Sexismus ist aus aktuellem Anlass ein breit diskutiertes Thema in allen Medien – Yoko Ono engagierte sich bereits vor 40 Jahren eindrücklich für die Gleichberechtigung.

Ein Politiker, der einen sexistischen Ausspruch nicht bereuen mag, und ein #Aufschrei im Netz haben dafür gesorgt, dass die Debatte über Sexismus in unserer Gesellschaft wieder lautstark geführt wird. Yoko Ono, die in der kommenden Woche in der SCHIRN eine große Retrospektive eröffnet, hat schon sehr früh als Künstlerin und Aktivistin für echte Gleichberechtigung gekämpft.

Yoko Ono sitzt auf der Bühne, still, sie trägt ihr bestes Kleid -- und ist dem Publikum gnadenlos ausgeliefert. „Cut Piece" heißt die Performance, die die Künstlerin 1964 in Kyoto zum ersten Mal zeigte und später mehrfach wiederholte. Mit einer großen Schere dürfen die Besucher Teile ihrer Kleidung zerschneiden. So entkleiden sie die Performerin nach und nach, stellen sie bloß.

Die Aktion von Yoko Ono hat bis heute nicht an Wirkkraft eingebüßt, auch wenn viele Künstler, Vito Acconci oder Hermann Nitsch etwa, später mit weitaus drastischeren Performances aufgetreten sind. Plastischer und direkter als in „Cut Piece" lässt sich der männliche Blick auf das „Objekt Frau" nicht darstellen. Diesen Blick wollte Yoko Ono brechen und hinterfragen, und darum hat sie „Cut Piece" auch häufig von Männern aufführen lassen.

Als Yoko Ono ihre ersten bedeutenden Schritte in der Kunstwelt unternahm, bewegte sie sich in einer reichlich homogenen Männerwelt. Die Künstler der aufkommenden Fluxusbewegung waren ausnahmslos Männer wie George Maciunas, Nam June Paik, Benjamin Patterson oder George Brecht. Und auch bei Yoko Onos Auftritten mit dem damals bereits vielbeachteten Experimentalmusiker John Cage wurde die Künstlerin von der Kritik meist in eine Nebenrolle gedrängt -- obwohl sie selbst schon mehrere eigene Kompositionen präsentiert hatte.

„Woman Is The Nigger Of The World"

Yoko Ono war eine Pionierin. „Cut Piece" war ein Vorgriff auf das Entstehen einer starken feministischen Bewegung am Ende der siebziger Jahre. Den konservativen Gegenwind bekam sie deshalb wohl besonders heftig zu spüren -- vor allem, nachdem sie den Beatle John Lennon in einer Londoner Galerie kennengelernt und wenig später geheiratet hat. Gemeinsam engagierte sich das Paar für Gleichberechtigung, Menschenrechte und in der Friedensbewegung. Schon ihre Flitterwochen haben sie zur politischen Protestaktion umfunktioniert: Im Amsterdamer Hilton Hotel inszenierten Ono und Lennon ihr legendäres „Bed-In For Peace" und solidarisierten sich so mit der weltweiten Bewegung gegen den Vietnamkrieg.

Ihre Botschaften transportierten Ono und Lennon auch mit den Mitteln der Popmusik. Besonders ein Song ihrer Plastic Ono Band sorgte dabei für unglaubliches Aufsehen: „Woman Is The Nigger Of The World". 1969 hatte Ono diesen Satz erstmals in einem Interview mit dem britischen Magazin „Nova" fallen lassen. 1972 entstand dann aus dem Slogan die antichauvinistische Pop-Hymne, die einen heftigen Skandal hervorbrachte. Weil Lennon und Ono das geächtete N-Wort in dem Song verwendeten, weigerten sich die meisten amerikanischen Radiostationen, das Stück zu spielen. Auch in der Presse wurde der Gebrauch des rassistischen Schimpfworts scharf kritisiert. Lennon konterte diesen Einwand geschickt, in dem er in der Fernsehsendung „The Dick Cavett Show" darauf hinwies, wer diese Kritik formuliert: weiße Männer.

Das Private ist politisch

Die klassischen Rollen von Männern und Frauen zu durchkreuzen, war Yoko Ono immer ein wichtiges Anliegen. Auf sehr humorvolle Weise gelang ihr das in dem Film „No. 4 (Bottoms)", den sie in zwei Versionen drehte. Darin fokussiert die Kamera nackte Hintern -- von Männern und Frauen. Indem Ono einen engen Ausschnitt des Körpers wählt, entsteht eine neue Erotik ganz jenseits der Herrenmagazinästhetik. In London sollte die Vorführung des Werks verhindert werden, mit einer öffentlichkeitswirksamen Protestaktion konnte Ono diese Zensur aber verhindern.

Gleichberechtigung lebte das Paar Ono/Lennon aber auch in der privaten Beziehung. Nach der Geburt ihres Sohnes Sean im Oktober 1975 war es vor allem John, der sich um die Erziehung des Kindes kümmerte. In ihrem Essay „The Feminization of Society" hatte Ono schon 1971 formuliert, dass eine wirkliche Veränderung der Geschlechterrollen nur gelingen kann, wenn sich die Gesellschaft radikal wandelt. „Das eigentliche Ziel der Befreiung der Frauen besteht nicht einfach darin, der männlichen Unterdrückung zu entfliehen. Wie wäre es mit der Befreiung von unseren eigenen Trips wie Ignoranz, Gier, Masochismus, Gottesfurcht und sozialen Konventionen?", schreibt sie darin.

„The Feminization of Society" liest sich auch heute noch wahnsinnig aktuell. Noch immer kämpfen wir mit den Männer- und Frauenbildern in unseren Köpfen. Der Druck wird dabei garantiert nicht kleiner, wenn wir weiterhin ständig versuchen, gleichzeitig attraktiv, erfolgreich im Job und gute Eltern zu sein. „Das Bild hat nichts mit der Realität der Menschen zu tun", schreibt Ono. Und fragt provokant: „Wie können wir ein ewiger James Bond oder eine ewige Twiggy sein (falsche Wimpern, der Nie-ein-Baby-gehabt-und-nie-sattgegessen-Look) und gleichzeitig drei Kinder großziehen?"

Zur aktuellen Sexismus-Debatte hatte Yoko Ono schon vor über vierzig Jahren Wichtigeres zu sagen als die meisten Teilnehmer der unzähligen Talkshows, die zurzeit zu dem Thema laufen.