33 Absolventen der Städelschule zeigen ihre Abschlussarbeiten im MMK Zollamt. Den vom Verein Städelschule Portikus e.V. gestifteten Absolventenpreis erhält in diesem Jahr Daniel Hörl.

In gleichmäßigen Intervallen durchzieht der Ton einer Rückkopplung den Ausstellungsraum des MMK Zollamts. Ein Miniaturverstärker rotiert auf einer kleinen Plattform und immer wenn dieser sich dem Mikrophon annähert, erklingt ein durchdringendes Pfeifen, das dem Mund einer steinernen Schönen zu entfliehen scheint. Der Absolvent Christoph Esser hat die Schlafende samt ihrer separaten Füße aufgetan: Die Skulptur ist das Werk eines unbekannten Künstlers der Städelschule, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gefertigt wurde und nun in der Arbeit „Kinetische Skulptur“ zu neuem Leben erwacht.

„say my name, say my name.“ heißt die diesjährige Ausstellung der 33 Absolventen der Städelschule, in der sich auch der unbekannte Künstler wiederfindet. Pate stand dem Titel der gleichnamige Song von Destiny's Child. Während die drei R&B-Sängerinnen allerdings einen Liebesbeweis einfordern, thematisieren die Absolventen ironisch ihre eigene Situation: Die jungen Künstler verlassen die Akademie, um sich einen Namen in der Kunstwelt zu machen. Dieser Aufbruch beginnt im MMK Zollamt, denn im bereits fünften Jahr bestreiten das Museum und die Städelschule die Absolventenausstellung gemeinsam. Im Vergleich zum letzten Jahr sind doppelt so viele Künstler beteiligt, doch dem Kurator Bernd Reiß gelingt es, ein Raumkonzept zu entwerfen, das jeder Position einen eigenständigen Rahmen gibt.

Neben Skulpturen, Malereien, Installationen, Performances und Videos sind auch ortsspezifische Arbeiten zu sehen: Kristian Laudrup Hansen verweist mit einem Wandschild auf eine Reihe von 16 Büchern, in denen die Emails seines Professors Michael Krebber an die Studierenden über einen Zeitraum von vier Jahren dokumentiert sind. Die Bücher enthalten sämtliche Anhänge und Verweise der Korrespondenz und sind in der Bibliothek des Hauses einzusehen. Einen konkreten Eingriff in den Raum nimmt Patrick Keaveney vor: Ein dreieckiges Loch in der Wand legt den Blick frei auf Reste, die beim Bau der Ausstellungsarchitektur angefallen sind. Auf der rohen Gipskartonwand gibt eine handschriftliche Notiz Auskunft darüber, dass ein studentisches Aufbauteam zwei Jahre zuvor aus der Not heraus kurzfristig beschloss, „irrelevante Details“ in die Wand einzubauen, um sie zu verstecken.

Die Absolventen dieses Jahres haben in den Klassen von Douglas Gordon, Judith Hopf, Michael Krebber, Christa Näher, Tobias Rehberger, Willem de Rooij und Simon Starling studiert. So viele sie an der Zahl sind, so dynamisch und breit ist auch das Spektrum an künstlerischen Ideen, Bezügen und Umsetzungen. Elif Erkan hat die Scherben roter Teller in hüfthohe und ebenso breite Betonflächen gegossen und die dreiteilige Arbeit „Concrete Strategies For Scarlet Dieting“ genannt. Rote Teller sollen den Hunger beim Essen verringern und das gezielte Abnehmen fördern. Während Erkan Objekte und Körper in ein Verhältnis zueinander setzt, setzt Johanna Kintner ihre Skulptur dem Raum und der Schwerkraft aus: Eine Stange aus weißer Keramik ist an einer einzigen Stelle mit einem Band befestigt, so dass sie die Balance hält und zu keiner Seite kippt. Auf der Wand dahinter hängt ein Bildscan, der fragmentiert den Raum wiedergibt, in dem die fragile Stange positioniert ist.

Die Wahrnehmung von Raum, ein anderer Blick auf die Dinge und die Darstellung von ungeahnten Perspektiven finden sich verschiedentlich, aber stets präzise umgesetzt, in den gezeigten Arbeiten wieder. Jannis Marwitz beschäftigt sich in seinen Malereien mit der Verschränkung und Auflösung von Raum und Zeit: Seine Bilder deuten Körper und Gesichter an, die von räumlichen Elementen durchbrochen werden und sich prismenartig über die Flächen verteilen. Eine der vier Malereien bildet zwei große braune Griffe ab, die einen Halt vortäuschen und den Betrachter mitten in die Auflösung der Realität hineinziehen.

Eine Ahnung von Unendlichkeit erschafft Daniel Hörl, der diesjährige Träger des Absolventenpreises. Seine Wandarbeit wurde im Rahmen der Eröffnung von der Jury, der Professor Willem de Rooij, der stellvertretende Direktor des MMK Peter Gorschlüter und die Journalistin und Kunstexpertin Brigitte von Trotha-Ribbentrop angehörten, ausgezeichnet. Hörl ist gelernter Steinbildhauer und hat einem Naturstein des Materials Schwarz-Schwedisch, das gemeinhin als Grab- oder Gedenkstein Verwendung findet, die abstrahierte Gestalt eines Fernsehmonitors gegeben. Das innerste Feld ist konkav gewölbt, und je nach Betrachtungspunkt reflektiert die Fläche Licht, ohne je vollständig ausgeleuchtet zu sein. So bleiben in der Skulptur „Obama“ stets schwarze Flecken, die dem Blick eine scheinbar unergründlich Tiefe eröffnen.

Es gibt viel zu entdecken in dieser Ausstellung, die eine gute, eigene Energie in sich trägt, gerade weil sie den Aufbruch der jungen Künstler markiert. Die Absolventen sind vorbereitet, sie haben im Laufe ihres Studiums bereits unzählige Praxiserfahrungen gesammelt und dennoch liegt ein Zauber 
des Neuen, Ungewissen und Zukünftigen in der Luft.