Die Ringstube in Mainz bietet einen frischen Blick auf junge künstlerische Positionen zwischen Spiel und Ernst, zwischen Seriosität und Improvisation.

Sechzig Quadratmeter misst der Raum, der die Mainzer Gegenwartskunst nicht nur bereichert, sonder ihre Szene maßgeblich mitformt. Sechzig Quadratmeter, ruhig gelegen in einem Hinterhof des Kaiser-Wilhelm-Rings, wenige Minuten von Bahnhof entfernt. Die Ringstube wurde im Oktober 2009 durch den Kunststudenten Lucas Fastabend gegründet und wird seitdem gemeinsam mit Stephan Engelke, Arthur Löwen, Jonas Maas, Brit Meyer, Sebastian Reckling betrieben und kuratiert. Der Offspace bietet anderen Künstlern den Raum, ihre eigene Kunst zu erproben und zu präsentieren. Gleichzeitig erhalten auch die Betreiber die Chance aus diesem Zusammenwirken von Arbeiten und Raum zu lernen und die eigene künstlerische Position weiterzuentwickeln. Das sichtbare Resultat ist ein frischer Beitrag zum Diskurs der Gegenwartskunst im Rhein-Main-Gebiet. Aktuell ist in der Ringstube die Ausstellung „HOW DID THE NIGHT GET SO STRONG“ mit Arbeiten von Flurin Bisig, Christof Lötscher, Jugoslav Mitevski und Nadine Städler zu sehen.

Zwischen vier Wänden

Der helle Raum wirkt einladend, von der urigen „Stube“ im Namen ist bei dem visionären Projekt nichts zu erkennen. Kein Wunder, die Betitelung wurde schlicht von einer Kneipe übernommen, die kurz vorher in der Nachbarschaft dicht gemacht hatte. „Wir wollten nicht, dass der Inhalt nach dem Namen codiert wird – sondern umgekehrt, dass unser Projekt für die Inhalte sorgt, mit denen der Name verknüpft ist“, erklärt der Gründer Lucas Fastabend. Die intensive Auseinadersetzung der Künstler mit dem Projektraum ließen die Arbeiten von Thea Heise erkennen, mit denen Ende Oktober die neue Saison der Ringstube eröffnet wurde. Die Künstlerin nutze die lange Sommerpause, um sich intensiv mit der Raumsituation auseinanderzusetzen und vor Ort zu arbeiten. Auch die Videoprojektion von Tobias Donat im Vorraum des anliegenden Kellers trat in Dialog mit den Gegebenheiten vor Ort. Die markante Struktur von Wänden und Boden ist eine Herausforderung, der sich alle Künstler in der Ringstube stellen müssen. Es handelt sich nicht um einen cleanen Museumsraum, sondert um einen Ort, zu dem die Künstler zwangsläufig Stellung beziehen müssen.

Ein seriöser Spielplatz

„Man muss den Raum um sicher herum brutal ernst nehmen und sich brutal ernst nehmen – und dann spielerisch damit umgehen“, so Ringstuben-Gründer Fastabend. In einem Stadium zwischen Spiel und Ernst, zwischen Seriosität und Improvisation befindet sich auch die Ringstube selbst, die nicht direkt an die Kunsthochschule Mainz angebunden ist, aber doch durch den Semesterrhythmus von Ausstellungen und Pausen an das studentische Zeitgefühl anknüpft. Hier bekommen junge Künstler die Chance, ihre Arbeiten auszuloten und die Mainzer Kunststudenten ein Fenster zu Positionen der zeitgenössischen Kunst aus Deutschland und darüber hinaus. Dabei wachsen die Betreiber stets mit ihrer Arbeit, es steigt nicht nur der Anspruch an die eigene Professionalität, sonder ebenso die Erwartungen an die eingeladenen Künstler. Eine gewisse Offenheit für entstehende Prozesse ist dabei aber unerlässlich. Bei „HOW DID THE NIGHT GET SO STRONG“, kuratiert von Arthur Löwen, treffen vier künstlerische Positionen aus Deutschland und der Schweiz auf einander.

Alternativen schaffen

Die Aufgabe als Alternative Space besteht für die Ringstube nicht darin, sich provokant den bestehenden Institutionen entgegenzustellen oder diese zu kritisieren. Vielmehr galt es einen strukturellen Mangel in Mainz, nämlich das Fehlen eines nicht-institutionellen Raumes für aktuelle Kunst, zu beheben und die Kunstlandschaft zu bereichern. „Feldarbeit im Randgebiet künstlerischer Professionalität“ formuliert es Künstler und Mitbetreiber Stefan Engelke. Dabei wurde diese Leerstelle von Anfang an als Potenzial gesehen. Doch auch wenn ein naiver Umgang mit der Materie durchaus erwünscht ist, sind die gezeigten Künstlerpositionen durchaus gefestigt. So etwa das deutsch-schweizerische Künstlerkollektiv „Institut für Feinmotorik“, das im März diesen Jahres der Einladung in die Ringstube folgte. Die Ausstellung von Michael Riedel, die parallel zum Beginn der großen Schau in der SCHIRN eröffnet wurde, konnte nicht nur beweisen wie aktuell der Mainzer Kunstdiskurs ist. Es gelang ein schelmischer Verweis auf Riedels ent-ortende Arbeitsweise und seine Wurzeln im Off-Space. Die eigene Positionierung zwischen Projektraum und Kunstinstitution zeigt die Ringstube in einer Art Jahresrückschau. Am 18. und 19. Dezember findet man dort die Präsentation der „Editionen der Ringstube“, die gleichzeitig dem Verkauf von limitierten Arbeiten dient. Auch die Pläne für das neue Jahr bieten Grund zur Vorfreude. Im Januar sollen innerhalb von drei Wochen 10 Ausstellungen auf einander folgen, um ein schnell getaktetes, visuelles Gespräch zwischen Künstlern, Raum, und Betrachtern zu ermöglichen.