Der Portikus zeigt den neuseeländischen Künstler Michael Stevenson und verwandelt sich für die Ausstellung in eine Camera Obscura.

Das Ausstellungshaus auf der Maininsel verwandelt sich für die Ausstellung des neuseeländischen Künstlers Michael Stevenson in eine überdimensionale Camera Obscura. Die im Dachgeschoss des Portikus üblicherweise bei Dunkelheit über den Main strahlende Lichtinstallation von Olafur Eliasson musste für das technisch ambitionierte Ausstellungsprojekt von Michael Stevenson das Feld räumen. Dort befindet sich nun, mit großem Aufwand reproduziert, das Modell eines Leichtflugzeuges.

Die Unendlichkeit des Lichtes

Dabei handelt es sich keineswegs um ein beliebiges Flugzeugmodell: es ist der Nachbau eines Flugzeuges aus dem Besitz des panamaischen Mathematikers, marxistischen Philosophen, Dichters und Dramatikers José de Jésus Martínez, genannt Chuchú. Der Tausendsassa Chuchú war zudem persönlicher Leibwächter und Berater des einstigen panamaischen Staatschefs Omar Torrijos Herrera, dem charismatischen, populären und dem Vorwurf der Korruption ausgesetzten „Maximum Leader of the Panamanian Revolution".

Chuchú, passionierter Pilot mit einer ansehnlichen Sammlung von Leichtflugzeugen, benannte jedes seiner Flugzeuge nach einer Aleph-Zahl. Aleph, der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets, dient in der Mengenlehre zur Darstellung der Unendlichkeit und wurde von dem deutschen Mathematiker Georg Cantor eingeführt. „Für die Ausstellung im Portikus hat Michael Stevenson das Gebäude in eine große Camera Obscura verwandelt, in der die unendlichen und flüchtigen Eigenschaften von Licht zur Übermittlung des Abbildes des Flugzeugs genutzt werden", erklärt Laura Preston, Gastkuratorin der Ausstellung „A Life of Crudity, Vulgarity, and Blindness".

Eine Erzählung über das Fliegen

Durch eine einzigartige technische Vorrichtung aus Linsen, Spiegeln und Lichtschächten, in deren Planung Physiker, Ingenieure und Architekten einbezogen werden mussten, wird eine Projektion des Flugzeuges vom Dachstuhl des Hauses in den Ausstellungsraum geleitet. Das aufwändige Flugzeugmodell selbst kann vom Besucher nicht besichtigt werden, er bekommt ausschließlich die Abbildung zu sehen, die ihm durch einen komplexen weiterentwickelten Effekt einer Camera Obscura zugänglich gemacht wird. Bei Dunkelheit kann man außerdem von Ferne das beleuchtete Flugzeugmodell durch die großen Fenster des Dachstuhls betrachten.

Eingebettet wird die Projektion des Flugzeugs im Ausstellungsraum in eine Erzählung über das Fliegen. Chuchú war unter anderem Autor des Buches „Teoria del vuelo" („Theorie des Fliegens"), das als Reaktion auf seine Gedanken während des Fliegens entstanden ist. Michael Stevenson bereitet den Text und die Abbildungen für die Ausstellungsituation auf und reproduziert das Werk in Buchform. Der im Portikus ausgelegte Nachdruck beinhaltet eine Übersetzung des Werkes und wird auf dem dünnstmöglichen Papier gedruckt, das von einer Druckerpresse verarbeitet werden kann.

Physik und Fiktion

Michael Stevenson hegt eine langjährige Faszination für Inselstaaten, im speziellen für die Region im Golf von Panama, mit der er sich bereits in der künstlerischen Arbeit „Introduccion a la Teoria de la Probabilidad" (2008) auf der Panama Art Biennal auseinandersetze. Dabei boten schon immer die Schriften Chuchús eine wichtige Inspirationsquelle für den Künstler. Stevenson arbeitet mit Erzählungen, die oftmals historischen Ursprungs sind, rekonstruiert daraus Bilder und Objekte und produziert aus dem Stoff Allegorien. Wie sich Physik und Fiktion miteinander vertragen, läßt sich ab Freitag, den 29. September, im Portikus selbst erfahren.