen Wirklichkeit, sein Foto zeigt ein inszeniertes Bild, was lediglich für die Aufnahme eingerichtet wurde." So zeigt Carolin Köchling auf, dass Wall mittels neuer Techniken die malerische Idee der Illusion in der Fotografie fortführt und hier eine Verschränkung beider Medien stattfindet. 

Hiroshi Sugimoto fotografiert verlassene Orte. Mit Hilfe der Langzeitbelichtung verschwindet auf seinen Fotografien alles, was sich bewegt. Die Arbeit „Sam Eric, Pennsylvania" (1978) zeigt einen prunkvollen Theatersaal mit einer leuchtend weißen Kinoleinwand, auf der nichts zu sehen ist. Oder doch? „Hier findet eine Entleerung des abgebildeten Gegenstandes statt", sagt Carolin Köchling, „wie es uns aus der monochromen Malerei vertraut ist. Die Belichtungszeit entspricht der Dauer des Films. Übrig bleibt die weiße Fläche, die nicht die Bilder des Films, sondern das Material seiner Sichtbarwerdung zeigt: das Licht." Seine Bilder verdichten die Realität, komprimieren die Zeit und rücken formal nah an die monochrome Farbfeldmalerei.

Die kleinste Fotografie der Ausstellung zeigt ein verschachteltes Bild im Bild. Für „Add To It (E)" (2003) fotografierte Louise Lawler zwei Situationen. Vordergründig zeigt das Bild eine Ansicht von Lawlers Ausstellung im Portikus. Die dort von ihr präsentierte Fotografie bildet wiederum das Gemälde „Ema -- Akt auf einer Treppe" (1966) von Gerhard Richter ab. „Die Wahl des fotografischen Ausschnitts macht schnell deutlich, dass die abgebildete Malerei weder kompositorisch noch inhaltlich im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Es sind vielmehr ihre Rahmenbedingungen im Kunstsystem, die Lawlers Bilder vor Augen führen," so die Kuratorin. Lawler interessiert sich für die Geschichte von Werken. In diesem Sinne fängt sie Richters Gemälde während des Ausstellungsaufbaus ein. Genau in dem Moment, in dem es eben nicht akkurat hängt, sondern quer an die gelehnt auf den Boden steht. Mit ihren dokumentarischen Zügen ist gerade die Fotografie für Lawler das geeignete Medium, um Unsichtbares sichtbar zu machen. 

„Sie werden in der Ausstellung ausschließlich fotografische Bilder sehen, aber sie werden darin immer wieder auf Malerei stoßen," verrät Köchling. Thomas Struths Fotografie „Louvre III" (1989) scheint exemplarisch für ihr Statement. Die Innenansicht aus dem Louvre zeigt malerische Porträts, Allegorien und Historienbilder in ihrer musealen Präsentation. Hier fängt die Fotografie die Malerei ein und zeichnet ein Bild der Zeit.

Die Ausstellung „Malerei und Fotografie. Strategien der Aneignung" setzt sich reflektiert mit dem Einfluss der Malerei auf die Bildproduktion der zeitgenössischen Fotokunst auseinander. Die überschaubaren, aber ausgesuchten Werke von Jeff Wall, Robert Rauschenberg, John Baldessari, Richard Hamilton und Annette Kelm führen die wechselseitige Beziehung eindrücklich vor. Gleichzeitig wird Fotografie als ein hybrides Medium präsentiert, dass aus einer Vielzahl technischer Ressourcen zur Bildfindung schöpft. So divers wie die verhandelten Themen, sind auch seine Techniken zur Produktion und Präsentation.