Ende der 90er träumten junge Unternehmer von einer neuen Arbeitswelt im Internet, doch schon zur Jahrtausendwende platzte die Dotcom-Blase. Das Theaterstück „Cash Burn Circus“ wirft nun einen Blick zurück.

Es war ein großer Traum. Der Traum von einer ganz neuen Art, zu arbeiten. Keine starren Hierarchien, kein Oben, kein Unten. Die Arbeit sollte so sein wie das Netz: demokratisch, pluralistisch, herrschaftsfrei. Trotzdem wollte man Teil einer Elite sein, wollte Innovationen umsetzen. Jeder wollte damals der sein, der das nächste große Ding, von dem dann alle reden, erfindet. Es herrschte Goldgräberstimmung, am Ende der 1990er-Jahre, in den Zeiten der „New Economy“. Schon der Name signalisierte den Wunsch, etwas völlig Neues zu erschaffen. Doch dann, das neue Jahrtausend war gerade angebrochen, war der Traum auch schon wieder vorbei. Die Dotcom-Blase war geplatzt, das viele Geld der Venture-Capitalists verbrannt. Die, die sich gerade noch zur Speerspitze der Ökonomie zählen durften, standen nun nicht selten als Arbeitslose da.

Aufstieg und Fall im Jahr 2000, Image via news.bbc.co.uk

Die Berliner Theaterregisseurin Heike Scharpff und ihr Team wollen einen Blick zurück auf die Zeiten der „New Economy“ werfen. „Cash Burn Circus“ nennen sie ihr Stück, das eine „performative Zeitreise von der New Economy in die Zukunft“ werden soll. Am kommenden Donnerstag feiert es Premiere. Gezeigt wird es an einem ganz besonderen Ort: im Zukunftspavillon auf dem Goetheplatz, mitten zwischen den Hochhäusern der Frankfurter Bankenwelt, an einem Ort „mit Reibungsfläche“, wie Regisseurin Heike Scharpff sagt. Später wird das Stück auch am Ballhaus Ost in Berlin laufen.

Es ging nicht um das große Geld

Scharpffs Performance erzählt von zwei Frauen, die rückblickend von ihrem Versuch, sich im World Wide Web als erfolgreiche Unternehmerinnen durchzusetzen, erzählen. Für das Stück haben die Regisseurin und ihre Mitstreiter einige Interviews mit Menschen, die damals in den boomenden Internet-Firmen gearbeitet haben, geführt. Andere Berichte aus dieser Zeit ergänzen ihre Recherchen. Die Dramaturgin Anne-Sylvie König hat daraus einen Text erarbeitet. „Uns hat die Frage interessiert, was die Leute an dieser neuen Arbeitswelt fasziniert hat, was sie angezogen hat“, erzählt Heike Scharpff. „Den meisten ging es damals nicht darum, das dicke Geld zu machen, sondern sie wollten vorne dabei sein, sie wollten an der Spitze einer Entwicklung stehen.“

CASH BURN CIRCUS, Foto: Ulrich Wessollek

Es ging um das Gemeinschaftsgefühl. Es ging darum, mit Mitte zwanzig das Wagnis einzugehen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Es ging darum, dass die eigene Firma zum Lebensmittelpunkt werden sollte. „Damals ist die Idee entstanden, dass Arbeit und Freizeit eins sind, dass es keine Trennung mehr dazwischen gibt“, sagt Heike Scharpff. Die Gründer und Gründerinnen der „New Economy“ legten so, auf der Suche nach Freiheit, auch einen Grundstein für den Flexibilisierungsdruck in der heutigen, neoliberalen Arbeitswelt. Aus der Utopie wurde Zwang.

Diskurse anschieben

In ihrem Stück will es Heike Scharpff aber nicht bei der Beschreibung des Status Quo belassen. „Cash Burn Circus“ will auch einen Ausblick in die Zukunft werfen, will die Frage stellen, wie aus dem Ist-Zustand etwas Besseres entstehen könnte. Am Ende soll das Publikum über diese Frage miteinander ins Gespräch kommen. „Ich finde es wichtig, dass Künstler sich an aktuellen gesellschaftlichen Debatten beteiligen“, sagt Heike Scharpff. Es ist ihr ein Anliegen, mit ihren Stücken Diskurse anzuschieben, zum Nachdenken anzuregen.

Heike Scharpff, Foto: Alexander Jürgs

Zum Theater ist sie als Quereinsteigerin gekommen. Scharpff hat eigentlich Psychologie studiert. Während sie in Berlin ein Praktikum absolvierte, besuchte sie eine Inszenierung von Frank Castorf an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz – und war sofort hin und weg. „Da hat mich die Begeisterung gepackt“, erzählt sie. Zurück in Marburg, wo sie studierte, engagiert sie sich in der freien Szene, wird Mitgründerin des Theaterhauses Waggonhalle. Am Staatstheater Darmstadt arbeitet sie später als Regieassistentin. Als freie Regisseurin inszeniert sie bald am Frankfurter TAT, am Mousonturm, am Theater Oberhausen, am Theater Rampe Stuttgart. „Cash Burn Circus“ ist für Heike Scharpff nun auch eine Rückkehr. Bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Jahr 2010 hat die Regisseurin in Frankfurt gelebt. „Mit der Theaterszene der Stadt bin ich noch immer sehr verbunden“, sagt sie.

CASH BURN CIRCUS, Foto: Ulrich Wessollek