Am Wochenende lud die Art Berlin Contemporary („abc“) zur Präsentation aktueller Positionen der internationalen Kunst. Zu sehen waren auch Arbeiten von Künstlern, die in „Geheimgesellschaften“ vertreten sind.

Schon in der Schlange beherrschte ein Thema den Small Talk: Ist die „abc“ das neue „Art Forum“? Eine Frage, die im Lauf des Abends zwischen Gläserklirren und Blitzlicht immer wieder aufkam. Die Berliner Kunstmesse „Art Forum“ wurde dieses Jahr abgesagt. Kaum Besucher, kein Konsens mit den Machern der Nebenveranstaltungen und schlechtes Timing innerhalb des internationalen Messebetriebs hatten zum vorläufigen Aus geführt. Zur Hauptkonkurrenz gehörte neben der „Berliner Liste“ und der „Preview“ bisher auch die „abc“ – ein Verbund Berliner Galerien organisierte sie in diesem Jahr bereits zum vierten Mal. Sie wird dem „Art Forum“ aller Voraussicht nach den Rang ablaufen. Die Atmosphäre beim Opening knisterte entsprechend. Doch das Ereignis im ehemaligen Berliner Postbahnhof Gleisdreieck konnte sich sehen lassen und überzeugte selbst Skeptiker.

Der zentral in der Stadt gelegene Veranstaltungsort erwies sich als gute Wahl. Architekt Jan Ulmer ließ durch zwei der riesigen historischen Hallen eine vier Meter hohe Wand mit Arbeiten von 130 Künstlern laufen. Sie alle widmeten sich dem Thema „About Painting“. Wie der Titel schon vermuten ließ, waren nicht nur Gemälde ausgestellt, sondern auch Videoarbeiten, Fotografien und Installationen, die sich mit dem Urgenre der Kunst auseinandersetzten. Rita Kersting und Marc Glöde stellten sich eine schwierige kuratorische Aufgabe, schließlich wählten sie ein weit interpretierbares Thema. Tatsächlich aber gab es bei fast allen Arbeiten einen direkten Bezug zur Malerei,

In der Einleitung zum Katalog der „abc“ schreibt Kersting: „Im Jahr 2011 wird die Malerei vielleicht das erste Mal wieder als gleichwertiges Genre zwischen den verschiedenen Disziplinen der Kunst gesehen, weder als Königin, noch als Aschenputtel.“

Der künstlerische Umgang mit dem Medium ist erfrischend, verspielt und experimentell. Das zeigten auch die vier Künstler, die in der Ausstellung „Geheimgesellschaften“ vertreten sind. Markus Schinwald, der in diesem Jahr auch den österreichischen Pavillon der 54. Biennale in Venedig bespielte, setzte sich in seinen bei der „abc“ präsentieren Arbeiten mit der Malkunst alter Meister auseinander. Er veränderte Porträtminiaturen aus dem 19. Jahrhundert durch Eingriffe mit dem Pinsel und malte einer Frau zum Beispiel ein Tuch über Gesicht und Kopf, oder platzierte einer anderen eine Halskette im Gesicht statt im Dekolletee, um so mit Sehgewohnheiten zu brechen. Schinwalds Herangehensweise inspiriert sich allerdings in einer ganz anderen Disziplin: „Obwohl ich zwar manchmal mit Gemälden arbeite, geht es mir weniger um den Prozess der Malerei, als um eine Methode, die man eher aus der Architektur kennt – das Umbauen.“ Viele Künstler setzten sich mit den Möglichkeiten verschiedener Materialien, Techniken und Stile auseinander. Enrico David präsentierte zwei Arbeiten aus schwarzer Acrylfarbe auf Leinen, die auf Linolschnitten basieren. Sie zeigen die Profile zweier Gesichter, die verschiedene Emotionen ausdrücken. Ulla von Brandenburg steuerte einen aus der Leinwand geschnittenen, über fünf Meter langen Wald bei – eine Art Märchenwald in Knallorange, der jede Menge Blicke auf sich zog. Den größten Spielraum für Interpretationen lieferte Matias Faldbakken. Er präsentierte eine Skulptur aus 700 von Gurten zusammengezurrten Videokassetten. Der Bezug seiner Arbeit zum Thema der Schau war eher indirekt: „Die Malerei ist der Grund, warum ich überhaupt Künstler geworden bin. In einem Gemälde verschmelzen die Idee, die Ausführung und die Ästhetik zu einer Einheit. Ich versuche, alle meine Arbeiten in dieser Weise entstehen und wirken zu lassen.“

Im diesjährigen Berliner Kunstherbst hat sich die „abc“ jedenfalls als Mittelpunkt mit spannenden Themen behauptet. Eine Veranstaltung dieser Art braucht eine Stadt wie Berlin auch dringend, schließlich wird sie als Nabel der aktuellen Kunstwelt gehandelt. Markus Schinwald hat selbst einige Jahre in Berlin gelebt, misst der Stadt allerdings weniger Bedeutung bei: „Ich denke, es ist eher eine Art Magnet als der Ort, an dem alles zusammenläuft.“ Die „abc“ bewies jedenfalls Anziehungskraft – wir freuen uns auf nächstes Jahr.