Wenn so die Drogenhölle aussieht, dann bitte mehr davon: Im Zoom präsentiert Adam Green seinen neuen Kunst- und Künstlerfilm "Aladdin".

Aladdin is back: Der edle Adelige aus dem Morgenland sucht seine auffallend phallisch geschwungene Wunderlampe nun als Verkörperung eines jüdischen Singer-Songwriters (einst einer der liebsten der Bundesrepublik) in einer grellbunten Pappmaché-Hölle, die jede Disney-Adaption vor Neid zu einem Schwarz-Weiß-Streifen aus den Zeiten des Wirtschaftswunders erblassen lassen muss. Der orientalischen Wüste Kargheit lässt er zu Gunsten einer Schluchtenschlacht aus Hochhäusern und Straßen hinter sich, in denen immer Videospielzeit ist, immer Studiobeleuchtung herrscht. Ach ja, are you interested in music?

Der Musiker, Künstler und Filmemacher Adam Green, Image via giga-music.de

Der großartig beknackten Wandlungen und Szenerien sind derer noch lange nicht genug: Die ausgesprochen freie Interpretation der 1001-Nacht-Sage präsentiert einen korrupten Sultan und eine dysfunktionale Familie irgendwo im Nirgendwo der endlosen Staaten, deren Attribute Aladdin-Darsteller und Filmemacher Adam Green ausstattungstechnisch auf die eben beschriebenen Leuchtreklamen und Videospielhöllen, Endlosfensterreihen und Straßen extrahiert. Dazwischen trägt man gern historische Uniformjacken, malt Protestschilder gegen die C.I.A., trifft sich in schummerigen Bars und befummelt sich an den Pappmaché-Brüsten.

Ein talentierter Freundeskreis

Der Cast für dieses mindestens optisch drogengeschwängerte, in jedem Fall aber reichlich Psychoanalyse, Comics und Traumdeutung zitierende Epos umfasst mit berühmten und einstmals als Kinderstar berühmten Schauspielern wie Natasha Lyonne und Macaulay Culkin, einer ganzen Riege von Artstars wie Har Mar Superstar (der vor rund einem Jahrzehnt mal halbnackt vor den Strokes auftrat) oder Jack Dishel und Künstlern wie Francesco Clemente einen guten Ausschnitt aus Greens beneidenswert talentiertem Freundes- und Bekanntenkreis.

Still aus Adam Greens Film "Aladdin"

Apropos Clemente: So wie einst jener mit Jean-Michel Basquiat und Andy Warhol zur künstlerischen Ménage à trois fusionierte, arbeitete Adam Green in den letzten Jahren immer wieder mit seinem Antifolk-Kollegen aus früheren Tagen, Toby Goodshank, und Macaulay Culkin als Kunstkollektiv 3MB zusammen, wobei dann unter anderem so etwas wie eine Art Brut zitierende Version der Dogs Playing Poker-Serie herauskam. Und auch damit wäre sein künstlerischer Output der letzten Jahre, der im Gegensatz zum musikalischen und kurz auch literarischen davor deutlich weniger Beachtung erfuhr, längst nicht vollständig skizziert: Insbesondere Comickater Garfield diente Adam Green als wichtige Inspiration für Bilder, Skizzen und Skulpturen, die er anfangs noch in seinem Apartment abfotografierte und auf sein damaliges Blog stellte.

Durch Crowdfunding finanziert

Türme aus orangefarbenem Pappmaché, knuffige Katerbacken mit Schnurrbarthaareinkerbungen ohne Schnurrbarthaare und der phlegmatische Blick mit den halb geschlossenen Comic-Augenlidern waren da zu sehen, und immer wieder auch die Freunde und Bekannten, die mit Kleister und Papierfetzen am Aufbau der Pappmaché-Plastiken behilflich waren, welche dann wiederum in diversen New Yorker Galerien ausgestellt wurden. Und nun nach dem 2011 als Online-Version herausgebrachten „The Wrong Ferarri“ also schon der zweite Spielfilm, durch Crowdfunding finanziert, die selbstgebauten Sets in einem der typischen Brooklyner Fabrikhallen aufgenommen und nach Abdreh in der renommierten Fondation Beyeler ausgestellt.

Künstler Francesco Clemente als Genie aus der Flasche, Image via vice.com

Macau­lay Culkin und Alia Shawkat in Adam Greens "Aladdin"

Wer Mr. Green also als etwas tollpatschigen Indie-Barden, Mädchenschwarm und insbesondere deutschsprachiges Feuilleton-Liebling längst ad acta gelegt hatte, der darf sich mit „Aladdin“ gern eines Besseren belehren lassen: Die Vorstellungskraft des New Yorkers reicht offenbar mehrmals um den gesamten Erdball, bis ins Weltall und durch die Tiefen von Cortex und limbischem System (oder wo die Neurobiologie Träume künftig verordnen mag).

Fellini on Ketamine

Ob drogeninduziert oder nicht, spielt für das Ergebnis keine Rolle, auch wenn Green mit der Kritik seines Vorgänger-Spielfilms „The wrong Ferarri“, komplett auf einem iPhone und nach Selbstaussage unter reichlich Einfluss eines ganz bestimmten Betäubungsmittels gedreht, gern Werbung für das aktuelle Werk macht. Voilà: Ketamin, das als Anästhetikum heute vorrangig in der Tiermedizin eingesetzt wird und das mit seinen Versprechungen von der Reise ins metaphysische „K-Hole“ LSD als Psychedelikum längst den Rang abgelaufen hat. „Fellini on Ketamine“ titelte also einst folgerichtig der Rolling Stone über das Debüt und titelt nun Adam Green für seinen neuen Film.

Still aus Adam Greens Film "Aladdin"

Schon im falschen Ferarri (sic!) ließ Green zum Beispiel Macaulay Culkin als Super-Mario durch Videospiele aus Pappmaché rasen oder das für seinen traurigen Blick berühmte It-Girl Cory Kennedy aus einer ebensolchen Wiese auf einen Mann im Plüschkostüm treffen. Auch hatten weniger bekannte New Yorker wie Musiker und Comiczeichner Jeffrey Lewis und Bandkollegen kurze Auftritte, wurden historische Uniformen und Hüte getragen und ein wenig unappetitliche Szenen mit menschlichen Körperöffnungen eingebracht.

Hyper-sinnlich, poetisch und humorvoll

„Aladdin“ dürfte zumindest visuell noch einmal eine gute Steigerung des Vorgängers sein, der stellenweise doch ganz bewusst ausgesprochen spröde daherkam, und die eine niemals abreißende Assoziationskette kreierenden Gaga-Dada-Einfälle auf ein technisch zumindest etwas anspruchsvolleres Level hieven. Oder, um es mit den Worten des Künstlers zu sagen: „Es ist eine hyper-sinnliche, poetische und humorvolle moderne Version der klassischen 1001-Nacht-Geschichte,“ in der, so Green weiter, seine eigene symbolische Vorstellungskraft weiter erforscht werde und in der er spiele „wie eine Alejandro Jodorowsky-Version von Aladdin“, die Dialoge so temporeich wie das Fantasy-Videospiel Xavier: Renegade Angel oder South Park. Viel mehr kann man sich von einem Kunst-/Experimental-/DIY-/Spiel-Film nicht versprechen.

Musik gibt es übrigens auch: Adam Green hat einen kompletten Soundtrack zum Film komponiert, den er im „Zoom“ –neben dem Film -  aufführen wird.

Der Musiker und Künstler Adam Green, Image via livenation.de