Sieben junge Künstler demonstrieren im Neuen Kunstverein Aschaffenburg die Möglichkeiten und Potenziale zeitgenössischer Bildhauerei.

Alles begann vor 25 Jahren mit Skulpturen im öffentlichen Raum. Die Bildhauer Ottmar Hörl, Georg Hüter und Wolfgang Luy gehörten zu den ersten Künstlern, die der damals gegründete Neue Kunstverein Aschaffenburg zeigte. Jahrelang waren sie, und sind es zum Teil noch, Dozenten und Professoren an den Kunsthochschulen in Offenbach und Nürnberg. Nun präsentieren sieben Absolventen der Klassen Hörl, Hüter und Luy in den Ausstellungsräumen des Neuen Kunstvereins Aschaffenburg ihre bildhauerischen Arbeiten. Kunstvereinsleiterin Elisabeth Claus spricht von einer „Familienfeier“.

Laura Baginski, Vulviva, 2012, Foto: Laura Baginski

Die Schau versammelt sehr unterschiedliche Ansätze, die dennoch überraschend gut miteinander korrespondieren. Laura Baginski studierte an der HfG Offenbach. Als übergreifendes Thema ihrer Arbeiten nennt die Künstlerin „die organisch-zyklischen Prozesse der Natur und deren Verbindung zum weiblichen Körper und zur weiblichen Identität“. Ihre Bronzeskulptur „Vulviva“ ist über dem Eingang zum Ausstellungsraum im 1. Stock angebracht. Sie zeigt eine präzise ausformulierte weibliche Figur mit gespreizten Beinen und weit geöffnetem Genital. „Verschlingung“ heißt ein Gipsrelief, das die menschliche Figur mit ornamentalen Elementen zu einem Ganzen verbindet. 

Die Widersprüche des Materials 

Emilia Neumanns Objekte sind das Ergebnis eines aufwendigen Arbeitsprozesses. Im ersten Schritt sucht die HfG-Absolventin nach existierenden Alltagsformen – Autostoßstangen zum Beispiel – um sie dann umzubauen und zu verfremden. Neumann fertigt daraufhin eine Negativform und gießt sie mit Gips oder Beton aus, den sie gleichzeitig einfärbt. Stahlelemente kommen zur Stabilisierung hinzu, anschließend eine Verkleidung aus weißem Gips. Die fertigen Objekte faszinieren durch ihre starke Wirkung im Raum. Vorderseite und Unterseite, Außen und Innen lassen sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Emilia Neumann schätzt die Widersprüche des Materials. Man begegnet glatten Oberflächen, aber auch Bruchkanten. Der blanke Gips bleibt ebenso sichtbar wie der Stahl.

Arbeiten von Emilia Neumann, Foto: Eugen El, 2016
Lisa Marei Klein, Zahn um Zahn, 2016, Foto: Lisa Marei Klein

Die „Zahn um Zahn“ betitelte Plastik der HfG-Absolventin Lisa Marei Klein wirkt fragil, als hätte man sie beiläufig arrangiert. Klein zitiert Elemente aus dem Möbeldesign, verfremdet sie unter anderem durch Einsatz von Wachs. Auch fügt sie großformatige, von einem 3D-Drucker hergestellte Federn hinzu. Das bevorzugte Material der Künstlerin Yoonsun Kim, die ebenfalls in Offenbach studiert hat, ist Bambus. Ihre luftig wirkenden Bambusstrukturen setzt sie in einen Kontrast mit massiven Sandsteinblöcken. 

Zusammenhänge zwischen Menschen und Generationen 

Eine Arbeit hat Yoonsun Kim auf den Ausstellungsraum bezogen aufgebaut, ohne auf das stabilisierende Element des Steins zurückzugreifen. Dadurch wirken die Bambusstrukturen wie ein Geflecht, das sich potentiell ins Unendliche ausdehnen könnte. Von einem „Menschengeflecht“ spricht die Künstlerin Simona Koch, die an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert hat. In einem Raum im 2. Stock zeigt sie geflochtene Strukturen aus Garn, die, auf dem Boden verteilt, an einen wuchernden Organismus erinnern. Die Zusammenhänge zwischen Menschen und Generationen veranschaulicht etwas konkreter der gezeichnete „Bauplan“ ihres Geflechts, der einem Stammbaum gleicht.

Arbeiten von Yoonsun Kim im Neuen Kunstverein Aschaffenburg, Foto: Eugen El, 2016

Simona Koch, Menschengeflecht #2, Neuer Kunstverein Aschaffenburg, 2016, Image via en-bloc.de

Lakonisch und zuweilen ironisch sind die Arbeiten von Jörg Obergfell, ebenfalls Absolvent der AdBK Nürnberg. So zeigt er zum Beispiel einen „Brunnen“. In einer Wanne hat Obergfell einige Äste platziert, von denen eine mit Wasser gefüllte Plastiktüte herabhängt. Aus zwei Löchern plätschert das Wasser unaufhörlich in die Wanne. Einen eindrucksvollen Abschluss der Ausstellung bilden die skulpturalen Objekte von Urban Hüter. So hat der AdBK-Absolvent ein raumfüllendes, bedrohlich wirkendes 'Mischwesen' konstruiert. Dazu verwendete er ursprünglich unsichtbare Autoteile aus schwarzem Kunststoff sowie Aluminium. An vielen Stellen ist das Objekt sichtbar verschraubt. Es wirkt, als wäre es gepanzert. 

Gesellschaftliche Missstände 

Man kann die Form des Objekts nicht genau einordnen. Es changiert zwischen Maschine und Lebewesen. Für Hüter stellt es „die grundsätzliche Frage nach unserer Rechtfertigung angesichts menschenverursachter Übel mit Blick auf die nachfolgenden Generationen“. Nicht alle Künstler der Ausstellung thematisieren so explizit gesellschaftliche Missstände. Die fließenden Grenzen zwischen Organischem und Technischem sind jedoch fast allen Positionen dieser sehenswerten Schau eigen.

Urban Hüter, Anthropodizee, Installationsansicht im Neuen Kunstverein Aschaffenburg, Foto: Eugen El, 2016
Jörg Obergfell, Brunnen, 2016, Foto: Jörg Obergfell